Peter Høeg: "Das stille Mädchen"


Es gibt Bücher, an die man sich so genau erinnert, als hätte man sie gestern gelesen. Peter Høegs Erfolgsbuch "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" war anno 1994 für den Rezensenten so ein Buch. Eine Freundin empfahl es, kurz nachdem es erschienen war, und der Rezensent konnte ein ganzes Wochenende nicht ruhen, bis er dieses außergewöhnliche Buch ausgelesen hatte. Ein Werk war das mit neuen Tönen, neuen Farben, neuen Gerüchen, wie er so vorher noch nie eines gelesen hatte. Der Rezensent weiß, dass es vielen anderen Lesern auch so ging. "Fräulein Smilla" war zu Recht ein Erfolg..
Mit den in den drei darauf folgenden Jahren jeweils im Zwölfmonatsrhythmus erschienenen Nachfolgern versuchte er sich zu befassen, aber keines dieser Bücher Høegs kam auch nur annähernd an den großen Erfolg heran, und der Rezensent legte sie jeweils schnell wieder zur Seite.

Dann hörte man von Peter Høeg nichts mehr. Ähnlich wie Patrick Süskind nach seinem "Parfum" (wir kommen auf weitere Parallelen noch zurück) hat sich auch Høeg nach seinem Sensationserfolg und den gescheiterten Nachfolgern (1995-1997) aus dem Literaturbetrieb zurückgezogen und sich in den Status eines Phantoms verabschiedet. Das ließ den Ruhm weiter strahlen und förderte nicht unerheblich die Legendenbildung. Während Süskind irgendwo in Frankreich seine Ruhe haben wollte, und, wie man hörte, sein Leben genoss, plante Høeg, dessen Nachfolgebücher wie gesagt durchfielen, schon sein nächstes großes Werk.

Dafür widmete er sich zunächst über Jahre dem, was man gemeinhin die "spirituelle Suche" nennt. Fündig wurde er bei Jes Bertelsen, der sich in den siebziger Jahren in Dänemark einen Namen als "New-Age"-Guru gemacht hat und nun auf Jütland ein esoterisches Fortbildungszentrum betreibt. Dort behandelt er seine Klienten, darunter auch Høeg, mit einer undogmatischen Mischung aus der Lehre C.G. Jungs, der Philosophie Kierkegaards und diversen anderen religiösen Praktiken.

An zahllosen Stellen des neuen Buchs scheinen diese Lehrer und Lehren durch. Denn Høeg versucht mit "Das stille Mädchen", den geistigen Ertrag seines jahrelangen Rückzugs in eine Mischung aus Thriller und Traktat zu gießen. Vielleicht schielte er dabei auch auf die Verkaufszahlen anderer Kollegen, die sich in diesem Wasser tummeln (z.B. Paulo Coelho). Doch genau das ist ihm, dessen Buch anno 2006 in Dänemark mit viel Pomp und vorhergehender Geheimniskrämerei präsentiert wurde, völlig danebengegangen.
Weder ist das Buch wirklich spannend, noch besitzt es jenen Tiefgang, den Bücher, die sich mit philosophischen Themen und Letztbegründungen befassen wollen, haben sollten.
Über ein ganzes Buch hinweg, eingewoben in die Geschichte des berühmten Musikclowns Kaspar Krone, der das entführte Mädchen KlaraMaria, seine ehemalige Schülerin, in einer abenteuerlichen Jagd wiederzufinden sucht, dekliniert Høeg die in mystischen Texten überlieferte, seit einiger Zeit im Kontext der Quantenphysik neu beleuchtete These, dass das Bewusstsein, wenn es einen Zustand erreicht, in dem die Wirklichkeit noch nicht Gestalt angenommen hat, die physische Realität beeinflussen kann.

Das ist nun für sich ein wahrlich auch literarisch ergiebiges Thema, doch Høeg führt eine solche Vielzahl von Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten vor, dass sie ansonsten flach und anämisch bleiben. Die Handlung ist überfrachtet mit reißerischen Szenen, geheimnisvollen Rätseln und anderen Abstrusitäten. Man quält sich durch das Buch und wartet nach hundert Seiten auf irgendeinen neuen, originellen Gedanken.

