Hanns Heinz Ewers
Diagnose: Dornröschenschlaf |
Einige Werke von Hanns Heinz Ewers gehören zu im Schatten der Zeitläufte verborgenen Kleinoden der deutschsprachigen Literatur, überwuchert vom üppigen Buchstabendschungel nachfolgender Autorengenerationen. |
Obzwar
zu Lebzeiten - nicht zuletzt aufgrund von Skandalen - ungeheuer bekannt
und vielgelesen, geriet der Schriftsteller samt Schaffen in
Vergessenheit; ein Schicksal, das er mit vielen Anderen teilt und
dennoch angesichts der seinerzeitigen Verkaufszahlen sonderbar scheint.
Mutmaßt man über die Gründe für
diese Ausblendung, könnte man anführen, dass sich aus
mancherlei Erwägungen ganz allgemein Zurückhaltung im
Umgang mit Künstlern jener Zeit empfiehlt, oder auch
Berührungsängste, Unsicherheit bzw. Befangenheit
überwiegen.
Der kompromisslos-gebieterische Lyriker
Stefan George und
Alexander Moritz Frey (Verfasser u.a. des Romans
"Solneman der
Unsichtbare") wären, wenngleich aufgrund jeweils anderer
Ursachen, zwei Beispiele von vielen für weitgehend aus dem
öffentlichen Bewusstsein entschwundene Literaten.
Hanns Heinz Ewers sympathisierte vorübergehend mit den
Nationalsozialisten, biederte sich dem Regime anfangs
buchstäblich an (indem er u.a. Helden- und Kriegsliteratur
sowie Propagandawerke, etwa zu Horst Wessel, verfasste) und vertrat
bisweilen ungustiöse Standpunkte (Beispiele: Rassismus,
Satanismus).
Seine Bücher wurden 1934 beschlagnahmt ("Dekadenz",
"Homosexualität"), der Schriftsteller wurde mit Schreibverbot
belegt.
Ewers war und ist beileibe keine unumstrittene Figur der deutschen
Literaturgeschichte; schon zu Lebzeiten sorgte er wiederholt (und
gewiss nicht ohne Lust) für Empörung, Wirbel und
Aufsehen. Nichtsdestotrotz verdienen Teile seines Schaffens aus
literarischer Sicht Beachtung. Insofern versteht sich
gegenständlicher Artikel als Einladung an die kritische
Leserschaft, eine Entdeckungsreise anzutreten.
Eine Entdeckung ... |
Der Bücherfreund stöbert - natürlich auch via Internet - keineswegs immer gezielt in Antiquariaten. |
So
stieß ich eines Tages, Werken Gustav Meyrinks
nachspürend, auf den Namen eines mir bis zu jenem Zeitpunkt
völlig unbekannten Schriftstellers: Hanns Heinz Ewers, der im
Zusammenhang mit Gustav Meyrink genannt wurde. Eine Zufallsentdeckung,
könnte einwerfen, wer da an Zufälle glaubt.
Es sollte nicht lange dauern, bis ich einen 1923 erschienenen Band mit
Erzählungen in Händen hielt und eintauchte in vier
Geschichten: "Die Spinne", "Die Topharbraut", "C. 3. 3." und "Die Frau
im Fenster".
Bizarre Motive erwarten den Leser: okkultistische, erotische,
sadistische. Unverhoffte Wendungen eröffnen gleich
Falltüren in den stellenweise fraglos oberflächlichen
Geschichten Pforten
zu
veränderter Wahrnehmung. Oder aber es wird in
reportagehaftem Stil über Abseitiges berichtet. Die
Anziehungskraft derartiger Lektüre scheint ungebrochen,
mögen sich auch allfällige Begriffe von Anstand und
Moral wandeln. Sollte die in Theoretikerkreisen anscheinend
unverwüstliche Frage auftauchen, ob es sich bei Fantastik um
Trivialliteratur (also um "minderwertige Massenware", die "lediglich"
der Unterhaltung dient) oder Hochliteratur handelt, gilt es zu
bedenken: Nicht worüber, sondern wie
jemand schreibt, ist grundsätzlich ausschlaggebend, wenn man
denn eine Qualitätshierarchie für sinnvoll erachtet.
