Felicitas Hoppe: "Verbrecher und
Versager"
Fünf Porträts
Nicht die
Fremde ist fremd, sondern wir sind fremd, weil uns niemand hört, wenn wir
sprechen wollen.
Felicitas Hoppe macht den Leser mit
fünf historischen Figuren bekannt, deren Lebensgeschichte von Gaunereien und
Aufschneidereien geprägt ist. Fünfmal Hoffnungslosigkeit und die tiefe
Sehnsucht, sich vom Ort des eigenen Versagens zu entfernen, das Meer zu
bezwingen und am anderen Ende der Welt eine zweite Chance, ja, ein besseres
Leben vorzufinden. Eine fatale Illusion, die sich nur für einen Protagonisten
erfüllen wird: Georg Meister wird als Schiffsgärtner verpflichtet, findet darin
seine Berufung und seinen Platz im Leben.
Kapf, Junghuhn, Hagenbeck und
Hagebucher besteigen allesamt Schiffe, um der bedrohlichen und immer enger
werdenden Lage in der Heimat zu entkommen, und müssen sich doch ihrem Schicksal
beugen.
Doch wer jetzt bereits enttäuscht meint, "historische Romane sind
nichts für mich", irrt gewaltig. Es handelt sich bei diesen Porträts keineswegs
um verstaubte Geschichten, sondern um groteske Kuriosa, die im Hier und Jetzt
verankert sind. Trotz Knappheit und Tempo in der Sprache entstehen wundervolle
Bilder im Kopf des Lesers, wenn man es sich erlaubt, Fantasie
zuzulassen.
Und so verfolgt der Leser die atemlose Geschichte von Franz Wilhelm Junghuhn,
der auf die Anatomie der Menschen pfeift und sein Herz an die Botanik vergeben
hat. Er duelliert sich mit Schwoerer, der sich danach die entscheidende Kugel
verpasst. Junghahn flieht, dient als Gesundheitsoffizier im preußischen Heer,
wird zu zehn Jahren in der Festung Ehrenbreitsein verdonnert. Er schafft es,
auch von dort zu fliehen, ist ein Getriebener voller Kraft, Eifer, Zorn und
Unerbittlichkeit. Er wird immer wieder zum Flüchtling, bereist Algier, Afrika,
Paris und landet
in Batavia, wo er seine Leidenschaft zur Natur erstmals vermarkten kann.
Nach
Irrwegen kehrt er nach Holland zurück, heiratet, zeugt einen Sohn - doch die
Idylle hält nicht lang und Junghahn besteigt wieder ein Schiff, diesmal mit Frau
und Sohn. Grenzen sind für ihn, der nicht taugt für das Parkett seiner Heimat,
nicht für Innenräume geschaffen ist, so gut wie nicht vorhanden. Doch es gelingt
ihm nicht mehr, in sein Abenteurersein zu entwischen, sondern er gelangt in den
Dienst der Kolonien und soll ein kostbares Erbe verwalten - keine
zufriedenstellende Aufgabe für einen derart rastlosen Menschen!
Grandiose
Sprachmagie und ein Anstoß, sich auf Fantasie einzulassen und diese auch ins
eigene Leben zu integrieren.
(Margarete; 04/2004)
Felicitas Hoppe: "Verbrecher und
Versager"
Marebuch, 2004. 154 Seiten.
ISBN 3-936384-12-6.
ca. EUR
18,-.
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Felicitas Hoppe, Jahrgang 1960, erhielt für ihr Debüt "Picknick der Friseure" den Ernst-Willner-Preis in Klagenfurt und den Aspekte-Literaturpreis. Mit Schiffsreisen in die Ferne kennt sie sich bestens aus, seitdem sie 1999 mit einem Containerschiff vier Monate um die Welt gefahren ist. Auf die Reise folgte der Roman "Pigafetta". Zuletzt erschien ihr Roman "Paradiese, Übersee". Felicitas Hoppe lebt in Berlin.
Ergänzende Buchtipps:
Antonio
Pigafetta: "Mit Magellan um die Erde"
Ein Augenzeugenbericht der ersten Weltumsegelung
Was 1519 als wagemutige Expedition ins Unbekannte mit fünf Schiffen und über
200 Mann Besatzung begann, wurde eine der berühmtesten Entdeckungsfahrten der
Weltgeschichte. Denn der Portugiese Fernando Magellan räumte mit seiner ersten
Weltumrundung manchen Aberglauben und manche Fehleinschätzung aus dem Weg: Die
Welt war keine Scheibe, und
Columbus hatte
nicht Indien erreicht!
Doch die gefahrvolle Reise forderte auch ihre Opfer; und so kehrten nach drei
langen Jahren nur 18 Mann in die Heimat zurück - unter ihnen der Italiener Antonio
Pigafetta, der in seinem Tagebuch die dramatischen Ereignisse für die Nachwelt
überliefert.
zur Rezension ---
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"Picknick der Friseure"
Eine Familie vermietet stundenweise einen Balkon. Die frischluftnärrischen
Mieter stürzen aus ungeklärten Gründen stets in die Tiefe. Mit den Schaulustigen
macht die Familie durch den Verkauf von Schnäpsen gute Geschäfte bis eines
Tages sich das Kind auf den geheimnisvollen Balkon wagt. "Picknick der
Friseure"
ist ein Buch mit zwanzig grotesken und komischen Geschichten, die in der gegenwärtigen
Literatur ihresgleichen suchen: manchmal bitterböse, voll atemberaubender Fantasie.
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"Pigafetta"
Geheimnisvoll, märchenhaft, betörend der Reiseroman "vom Containerschiff".
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"Paradiese, Übersee"
Unterwegs durch Zeiten und Kontinente. Eine fantastische Reise mit ritterlicher
Begleitung.
Ritter und Duellanten, Handlanger und
Pilger, Sommerverbrecher und Zeitungsleser
hatten bereits die Geschichten aus "Picknick der Friseure" bevölkert, bevor
mit "Pigafetta" dann das Abenteuer der Reise begann. "Paradiese, Übersee" greift
ein weiteres Mal dieses Motiv auf für eine weit gespannte Reise durch die Kontinente
und Zeiten, mit einem veritablen Ritter
auf
einem Pferd, einem ihn begleitenden Schreiber und drei Abenteurern auf der
Suche nach dem kostbaren Fell der seltenen Berbiolette.
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