Auch die andere (bewusst gewollte?) Parallele zu Grenouille in Süskinds "Parfüm" wird regelrecht ausgelutscht und bis zur Belanglosigkeit traktiert. Wir erinnern uns: Grenouille war auf der Suche nach dem perfekten Duft. Høegs Musikclown und Lebenskünstler Kaspar Krone verfügt über die Gabe, Menschen, Orte und Situationen als Klänge wahrzunehmen. Er hört das Gras wachsen und kann erlauschen, auf welche Tonart sein Gegenüber gestimmt ist. Doch die wälzt Høeg so breit und impertinent aus, dass es nicht nur langweilt, sondern auch zu wirklich peinlichen Beschreibungen kommt:
"Das Weibliche hat keinen bestimmten Laut. Keine bestimmte Tonart. Keine bestimmte Farbe. Das Weibliche ist ein Prozess. In dem Augenblick, in dem ein Dominantseptakkord in der subdominanten Durtonart ausklingt, in dem Augenblick hört man das Weibliche."

Peter Høeg mag in den Jahren seines spirituellen Rückzugs als Mensch gereift sein, als Schriftsteller ist er jedenfalls nicht weitergekommen. Dieses Buch wird  nicht in Erinnerung bleiben, es wird verblassen, und selbst nachdenkenswerte Einsichten und Gedanken, die er durchaus formuliert, werden erstickt durch eine atemlose und planlose Handlung.

(Winfried Stanzick; 03/2007)


Peter Høeg: "Das stille Mädchen"
Aus dem Dänischen von Peter Urban-Halle.
Hanser, 2007. 460 Seiten.
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Leseprobe:

1

Gott die Herrin hatte einen jeglichen Menschen in seiner eigenen Tonart gestimmt, und Kasper konnte sie heraushören. Am besten in den kurzen, ungeschützten Augenblicken, in denen sie schon in seiner Nähe waren, aber noch nicht ahnten, dass er lauschte. Deshalb wartete er am Fenster, auch jetzt.

Es war kalt. So kalt, wie es nur in Dänemark kalt werden konnte, und auch nur im April. Wenn die Leute in geistesverwirrter Verzückung über das Licht die Heizung ausgestellt, den Pelz beim Kürschner abgegeben, die langen Unterhosen vergessen hatten und ausgegangen waren. Und viel zu spät bemerkten, dass die Temperatur auf den Gefrierpunkt gefallen war, die Luftfeuchtigkeit neunzig Prozent betrug, der Wind aus Norden blies und Stoff und Haut durchdrang und sich ums Herz legte und es mit sibirischer Tristesse erfüllte.
Der Regen war kälter als Schnee und fein, dicht und grau wie ein Seidenvorhang. Durch diesen Vorhang rollte ein langer schwarzer Volvo mit getönten Scheiben heran. Dem Auto entstiegen ein Mann, eine Frau und ein Kind. Der Auftakt war verheißungsvoll.
Der Mann war groß und breit und schien gewohnt, seinen Willen durchzusetzen und seinen Mitmenschen, falls er ihn einmal nicht durchsetzen konnte, den Kopf zurechtzurücken. Die Frau war blond wie ein Gletscher, glich einem one million dollar baby und sah aus, als wäre sie clever genug gewesen, die Million selbst verdient zu haben. Das Mädchen trug teure Sachen und hatte Würde. Die Szene ähnelte dem Auszug der heiligen und hochvermögenden Familie.

Als sie etwa die Mitte des Hofs erreicht hatten, gewann Kasper einen ersten Eindruck von ihrer Tonart. Es war ein d-Moll in seiner schlimmsten Form. Wie in der Toccata und Fuge in d-Moll. Mächtige, schicksalsschwangere Säulen aus Musik.
Dann erkannte er das Mädchen. Zeitgleich mit dem Wiedererkennen trat die Stille ein.
Sie währte kurz, vielleicht eine Sekunde, vielleicht nicht einmal das. Aber während sie andauerte, riss sie die Mauern der Wirklichkeit nieder. Sie beseitigte den Hof, die Übungsmanege, Daffys Büro, das Fenster. Das schlechte Wetter. Den April. Dänemark. Die Gegenwart.
Dann war sie vorbei. Als hätte es sie nie gegeben.