Ewers' Fabuliertalent brachte dunkel schillernde Blüten und
Früchte hervor. Sei es, dass in "Die Spinne" der
unerschrockene Medizinstudent Richard Bracquemont einem
unwiderstehlichen weiblichen Phantom verfällt, das schon
einige Männer in den Selbstmord getrieben hat - und zwar stets
an einem Freitagnachmittag, oder dass in "Die Topharbraut" Fritz
Becker, ein höflicher, doch undurchsichtiger Mitbewohner des
Erzählers finsteren Verrichtungen in einem verdunkelten Raum
nachgeht und dem vermeintlich Verlassenen erst ein Licht aufgeht, als
Änny, seine verschwundene Geliebte, mumifiziert wieder auf der
Bildfläche erscheint ...
In "C. 3. 3." werden
leidvolle
Erfahrungen der besonderen Art des aus der Haft entlassenen
Oskar (sic) Wilde thematisiert: Wilde plagt eine
bösartige Traumgestalt - oder er sie? Eine Variation des
ewigen Themas: Was existiert kraft wessen Vorstellung, wie und woraus
setzt sich die subjektive
menschliche Wirklichkeit zusammen?
Das Schicksal Oscar Wildes bewegte den Juristen Ewers tief und brachte
nicht zuletzt auch andere Saiten in ihm zum Klingen, doch davon
später mehr.
"Die Frau im Fenster" schildert in einem Rückblick blinde
Verliebtheit und böses Erwachen eines unerfahrenen jungen
Mannes, der sich an einer verheirateten Frau ("meine
Gottesanbeterin") bzw. deren Leidenschaften die Finger
verbrennt und schließlich erkennen muss, dass er der
Angebeteten lediglich als willige Projektionsfläche
für wildromantische erotische Fantasien gedient hat. Er
hätte die - zugegeben etwas vage - Warnung des Ehemannes
"Sehen Sie, mein Junge - Lady Cynthia, nun - sehn Sie - also - nun,
besser nehmen Sie sich in acht!" beherzigen sollen ...
Den vier geschmeidigen Erzählungen entströmt
bisweilen ein kühler Hauch, und die hintergründigen
Illustrationen von Hans Strohofer tragen das Ihre zum Gesamteindruck
bei.
Das aus seinem Dornröschenschlaf erweckte
Buch mit knapp mehr als 170 leicht vergilbten Seiten im
dunkelgrünen Leineneinband beinhaltet nachstehende Auflistung
von bis zum Zeitpunkt seiner Publikation erschienenen Werken des Autors: |
Wie Karl Hans Strobl (18.1.1877-10.3.1946) in
seiner die Nähe zu Ewers offenbarenden Einleitung
ausführt, war "das Phantastische ihm (Ewers)
Rausch, Opiumtraum, Ausflug in das 'Neuland des
Unbewußten', Abkehr von der Wirklichkeit." |
Ewers
war augenscheinlich ein notorischer Selbstdarsteller, der sich trotz
(oder gerade wegen) Schüchternheit stets gut in Szene zu
setzen wusste ("Masken und Posen"), sein Bild in der
Öffentlichkeit zu prägen und sich eine individuelle
Wirklichkeit zu schaffen verstand. Nicht von ungefähr sprachen
manche Zeitgenossen von einem "sexuellen Poltergeist".
Immerhin machte Ewers mit seinem Gedicht "Der Mistkäfer"
sozusagen den Popo salonfähig, aber das ist eine andere
Geschichte ...
Fantastische Literatur |
Zeiten sich wandelnder Werte, des gesellschaftlichen Umbruchs, somit der allgemeinen Unsicherheit, erweisen sich als fruchtbare Umgebung für fantastische Geschichten, die Konflikte zwischen dem Realen und dem Möglichen abbilden. |
In
solchen Epochen gerät das (nur scheinbar) geordnete Weltbild
des Individuums ins Wanken, Einbrüche unerklärlicher
und/oder als bedrohlich empfundener Neuerungen in gewohnte
Bezugssysteme, in das Selbst- und Weltverständnis, lassen
seelische Abgründe dunkel gähnen und irritieren die
Menschen.
