Adolf Holl: "Der lachende Christus"
"Der, den du neben dem Kreuz fröhlich und lachend siehst, ist der
lebendige Jesus. Derjenige hingegen, in dessen Hände und Füße Nägel
geschlagen werden, ist sein leiblicher Teil, sein Ersatz."
("Apokalypse des Petrus";
2. Jahrhundert n. Chr.)
Provozierend und
irritierend ist dieses jüngste Werk aus der Schreibstube Adolf Holls.
Man stelle sich nur einmal diese Szene vor: Jesus ist ans Kreuz
geschlagen und macht gerade fürchterliche Qualen durch. Daneben der
selbige Jesus noch einmal, als alter ego des Schmerzensmanns - lachend!
Welch lästerliches Bild! Was für eine subversive Vorstellung! Und ist
es denn nicht ein theologisches Axiom, dass Gott nicht lacht? Frontaler
lässt sich der Angriff auf unser angestammtes Gottesbild nicht mehr
denken. Da wird der Inbegriff liebenden Mitleidens zu Tode gequält,
doch ist es der Gemarterte selbst, der angesichts des Grauens sich
erheitert. Solcherart vielleicht gar ein amoralisches, boshaftes Gemüt
zur Schau stellt? Und hat der Betrachter des Geschehens nicht plötzlich
zwei völlig konträre Gottesbilder vor Augen? Der Philosoph Peter
Strasser merkte dazu treffend an, dass aus diesem gespaltenen
Gottesbild der Geist des Polytheismus atmet.
Der lachende Christus des Adolf Holl ist ein unbekannter Christus.
Jesus ist der Christenheit als todernster Schmerzensmann bekannt. Sich
ihn lachend vorzustellen, ist schon beinahe Häresie. Der lachende
Christus empört, nicht nur kirchentreue Kleriker. Holl meint das
natürlich nicht so, möchte nicht unsanft an Empfindlichkeiten rühren,
doch der Leser erlebt es so. Ein kulturelles Tabu ist verletzt. Was für
Holl aber mehr auf ein kulturelles Defizit verweist, denn auf einen
Sinn dieser Tabuisierung. Wer nicht bar des Heiligen Geists ist, sieht
den lachenden Christus. Die meisten von uns wurden jedoch mit
angeborener spiritueller Sehschwäche in die Welt gesetzt.
Was ist das für ein Lachen? Adolf Holl meinte bei Präsentation
des Buches dazu scherzend, es sei ein erotisches Lachen. Was man ihm
nicht so recht abnimmt. Zu dramatisch ist die Szenerie der geteilten
Persönlichkeit des sich selbst verhöhnenden Christus, der sich am Drama
seiner Vernichtung erheitert, angesichts seines eigenen Elends gar
schadenfroh reagiert. Für manche Personen und vor allem für jene, die
im mitleidigen Christusbild Trost finden, eine sehr verletzende
Vorstellung. Und man könnte gar meinen, dass Holl das Prinzip tätiger
Nächstenliebe, die Caritas, in Frage stellt.
Das Buch wühlt auf. Und immer drängender stellt sich die Frage, wer
denn dieser Jesus-Gott ist, der solch ein unerhörtes Verhalten an den
Tag legt? Hat sich im Denken des lästerlichen Ketzers Holl gar der
Teufel in die Kreuzigungsszene eingeschlichen? Und Holl verwechselt den
Unterweltlichen nun mit Christus? Oder will Holl dem Leser weismachen,
Jesus sei nicht am Kreuz gestorben, sondern eine Kopie, ein
Doppelgänger bzw. Pseudo-Jesus sei statt seiner hingerichtet worden?
Was ihn unermesslich belustigt hätte?
Nichts von all dem ist der Fall, denn diesmal geht es weniger um den historischen
Jesus, welchen Holl in seinem Buch "Jesus
in schlechter Gesellschaft" skizziert hat. Diesmal geht es mehr um das Wesen
Gottes. Nicht, dass Jesu Menschlichkeit somit negiert wird, aber er ist nicht
nur Mensch, sondern gewinnt über die Gotteszuschreibung eine Erweiterung
seiner Menschlichkeit. Denn der historische Jesus war nach der Meinung von Adolf
Holl bestimmt kein lachender Christus, sein Lebensgang war furchtbar ernst.