Er hatte sich am Türrahmen festgehalten. Es musste sich eine natürliche Erklärung finden lassen. Unwohlsein hatte ihn ergriffen. Ein Blackout. Ein vorübergehender Blutpfropf. Niemand verbringt ungestraft zwei Nächte hintereinander von zehn Uhr abends bis acht Uhr morgens am Kartentisch. Oder war es ein Beben gewesen? Die ersten großen Erdbeben hatte man sogar hier draußen spüren können.
Vorsichtig blickte er sich um. Daffy saß hinter ihm am Schreibtisch, als wäre nichts geschehen. Auf dem Hof kämpften die drei Menschen gegen den Wind an. Die Erde hatte nicht gebebt. Es war etwas anderes gewesen.
Talent ist die Fähigkeit, die Spreu vom Weizen zu trennen. Im Aussondern hatte er 25 Jahre Erfahrung. Ein Wort, und Daffy würde seine Anwesenheit leugnen.

Er öffnete die Tür und streckte ihnen die Hand entgegen.
"Avanti", sagte er. "Kasper Krone. Herzlich willkommen!"
In dem Moment, in dem die Frau seine Hand ergriff, begegnete er dem Blick des Mädchens. Ganz schwach, nur für ihn wahrnehmbar, schüttelte es den Kopf.
Er begleitete sie in den Übungssaal, sie blieben stehen und sahen sich um. Ihre Sonnenbrillen waren ausdruckslos, aber ihr Klang war angespannt. Sie hatten mehr Finesse erwartet. Etwas in der Art des Großen Saals, in dem das Königliche Ballett repetiert. Etwas wie die Empfangsräume im Schloss Amalienborg. Mit Merbauholz und sanften Farben und vergoldeten Paneelen.

"Sie heißt KlaraMaria", sagte die Frau. "Sie ist nervös. Sie ist angespannt. Sie wurden uns vom Bispebjerg Krankenhaus empfohlen. Von der Kinderpsychiatrie."

Selbst im System eines geübten Lügners ruft die Lüge ein feines Schnarren hervor. Auch bei ihr. Das Mädchen blickte zu Boden.
"Es kostet zehntausend pro Sitzung", sagte er.
Das war die Eröffnung. Protestierten sie, käme ein Dialog in Gang. Und er hätte die Möglichkeit, sich tiefer in ihre Systeme hineinzuhorchen.

Sie protestierten nicht. Der Mann zog eine Brieftasche hervor. Sie entfaltete sich wie der Balg eines Akkordeons. Kasper hatte solche Brieftaschen bei den Rosshändlern gesehen, als er noch auf Märkten auftrat. In dieser hier hätte jedenfalls ein kleines Pferd Platz finden können, sagen wir ein Fallabella. Ihr entstiegen zehn steife, druckfrische Tausendkronenscheine.
"Ich muss Sie leider um zwei Sitzungshonorare im voraus bitten", sagte er. "Auf Anweisung meines Finanzberaters."
Zehn weitere Scheine wurden zutage gefördert.

Er zog eine seiner alten Visitenkarten aus der Tasche, in Stahlstichdruck, und den Füllfederhalter.
"Übrigens hat gerade jemand abgesagt", sagte er, "zufälligerweise. Ich könnte sie dazwischenschieben. Ich muss sowieso erst den Muskeltonus und den Körperrhythmus untersuchen. Das dauert keine zwanzig Minuten."
"In den nächsten Tagen", sagte die Frau.
Er schrieb seine Telefonnummer auf die Karte.
"Und ich muß dabeisein", sagte sie.
Er schüttelte den Kopf.
"Tut mir leid. Nicht, wenn man so intensiv mit den Kindern arbeitet."
Es geschah etwas im Raum, die Temperatur fiel, die Anzahl der Schwingungen sank, alles erstarrte.
Er schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, nach fünfzehn Sekunden, lagen die Banknoten noch da. Er nahm sie an sich, ehe es zu spät war.