"Das Fantastische setzt die Festigkeit der realen Welt voraus,
aber nur, um sie besser angreifen zu können. (...) Dann
geraten die anerkanntesten Gewissheiten ins Wanken, und das Grauen
nistet sich ein. Zum Wesen der Fantastik gehört die
Erscheinung: was nicht eintreten kann und trotzdem eintritt, zu einer
ganz bestimmten Zeit, an einem ganz bestimmten Ort, im Herzen einer bis
ins kleinste Detail festgelegten Welt, aus der man das Geheimnisvolle
für immer verbannt hatte.", vermerkte der
französische Philosoph und Soziologe Roger Caillois
(1913-1978).
Als erste in der Literaturgeschichte als solche bezeichnete
"fantastische Erzählung" gilt übrigens "Le diable
amoureux" (dt. "Der verliebte Teufel") des französischen
Schriftstellers Jacques Cazotte (17.10.1719-25.9.1792) aus dem Jahr
1772.
Biografische Bruchstücke |
Hanns Heinz Ewers wurde am 3. November 1871 - ein Skorpion also - in Düsseldorf als Sohn des Hofmalers August Heinrich (Heinz) Ewers (1817-1885) und der bis ins hohe Alter als Schriftstellerin sowie Übersetzerin tätigen Johanna Bertha Hubertina Maria aus'm Weerth (1839-1926) im Haus der Familie in der Immermannstraße 22 geboren. |
Kein
Wunder also, dass Hanns Heinz Ewers lebenslang
zu
wahren Münchhausiaden neigte! Wie ist doch in Karl Immermanns
"Münchhausen. Eine Geschichte in Arabesken" aus dem Jahr 1839
u.a. zu lesen:
"Allegorie und Phantasiespiele sind aus der Mode,
gehören der Ramlerschen Zeit an; 'Stoff! Stoff! Stoff!' ruft
die nach Realitäten hungrige Welt. Hier ist der meinige.
Münchhausen, der Ahnherr, war trotz seines greulichen Lasters
eine seltenbegabte Natur. Er hatte mit
Cagliostro
in Verbindung gestanden, zu seiner Zeit Gold gemacht, von der Sorte,
die man Knallgold nennt, man versicherte, er höre, nicht im
figürlichen, sondern im buchstäblichen Sinne, das
Gras wachsen, kurz, er hatte tiefe Blicke in so manches Naturgeheimnis
getan. Besonders war an ihm ein scharfes Ahnungsvermögen
für eigne Körperzustände ausgebildet worden,
und alles, was nachmals in diesem Betreff von nervösen oder
somnambülen Personen erzählt worden ist, war
Kleinigkeit gegen das, was glaubwürdige
Gewährsmänner mir von ihm berichtet haben. Er
wußte an sich selbst jede Befindensveränderung, wie
die Homöopathen die Krankheiten nennen,
vorauszuspüren, und trug, sozusagen, seine ganze somatische
Zukunft, im Geruch vorgebildet, mit sich umher. Daß einer
merkt, wenn ein Schnupfen bei ihm im Anzug ist, will nicht viel
bedeuten; aber durch den
Schnupfen
hindurch die späteren Übel, die ihn noch betreffen
sollen, zu merken, ist allerdings nicht jedem gegeben."
"Spätere Übel" schienen geradezu in die Wiege gelegt.
Ewers studierte mit mäßigem Einsatz und Erfolg Jus,
doch war der Weg eines Anwalts, Richters oder Beamten ohnedies nicht
der seine, wovon seine Vorgesetzten ein Lied zu singen wussten. Ewers'
unverhohlen zur Schau gestellte Abneigung gegenüber einem
fremdbestimmten Lebensrhythmus und Aufgabengebiet (wer könnte
ihm diese verdenken) verunmöglichte eine Juristenlaufbahn.
Immer wieder sollte sich der eigensinnige Schriftsteller in
Geldnöten befinden und gezwungen sein, seinen Lebensunterhalt
mit dem Verfassen von Übersetzungen, Zeitungsartikeln und
Kinderbüchern (Letzteres unter dem Pseudonym "Onkel Franz")
sowie mit Vortragsreisen zu verdienen.
Ewers, Mitbegründer des literarischen Berliner Kabaretts
"Ueberbrettl" (Ernst von Wolzogen eröffnete dieses am 18.