Er konnte zwar liebenswürdig sein, doch war er fanatisch. "Lasst die Toten ihre
Toten begraben." - Wer spricht so im Original, wenn nicht ein Eiferer?
Sollte aber Gott denn dann ein Eiferer sein? Welch trauriges Gottesbild
dogmatischer Schreckensart. Holl lässt sich sein Gottesbild nicht auf
ein klassisches Jesusbild reduzieren, das von Lustlosigkeit, tiefem
Ernst, Verbohrtheit und suizidaler Zielstrebigkeit gekennzeichnet ist.
Ein Gott, der sich dem Menschen über einen an sich selbst und seiner
Umwelt leidenden Jesus manifestiert, ist wahrlich in seiner
Herrlichkeit gefährdet und verheißt dem Gläubigen wenig Glückseligkeit.
Holl höhnt also dieser unglücklichen Vorstellung, die man wohl als ein
Werk von zur Blindheit Geborenen erkennen müsse. Und wie schon in
früheren Schriften frönt er einer Inszenierung von Christenheit, die
einem gelegentlich auch lasterhaften Vergnügen nicht zürnen mag. Der
lachende Christus ist weder Ursprung zur römisch katholischen
Junggesellenmoral, noch überhaupt ein Anlass zu geschlechtlicher
Zurückhaltung. Er ist zwar tugendhaft, doch höhnt er jenes asketische
Ideal, das ausgerechnet an seiner Person festgemacht wird. Und er höhnt
dem sich selbst aufopfernden alter ego.
Adolf Holl ist ein exzentrischer Autor, der Bücher von ungeheurer Wucht
schreibt, gelehrig bis zur Unverständlichkeit und vielleicht auch
deswegen nicht ganz zu Unrecht umstritten. Auch beschleicht den
Rezensenten immer mehr der Verdacht, es handle sich bei seinem
Schrifttum jüngeren Datums zusehends um theologisches Gelächter eines
federfuchsenden Harlekins. Nicht Christus lacht; aber nein, Holl lacht.
Und erquickt sich an der Ratlosigkeit, die er ob der aufgeworfenen
Gottesfrage in der Leserschaft verursacht.
In Holl, der in seinen alten Tagen (75jährig) unaufhaltsam zum
Kultautor avanciert, jetzt aber nur einen Schelm sehen zu wollen, ist
wohl ebenso verkehrt, wie die Idee ihn von jeder intellektuellen
Lausbüberei lossprechen zu wollen. Holl hinterlässt mit seinem jüngsten
Buch hübsch viel Ratlosigkeit und Desorientierung, und das offenbar mit
Absicht, aus Lust am Dunklen und Unverfänglichen und aus
antidogmatischer Gesinnung, doch wie sollte ein Mann auch anders
verfahren, der, so wie er, in seinem christlichen Leben so ungemein
viel Ärger mit den Wächtern unerschütterlicher Wahrheitsverfügung
hatte?
Dass es verfehlt ist, Christus-Gott auf verbohrten Ernst,
leibfeindliche Askese und Selbstaufopferung zu reduzieren, scheint
plausibel und gibt für sich genommen schon ein faszinierendes Motiv ab,
dieses Buch zu lesen. Es ist jedoch auch ein Stück Literatur von einem
Autor, der die von ihm behandelte Thematik in seinem eigenen Leben
schmerzlich erfuhr. Der lachende Christus kontrastiert letztlich das
christologische Lehrfundament jener Kirchenbürokratie, die dermaleinst
über Holl den Stab gebrochen hat. Nun ist der Tag gekommen, dem
dogmatischen Ernst ein schallendes Gelächter widerfahren zu lassen. "Er
lacht ihnen eins", sagt der Volksmund. Womit sich ein autobiografischer
Moment auftut - gehüllt in einen Mantel aus dem feinen Stoff sachlicher
Lektüre.
(Harald Schulz; 04/2005)
Adolf Holl: "Der lachende Christus"
Zsolnay, 2005. 320 Seiten.
ISBN 3-552-05342-5.
ca. EUR 22,10.
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