Hans-Jörg und Gisela Wohlfromm: "Und morgen gibt es Hitlerwetter!"

Alltägliches und Kurioses aus dem Dritten Reich


Im Vorwort stellt das Autorenpaar die Frage: Darf man das?
Nämlich das Wissen über das nationalsozialistische Regime auf diese spezifische Weise zusammenstellen?
Freilich geben sich die Autoren die Antwort selbst, wobei an dieser Stelle ein wesentlicher Satz zitiert sein mag:
"Das vorliegende Buch ist ganz bewusst nicht auf einen bestimmten Themenbereich aus dem Dritten Reich beschränkt, sondern präsentiert auf unterschiedlichen Ebenen relevante, aussagekräftige, wenig bekannte Fakten und Details aus der NS-Zeit, ohne die Fesseln einer Chronologie."

Besser als es die Autoren vorwegnehmen, kann dieses Buch gar nicht zusammengefasst werden. Es könnte sich der Versuch einer Besprechung in Details verheddern, welche dem Prinzip der Fundstücke zuwiderliefen. Dennoch ist der Rezensent bemüht, ein paar Worte über diese erstaunliche Zusammentragung von merkwürdigen, schrecklichen und alltäglichen Komponenten der NS-Zeit zu verlieren.

Das Buch gliedert sich in drei Teile: Der Alltag im Reich, die Partei und ihre Führer sowie Kriegssplitter.
Es wirkt teilweise absonderlich, wenn dramatische Geschehnisse direkt neben lächerliche Dinge gestellt sind. Gerade die groteske Verflechtung von Statistiken verschiedenster Couleurs, Briefen, Abkürzungen, Zeitungsausschnitten usw. macht jedoch den Reiz der Lektüre aus. Immer wieder mag es dem Leser passieren, dass er ins Schmunzeln kommt. Dass dies inmitten bestialischer Berichterstattung möglich sein kann, verdanken wir dem Feingefühl der Autoren.

Es wäre ein leichtes, irgendwelche Daten aus dem Buch abzuschreiben und der erstaunten Leserschaft an den Kopf zu werfen. Dies kann aber nicht im Sinne des Buches sein. Denn es scheint in erster Linie darum zu gehen, dass jeder Leser seinen persönlichen Zugang zu den Fakten über das Dritte Reich findet und sich daraus eine Anschauung bilden mag, durch die er eine möglicherweise leicht modifizierte Zugangsweise zu seiner Geschichtsvorstellung der Jahre 1933 bis 1945 erreicht.

Der Rezensent beschränkt sich auf jene Daten, die eine mehr oder weniger literarische Note in die NS-Zeit hineintransferieren. Auch in den schrecklichen Jahren wurden Bücher gelesen. "Bestseller"-Listen gab es seinerzeit noch keine. Da Verkaufszahlen weitgehend bekannt sind und manche Werke buchstäblich wie "warme Semmeln" verkauft wurden, ist es leicht möglich, jene Bücher anzuführen, deren Verkaufszahlen besonders hoch gewesen sind. Dabei fällt auf, dass zum Großteil die Glorifizierung des Krieges und der Partei(apparate) im Vordergrund stehen. Bemerkenswerterweise finden sich andererseits Bücher in der Liste, die keine Gehirnwäsche oder Demagogik beinhalten:
"Die Feuerzangenbowle" von Heinrich Spoerl
"Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke"
von Rainer Maria Rilke
"Die Biene Maja und ihre Abenteuer"
von Waldemar Bonsels

Hitler war die absolute Verdeutschung der Sprache nicht erwünscht, wie aus einem Brief von Martin Bormann an Hans-Heinrich Lammers vom 25.10.1940 hervorgeht:
"Der Führer hat deswegen angeordnet, die zuständigen Stellen sollten davon unterrichtet werden, er verbiete ein für alle Mal die Bestrebungen, längst ins Deutsche eingebürgerte Fremdwörter jetzt zu verdeutschen."

Zudem sei noch darauf hingewiesen, dass die gotische Schrift ab dem Jahre 1941 durch die als Normalschrift bezeichnete Antiqua ersetzt worden ist. Die gotischen Lettern waren als Schwabacher Judenlettern bezeichnet worden.

Die Nürnberger Prozesse werden mit vielen ungewöhnlichen Fakten kommentiert. Somit sei abschließend erwähnt, dass sämtliche Angeklagte 1945 nach der Wechsler-Bellevue-Methode auf ihren IQ hin überprüft worden sind. Alle Gefangenen außer dem ehemaligen Gauleiter von Franken, Julius Streicher, verfügten über einen klar überdurchschnittlichen Intelligenzquotienten. Herausragend waren jene von Hjalmar Schacht, Reichswirtschaftsminister, Arthur Seyß-Inquart, Reichskommissar der bes. Niederlande, Reichsmarschall Hermann Göring und Großadmiral Karl Dönitz.
Ein Tagebucheintrag des Gerichtspsychologen Gustave M. Gilbert wird unkommentiert wiedergegeben:
"Die IQ's zeigen, dass die Nazi-Führer, mit Ausnahme von Streicher, überdurchschnittlich intelligent waren (IQ 90-110), was nur die Tatsache bestätigt, dass die erfolgreichsten Menschen auf jedem Gebiet menschlicher Tätigkeit - sei es in Politik, Industrie, Militärwesen oder Kriminalität - meist über der Durchschnittsintelligenz liegen."

Wer eine ungewöhnliche Lektüre sucht, die sich mit der Schreckensherrschaft der Nazis beschäftigt, ohne auf die eine oder andere Weise pathetisch zu sein, dem kann das nunmehr besprochene Buch nur anempfohlen sein.

(Jürgen Heimlich; 03/2006)


Hans-Jörg und Gisela Wohlfromm: "Und morgen gibt es Hitlerwetter!"
Eichborn, 2006. 301 Seiten.
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Dr. Gisela Wohlfromm studierte Geschichte und Kunstgeschichte. Seit vielen Jahren ist sie gemeinsam mit Hans-Jörg Wohlfromm mit Vorträgen, Ausstellungen, Publikationen und dgl. auf dem Gebiet der Zeitgeschichte, allgemeinen Geschichte sowie Kunst und Kultur tätig.
Hans-Jörg Wohlfromm studierte Geschichte und Rechtswissenschaften.

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