Eve Landis: "Hildegard von Bingen.
Rezepte für Leib und Seele"

Kulinarische Nachempfindungen: Kastaniensuppe, Galgantgulasch und Melissenlikör


Hildegard von Bingen wurde 1098 geboren, wählte bereits in jungen Jahren das Klosterleben, stand als Äbtissin zwei Nonnenklöstern (Rupertsberg und Eibingen) vor, verfasste zahlreiche natur- und heilkundliche Schriften und komponierte 77 Werke. Sie starb am 17. September 1179, im - nicht nur für die damalige Zeit - beachtlichen Alter von 81 Jahren.
Sie wurde zeitlebens tiefer Einsichten und Visionen teilhaftig. 1141 schaute sie ein himmlisches Gesicht und eine Stimme sprach zu ihr: "Gebrechlicher Mensch, Asche von Asche, Moder von Moder, sage und schreibe, was du siehst und hörst!"

Dieser Band ist selbstverständlich mehr als ein Kochbuch im herkömmlichen Sinn, denn Hildegard von Bingen hat keine Rezeptsammlung hinterlassen. Wirklich authentisch sind die Anleitungen zur Herstellung von Lavendelwein und von Hildegards "Törtchen".
Die übrigen folgen den Ratschlägen der Hildegard von Bingen, wobei auf das heutige (politisch - oder sonstwie - korrekte) Geschmacksempfinden geachtet wurde und deshalb Rezepte zur Zubereitung von Möwe, Schwan, Biber oder Wal nicht in die Sammlung aufgenommen wurden. Wie Eve Landis ausführt, ist Sinn und Aufgabe des Buches "diejenigen Lebensmittel vorzustellen, die Hildegard den gesunden Menschen empfiehlt:
Die ihnen rechtes Fleisch
und rechtes Blut
und frohen Sinn
und Freude im Gemüt machen."

Dabei wird zu den einzelnen Lebensmitteln zumindest ein Rezept angeboten. Interessant ist, dass Hildegard von Bingen von gewissen Lebensmitteln abriet, weil sie die üblen Säfte im Menschen vermehren. Diese Verurteilung traf unter anderem Linsen, Ingwer, Erd- und Heidelbeeren, Scholle, Lachs und Schwein.

Das Buch ist sehr ansprechend und übersichtlich gestaltet. Ebensosehr Lese- wie Kochbuch bietet es neben historischen Fakten einen Einblick in das Lebensgefühl und die Denkweise der Menschen im Mittelalter, erläutert ansatzweise sowohl die Säftelehre als auch die feinstofflichen Eigenschaften von Pflanzen und Tieren und beleuchtet nicht zuletzt Leben, Werk und Wirken der Hildegard von Bingen, einer wahrhaft außergewöhnlichen Frauenfigur des Mittelalters! Die Anleitungen sind klar und gut nachvollziehbar textiert.

Zu den Rezepten für Vorspeisen, Hauptspeisen, vegetarische Gerichte, Beilagen, Süßes, Brote, Getränke und Geschenkideen gesellen sich treffende Auszüge aus dem umfangreichen Schrifttum der Heilkundigen, was das Buch auch für Leser, die ansonsten Kochbücher meiden wie der Teufel das Weihwasser, interessant macht. Und wer weiß - möglicherweise wird aus manch einem kochenden Leser ein lesender Koch; und umgekehrt?

Das Buch eignet sich hervorragend als Geschenk, zumal es Kochbücher dieser Machart nicht wie (jedoch bei) Sand am Meer gibt!

(Felix; 11/2001)


Eve Landis: "Hildegard von Bingen. Rezepte für Leib und Seele"
AT Verlag, 1998. 144 Seiten.
ISBN 3-85502-629-7. 
ca. EUR 17,90.
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