Sie drehten sich um. Gingen durch das Büro hinaus. Daffy hielt ihnen die Eingangstür auf. Sie überquerten den Hof, ohne zurückzublicken. Setzten sich in den Wagen. Der Wagen rollte in den Regen hinaus und verschwand.
Er lehnte seine Stirn an die kalte Scheibe. Er wollte den Füller in die Tasche stecken, in die warme Tasche zu dem Geld. Es war weg.
Vom Schreibtisch her kam ein Geräusch. Ein Rischeln. Wie wenn man ein neues Kartenspiel von Piaget mischt. Vor Daffy, auf der Tischplatte, lag der niedrige, mahagonibraune Stapel frischer Banknoten.
"In deiner rechten Außentasche", sagte der Verwalter, "stecken noch zweihundert Kronen. Für eine Rasur. Und eine warme Mahlzeit. Eine Nachricht ist auch noch drin."
Die Nachricht war auf einer Spielkarte notiert, der Pikzwei. Auf der Rückseite stand, mit seinem eigenen Füller geschrieben: "Reichskrankenhaus. Aufgang 52.03. Nach Vivian fragen. Daffy."
In dieser Nacht schlief er im Stall.
Es waren einige zwanzig Tiere dageblieben, Pferde und ein Kamel, die meisten waren alt oder wertlos. Der Rest war noch für die Wintersaison bei französischen oder süddeutschen Zirkussen.

Er hatte seine Geige dabei. Er legte das Laken und die Bettdecke in die Box zu Roselil, halb Berber, halb Araber. Sie war hiergeblieben, weil sie ausschließlich ihrem Kunstreiter gehorchte. Und nicht einmal ihm richtig.
Er spielte die Partita in a-Moll. Eine einsame Birne an der Decke warf ein weiches, goldenes Licht auf die lauschenden Tiere. Die spirituellsten Menschen stehen den Tieren am nächsten, hatte er bei Martin Buber gelesen. Ebenso bei Meister Eckhart. In Das Reich Gottes ist nahe. Gott soll man bei den Tieren suchen. Er dachte an das Mädchen.
Im Alter von etwa neunzehn Jahren, in der Zeit seines endgültigen Durchbruchs, hatte er entdeckt, dass mit der Fähigkeit, einen Zugang zur akustischen Essenz der Menschen zu finden, Geld zu machen war - besonders, wenn es sich um Kinder handelte. Er hatte sofort Kapital daraus geschlagen. Nach zwei Jahren hatte er zehn Privatschüler am Tag, genauso viele wie Bach in Leipzig.
Es waren Tausende von Kindern gewesen. Spontane Kinder, zerstörte Kinder, Wunderkinder, katastrophale Kinder.
Am Schluss kam das Mädchen.
Er legte die Violine in den Kasten, den er in seine Arme schloss wie eine stillende Mutter ihr Kind. Das Instrument kam aus Cremona, eine Guarneri, das letzte, was ihm aus den großen Jahren geblieben war.
Er verrichtete sein Abendgebet. Die Nähe der Tiere hatte ihm einen großen Teil der Angst genommen. Er lauschte der Müdigkeit, sie strebte aus allen Richtungen gleichzeitig heran. In dem Augenblick, in dem er ihre Tonart bestimmen wollte, kristallisierte sie und ging in Schlaf über.

2

Er erwachte viel zu früh. Die Tiere bewegten sich. Die Glühbirne brannte noch. Aber das Morgengrauen hatte sie verblassen lassen. Vor der Box stand so etwas wie ein Kardinal und sein Ministrant. In langen schwarzen Mänteln.