Jänner 1901 mit den Worten: "Geboten wird Kabarett
als gehobene Unterhaltung mit Kunstanspruch. Kaisertreu und
marktorientiert, steht das unkritische Amüsement im
Vordergrund."), zog es in die weite Welt und zur
Schriftstellerei, auch als Wegbereiter des Kinos und als Filmemacher
(z.B. "Der Student von Prag", der erste Autorenfilm überhaupt,
1913; Thema ist - dem romantischen Doppelgängermythos
entsprechend - ein verkauftes Spiegelbild ) war er aktiv.
Der umtriebige Weltreisende rauchte und trank (nicht nur Absinth)
ungezügelt, er experimentierte überdies mit
Haschisch,
Peyotl und Opium. Zu seinem Bekanntenkreis zählten u.a.
Max
Reinhardt, Gerhart Hauptmann, Hermann Bahr,
Oscar
A. H. Schmitz,
Hugo
von Hofmannsthal, Herwarth Walden und dessen Gattin
Else
Lasker-Schüler,
William
Somerset Maugham, Peter
Hille und Roda Roda - um nur einige zu nennen.
Notleidende Kollegen (darunter bspw.
Paul
Scheerbart) wussten Ewers' unermüdliche
Hilfsbereitschaft und sein Engagement zu schätzen, unbekannte
Talente seine Förderungsbemühungen.
Während des
Ersten Weltkriegs hielt sich Hanns Heinz Ewers
zumeist in den USA auf und betrieb patriotische Propaganda für
das Wilhelminische Deutschland (u.a. zusammen mit
Aleister
Crowley), auch soll er für den Geheimdienst
tätig gewesen sein. Anno 1916 lernte er Josephine Bumiller,
seine spätere zweite Frau, kennen. 1918 kam er in den USA
für einige Zeit in ein Internierungslager für
Kriegsgefangene. 1931 trat Ewers der NSDAP bei. Er war zweimal
verheiratet (vor Josephine Bumiller mit der Malerin und Illustratorin
Ilna Wunderwald), hatte eine uneheliche Tochter mit der in "Die Lieder
von der goldenen Kätie" verewigten Katharina Kreis und
zahllose Liebschaften, offenbar mit Vertretern beiderlei Geschlechts,
wovon nicht zuletzt Ewers' Schrifttum fleischeslustiges Zeugnis ablegt,
das erotische Erlebnisse und Wunschvorstellungen einmal mehr einmal
weniger verschleiert abbildet.
Hanns Heinz Ewers starb am 12. Juni 1943 in Berlin. Seine
Nachlassbibliothek wird im Heinrich Heine Institut in
Düsseldorf aufbewahrt.
Falls Sie Einsicht begehren, wie es der Ewers-Biograf Dr. Wilfried
Kugel getan: "Voranmeldung erwünscht", wird auf der Netzseite
des Instituts verlautbart.
Lyrik |
Mein Interesse, oder auch ein gewisser "Jagdinstinkt", war geweckt, und so legte ich mir unverzüglich Ewers' Gedichtband "Moganni Nameh", 1918 in zweiter Auflage erschienen im Verlag Georg Müller, zu. |
Der
Buchdeckel trägt die Aufschrift: "HANS (sic)
HEINZ EWERS / MOGANNI NAMEH / AUSGEWÄHLTE GEDICHTE".
Anlässlich der zweiten Auflage des Gedichtbandes sah sich der
Verleger zu einem zusätzlichen Vorwort veranlasst, das ich
Ihnen nicht vorenthalten möchte, wirft es doch ein wenig Licht
auf die damaligen Zustände:
"Dr. Hanns Heinz Ewers hielt sich bei Ausbruch des Krieges in
Cuba auf. Seine wiederholten, abenteuerlichen Versuche, nach
Deutschland zurückzukehren, scheiterten, sie brachten ihn
über Spanien nicht hinaus und so kehrte er nach Amerika
zurück, um in Amerika, soweit es in seinen Kräften
stand, für die deutsche Sache zu wirken. Seit Ausbruch des
Krieges haben ihn Nachrichten aus Deutschland, wie Neutrale, die aus
Amerika zurückkehrten, berichten konnten, nicht mehr erreicht
und auch von ihm selbst sind nur spärliche Nachrichten nach
Deutschland gekommen. So halte ich mich denn auch ohne Autorisation des
Dichters berechtigt, diese Neuauflage von 'Moganni Nameh' zu
veranstalten und glaube auch im Sinne des Dichters zu handeln, wenn ich
dessen Kriegsgedichte, trotz der Verschiedenheit der Stimmung, mit in
das Buch aufnehme. Diese zweite Auflage von 'Moganni Nameh' stellt so
im gewissen Sinne eine Gesamtausgabe der Gedichte von Hanns Heinz Ewers
dar."
