"Am Himmel weiße Watte. Poesie für sonnige Momente"

Anthologie mit ausgewählten Zeilen aus der Feder von Busch, Rilke, Ringelnatz, Morgenstern, Kaléko, Claudius, Goethe, Kästner, Opitz, Heyse, Heine, Seidel, von Eichendorff, Mörike, Hesse u.v.a.
Sprecher: Catharina von Bargen, Frank Suchland
(Hörbuchrezension)


Einbettung ins Leben

46 Gedichte prangen bei dieser Hör-CD am blauen Himmel mit weißer Pracht, die sich permanent verändert. Kein ruhiges Dahinziehen der Wolken und auch kein stürmisches Ergrauen oder Erschwärzen. Vielmehr wirbeln die weißen Gedichte im blauen Alltagsgeplätscher dahin.
Die ausgewählten Gedichte erzählen von Frühling und Gefühlen, Gedanken und Tieren, menschlichen Begegnungen oder auch dem Betrachten des Meeres. Sie lassen einen in ferne Länder schweben, in andere Tageszeiten und auch in Jahrhunderte, die längst vergessen scheinen.
Entstanden sind die Gedichte zum größten Teil im 19. und 20. Jahrhundert, vereinzelte auch im 16. und 17. Jahrhundert. Die Bandbreite der Dichter ist sehr vielseitig und  berücksichtigt neben Johann Wolfgang von Goethe, Rainer Maria Rilke, Theodor Storm, Matthias Claudius, Hermann Hesse, Heinrich Heine auch Erich Kästner, Joachim Ringelnatz, Wilhelm Busch und Christian Morgenstern.
Mascha Kaléko und Ina Seidel sind die einzigen Frauen, die in die Lyrikauswahl aufgenommen wurden.

Leider wurde auch von der Nachkriegsliteratur des 20. Jahrhunderts von den Dichtern nur mehr Erich Fried berücksichtigt.
Die Schriftsteller und Schriftstellerinnen sind mit dem jeweiligen Gedicht sowie Geburts- und Todesjahr im Beiheft angegeben, und für einzelne Gedichte sind auch die Literaturquellen verzeichnet.

Das Hören der Gedichte weckt dann gemischte Gefühle. Man freut sich inhaltlich über die Gedichte und wird in Gedanken und Gefühlen in andere Welten verzaubert, so als läge man im Gras und beschaue den weiß-blauen Himmel. Es rezitieren Catharina von Bargen und Frank Suchland. Hier hätte man sich einen deutlicheren inhaltlichen Bezug bei der Stimmenauswahl gewünscht und weniger das abwechselnde Vortragen der Gedichte von Frau und Mann. Catharina von Bargen überzeugt sowohl stimmmelodisch als auch hinsichtlich Sprechgeschwindigkeit und Betonung von lauten und leisen Versen und gibt den Gedichten besonderen Nuancen. Leider ist beim Rezitieren von "Sozusagen grundlos vergnügt" (Mascha Kaléko) eine Pluralisierung geschehen, die so nicht im Original zu finden ist. Denn in der dritten Strophe heißt es "An solchem Tag erklettert man die Leiter ...". Kaléko bezieht sich hier einzig auf einen Tag.
Frank Suchlands Stärke liegt uneingeschränkt bei den nicht reimenden Gedichten. Hier kommt seine Stimme voll zum Tragen, und es passen auch melodische Aspekte und Texte zusammen. Bei gereimten Versen verfällt die Stimme in einen eher wellenartig-schaukelnden Klang, der so manches Mal von den inhaltlichen Gesichtspunkten der Lyrik ablenkt.
Eine willkommen ins Blau-Weiße eingestreute Nuance bilden die zwölf musikalischen Poems von Ulrike Dangendorf. Ihre an französische Chansons angelehnten melodisch-rhythmischen Klänge - auf Akkordeon vorgetragen - ermöglichen ein frisches Eintauchen in die geweckten Gefühle und Gedanken, welche sich beim Hören der Poesie einstellen können.

Wer Gedichte hören möchte, wird hier eine breite Palette finden, auch jenseits der am Massengeschmack orientierten Gedichtauswahl anderer Veröffentlichungen. Zudem eignet sich die Hör-CD aufgrund des Preis-Leistungs-Verhältnisses hervorragend als Mitbringsel oder kleines Dankeschön für "sonnige Momente".
"Am Himmel weiße Watte" ist somit eine schöne Geschenk-CD, die ins Blaue trifft, nicht ins Schwarze; vielleicht eher ins Dunkelblaue - nicht mehr und nicht weniger.

(Detlef Rüsch; 04/2006)


"Am Himmel weiße Watte. Poesie für sonnige Momente"
Sprecher: Catharina von Bargen, Frank Suchland.
Akkordeonmusik: Ulrike Dangendorf.
ContraPunkt Hörbuchverlag, 2005. 1 CD, Laufzeit ca. 54 Minuten.
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