"Mørk", sagte der ältere. "Justizministerium. Wir würden Ihnen gern eine Mitfahrgelegenheit anbieten."
Es war, als brächten sie ihn nach Moskau zurück. Anfang der achtziger Jahre hatte er drei Wintersaisons beim russischen Staatszirkus zugebracht. Er hatte im "Haus des Zirkus" gewohnt, Twerskaja, Ecke Gnesdnikowskistraße. Die vorrevolutionäre Klasse dieses Gebäudes hatte er im Palais der Kopenhagener Steuerverwaltung in der Kampmannsgade wiedergefunden. Es war nun schon das dritte Mal innerhalb der letzten sechs Monate, dass man ihn herbrachte. Aber es war das erste Mal, dass man ihm einen Wagen geschickt hatte.

Das Gebäude war dunkel und verriegelt. Aber der Kardinal hatte einen Schlüssel, mit dem er auch die obersten Etagen erreichen konnte; sie waren auf dem Tableau des Aufzugs nämlich nur per Schlüssel zu bedienen. Kierkegaard hatte irgendwo geschrieben, alle Menschen besäßen ein mehrgeschossiges Haus, aber keiner steige bis zur Beletage hinauf. Kierkegaard hätte an diesem Morgen dabeisein sollen, sie fuhren nämlich bis ins oberste Stockwerk.

Die marmorne Eingangshalle mit den elektrischen Bronzefackeln war nur ein Präludium gewesen. Der Aufzug öffnete sich auf einen Treppenabsatz, auf dem ein Turnierbillardtisch hätte Platz finden können, aus großen Dachfenstern flutete das frühe Licht herein. Zwischen Aufzug und Treppe befand sich ein Glaskasten, in dem ein junger Mann saß. Weißes Hemd und Schlips, schmuck wie Ole Lukøie bei Andersen. Aber der Klang, der ihm innewohnte, tönte wie ein Stechschritt. Ein elektrischer Türschließer summte, die Tür, vor der sie standen, ging auf.
Dahinter lag ein breiter, langer Flur. Mit Parkett und behaglichem Lampenlicht und hohen Flügeltüren, die in geräumige Nichtraucherbüros führten, in denen Menschen wie im Akkord arbeiteten. Was für ein Vergnügen zu sehen, dass das Geld der Steuerzahler nicht zum Fenster hinausgeworfen wurde, hier brummte es geschäftig wie auf einem Zirkusplatz beim Zeltaufbau. Was Kasper bedenklich stimmte, war der Zeitpunkt. Als sie am S-Bahnhof Nørrebro vorbeifuhren, hatte er eine Uhr gesehen. Sie zeigte drei Viertel sechs in der Früh.
Mørk öffnete eine der letzten Türen und ließ Kasper eintreten.
In einem Empfangszimmer mit der Akustik eines Kirchenvorraums saßen zwei breitschultrige Mönche im Anzug, der jüngere mit Vollbart und Pferdeschwanz. Sie nickten Mørk zu und erhoben sich.
Eine Tür stand offen, sie gingen hinein. Im Flur war die Temperatur angenehm gewesen, hier war es kalt. Das Fenster, das auf den Sankt-Jørgen-See hinausging, stand offen, der hereinströmende Wind kam wahrscheinlich aus der Äußeren Mongolei. Die Frau am Tisch glich einem Kosaken, muskulös, schön, ausdruckslos.
"Warum ist er denn dabei?" fragte sie.
Vor dem Schreibtisch standen im Halbkreis einige Stühle, sie nahmen Platz.

Die Frau hatte drei Mappen vor sich liegen. An ihrem Revers steckte ein kleines Abzeichen, das die auserwählten Glückspilze tragen dürfen, denen Ihre Majestät die Königin das Ritterkreuz verliehen hat. Auf einem Regal an der Wand hinter ihr waren heidnische Silberpokale mit ausgestanzten Pferdeleibern zur Schau gestellt. Kasper nahm die Brille ab. Sie waren im modernen Fünfkampf errungen worden. Mindestens ein Pokal stammte von einer Nordischen Meisterschaft.
Sie hatte sich auf einen schnellen Sieg gefreut. Ihr herrliches helles Haar war wie bei einem Samurai stramm zurückgebunden. Nun hatte sich eine leichte Verwirrung in ihr Klangsystem gestohlen.

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