LA
GUAIRA Aus "Moganni Nameh" |
"Moganni Nameh - Buch des
Sängers" - so lautet der Titel des ersten Abschnitts
von Goethes Gedichtsammlung "West-östlicher
Diwan".
Wenngleich nicht in der von Goethe gewählten Abfolge, tragen
die Kapitel von Ewers' Gedichtzyklus übereinstimmende
Bezeichnungen: "Chuld Nameh" ("Buch des Paradieses"), "Saki Nameh"
("Das Schenkenbuch"), "Suleika Nameh" ("Das Buch Suleika"), "Hikmet
Nameh" ("Buch der Sprüche"), "Rendsch Nameh" ("Buch des
Unmuts"), "Uschk Nameh" ("Buch der Liebe"). |
Der
Gedichtband ist in folgende Abschnitte untergliedert: "Blumen brach
ich", "Stunden der Seele", "Die Lieder von der goldenen
Kätie", "Aus Stenies Wäschekorb", "Empfindsamkeiten",
"Westindische Sonette", "Im Wind", "Fabeln", "Aus 'Delphi'", "Deutsche
Kriegslieder" sowie "Deutsch-freundliche Stimmen in Amerika /
Kriegslieder amerikanischer, jiddischer und irischer Dichter /
Übersetzt von Hanns Heinz Ewers".
Die darin versammelten Texte bieten neben Gereimtem auch rhythmische
Prosa in Versform; keineswegs nur vordergründig Idyllisches
(beispielweise in "WEISSE HECKENROSEN": "- Bist du dort, so
lös die Schuhe, Fremder,/leg die Strümpfe ab und nimm
dein Messer,/ritze dir die Sohlen und die Ferse,/dass das Blut in
Tropfen leise sickert:/solches Blut klebt sicher deine
Füsse/an den glatten Stein des Castiglione.").
Antike Motive, Stimmungslyrik, Skizzen des Daseinskampfes reihen sich
aneinander, wobei die Poesie meines Erachtens eher nicht zu Ewers'
Stärken gehörte, abgesehen von Scherzgedichten mit
Gassenhauerqualität - mag er
Heinrich
Heine auch noch so verehrt haben. Deutlich erkennbar ist
Ewers' Blick für bizarre Situationen und seine Neigung, von
zunächst alltäglich anmutenden Verhältnissen
ausgehend über unverhoffte Wendungen zu teils
überraschenden Abschlüssen zu (ver)führen
oder gar zu zwingen.
Weiters sind vielerlei Reiseimpressionen in "Moganni Nameh"
eingeflossen, und auch des Dichters Leidenschaften für
geheimnis- und unheilvolle Frauengestalten sowie abgründige
Sehnsüchte fanden zwangsläufig ihren Niederschlag.
"Hanns Heinz Ewers. |
Nach dem Gedichtband wandte ich mich einem weiteren zwischenzeitig in einem Antiquariat entdeckten Buch zu, und zwar: "Hanns Heinz Ewers. Die Geschichte seiner Entwicklung" von Hans Krüger-Welf; 1922 im Rainer Wunderlich Verlag erschienen, in rötliches Leinen gebunden, "mit elf Bildnissen und einer Handschriftprobe". |
Krüger-Welf
gerät auf 189 Seiten regelrecht ins Schwärmen,
schwelgt mit unermüdlicher Hingabe in Bewunderung für
Ewers und betreibt allenthalben unkritische, einseitige
Schönfärberei. "Hans Heinz Ewers. Die Geschichte
seiner Entwicklung" umfasst folgende Kapitel: I. Quelle (Abstammung,
Geburt und Kindheit, Schule und Lehrer, Entwicklungsjahre und
Jugendgedichte, Das Ewigweibliche), II. Strom (Studienjahre und
Referendarzeit, Ringen nach Ausdruck in lyrischer Form, Die neue
Romantik um 1900, Die Zeit des Überbrettls, Die Jahre des
Schaffens), III. Mündung (Kunst als höchste
Offenbarung, Der Weg zum Licht, Von der Einheit als Quelle aller
Dinge); den Abschluss bildet eine Bibliografie.
Interessant sind Krüger-Welfs Ausführungen allemal,
war er doch ein Zeitgenosse Ewers', lernte auch die Mutter des
Schriftstellers ("Mutter Maria") kennen und erfuhr solcherart noch aus
erster Hand allerlei über Kindheit und Jugend des
Künstlers. Aus dieser Gleichzeitigkeit heraus entstand eine
Huldigung an den Schriftsteller, die gewisse schattige Bereiche
ausspart. Gelegentlich schlägt Krüger-Welf arg
über die Stränge, beispielsweise versteigt er sich
gar zu einem Vergleich des lyrischen Schaffens Stefan Georges mit jenem
Ewers'. Krüger-Welfs Lobeshymnen nicht
gänzlich für bare Münze zu nehmen scheint
angeraten.
Für all jene, die Vergnügen daran haben, Werk und
Leben in Bezug setzen: Lili (eigentlich Helene Schleifenbaum) war der
Name von Ewers' nie verwundener, unerwidert gebliebener erster Liebe.
Krüger-Welf: "Das stärkste Erlebnis des
jungen Dichters, das seine Zunge löste und die Wandlung vom
Kinde zum mannhaften Jüngling vollenden half, war die Liebe zu
einem jungen Mädchen aus der Nachbarschaft. Die ersten
jubelnden, glückseligen Bekenntnisse dieser Neigung stammen
aus dem Frühling 1889, nachdem Ewers aus Cleve
zurückgekehrt war und wieder im Hause der Mutter wohnte. Das
vermeintliche Glück kehrt sich aber bald in bittere
Enttäuschung. Verse aus dem August desselben Jahres sprechen
bereits von einem 'halbverblühten Traum', und vom Oktober ab
wechseln schwermütige Klagen mit leidenschaftlichen Anklagen,
deren Herbheit einen seltsamen Gegensatz zu der verträumten
Weichheit seiner bisherigen Lieder bildet. Was ist vorgefallen? Die
zahlreichen, an Lili, wie das Mädchen heißt,
gerichteten Lieder lassen darüber keinen Zweifel. Sie
enthalten das ganze Sündenregister der kleinen Kokette. Sie
hat ihn schmählich hintergangen, hat freventlich mit ihm
gespielt! Während er sich noch im sicheren Besitz ihrer Treue
glaubt, ist sie bereits in aller Heimlichkeit mit einem anderen
verlobt."
Und tatsächlich taucht die unheilbare Verwundung
durch das Ewigweibliche in etlichen Texten Ewers' auf.
" (...) Ewers' Lieblingsthese, dass noch an jedem Untergang
eine Frau schuld sei."
Vorstehende Worte finden sich in:
"Der Unverantwortliche. Das Leben des Hanns Heinz Ewers" von Dr. Wilfried Kugel |
1992 erschien im Grupello Verlag die 558-seitige Biografie mit dem Titel "Der Unverantwortliche. Das Leben des Hanns Heinz Ewers", verfasst von Dr. Wilfried Kugel. |
Der
Autor dieser ebenso erfreulich umfangreichen wie auch gewissenhaft
aufbereiteten Zusammenschau von Leben und Werk trat u.a. mit "Hanussen.
Die wahre Geschichte des Hermann Steinschneider" in Erscheinung,
überdies mit Forschungen und Veröffentlichungen in
den Bereichen Naturwissenschaft, Literaturwissenschaft, Geschichte,
Film, Religionspsychologie, Ethnoparmakologie, Parapsychologie und
Informatik.
Dr. Wilfried Kugel, geboren 1949, studierte Physik und Psychologie und
hat über Hanns Heinz Ewers promoviert. "Der Unverantwortliche"
ist die stark überarbeitete, aktualisierte und
ergänzte Fassung der Dissertation des Autors, der von 1989 bis
1991 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Heinrich Heine Institut
Düsseldorf und von 1997 bis 2000 Leiter eines
Forschungsprojekts am Fachbereich Physik der FU Berlin war.
Der beeindruckende Band verortet gewissenhaft den Menschen Ewers samt
Schaffen im Kontext der Zeit unter Einbeziehung mannigfaltiger Quellen.
Die Biografie beinhaltet bei guter Lesbarkeit eine reiche
Fülle an chronologisch geordneten bzw. thematisch
gebündelten Rechercheergebnissen, Fußnoten zuhauf
sowie eine bunte Palette an Zitaten von Zeitgenossen Ewers', auch
finden sich sehenswerte Abbildungen, genaue Quellenangaben und ein
Werkverzeichnis. Nachstehende Hauptkapitelüberschriften
gestatten einen ersten Überblick: Familie; Kindheit und
Jugend; Künstler; Capri; Reisen und Ideologien;
Höhenflüge; Frauen; Freunde; Französische
Freunde; Film; Der 1. Weltkrieg; Zurück in Deutschland;
Neuanfang; Politische Ambitionen; Verschiedene Projekte; Sieben
Stäbe Verlag; Existenzkrise; Reiter in deutscher Nacht; Hitler
und die NSDAP; Die Horst Wessel-Legende; Hanussen; Das 3. Reich; Abkehr
vom Nationalsozialismus; Das Ende. Phantastische Wirklichkeit; Die
schöne Lüge; Lilith; Der Künstler als
androgyner Gott; Auf der Suche nach einer Vaterfigur; Auf der Suche
nach einer politischen Heimat; Einbruch des Irrationalen; Die
Realität als Theaterbühne; Mantische Aspekte
(Prophetie); Synchronizität.
Die als Titelbild für "Der Unverantwortliche" erkorene
Zeichnung wurde 1913 von Margit Vészi angefertigt. Sie zeigt
einen Mann mit eingekniffenem Monokel (der eitle Ewers war
nämlich kurzsichtig), der einen grünen Mantel und
eine Kopfbedeckung gleicher Farbe trägt. Dem Mann lastet die
Weltkugel mitsamt einer Figur ("Ammundsen") im Genick, folglich steht
er vornübergebeugt, und zwar im C des bluttriefend und
formatfüllend dargestellten Wortes "ICH", auf zwei Seiten
umlagert von fünf Damen unterschiedlicher Herkunft. Unterhalb
des Wortes "ICH" ist zu lesen: "UND DIE WELT UND IHRE UMGEBUNG ETC.
ETC. ETC."
"Skandalumwittert ist der Düsseldorfer Hanns Heinz
Ewers (1871-1943) noch heute. Drogenkonsum, Ausschweifungen, aber auch
ein kurzes Engagement für die Nazis haben diesen Weltreisenden
der Seele tabuisiert. Ewers' Werke, darunter Welterfolge wie 'Alraune'
und Monstrositäten wie 'Horst Wessel', beschwören
stets das Grauen. 1934 - totales Schreibverbot. Ewers rächt
sich mit Satiren auf das 3. Reich. Als Avantgardist,
Vorkämpfer für FKK, Frauenkunst, Homosexuellen- und
Judenemanzipation, pflegt er mannigfaltige Kontakte zur Prominenz
seiner Zeit. Mit wissenschaftlicher Akkuratesse beschreibt Wilfried
Kugel den Lebensweg des Unverantwortlichen und fördert
sensationelle Quellen zutage." - so der Verlag über
dieses vorzügliche Buch, an dem kein Weg vorbeiführt,
will man sich eingehend mit Hanns Heinz Ewers befassen.
"Alraune. Die Geschichte |
Der Roman "Alraune. Die Geschichte eines lebenden Wesens", ein einstiger Verkaufsschlager und Genreklassiker, wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt, mehrfach verfilmt und auch dramatisiert, verlangt doch Ewers' vornehmlich auf Abbildung sichtbarer Ereignisse und äußerliche Effekte konzentrierter Schreibstil geradezu nach derartiger Umsetzung. |
Claudia
Müller-Ebeling in "Zauberpflanze
Alraune", aus anderen Schriften zitierend: "Mit
Bezug auf die magische Wurzel verewigte der okkultistische
Schriftsteller Hanns Heinz Ewers (1871-1943) die Zauberwurzel und das
aus ihr entstehende weibliche Wesen in seinem Roman 'Alraune' (1911).
Sein Buch wurde mehrfach verfilmt. Erstmals 1918 unter unbekannter
Regie; danach 1927 vom Regisseur und Drehbuchautor Henrik Galeen unter
dem Titel 'Alraune'. 1930 entstand die erste Tonfilmversion, bei der
Richard Oswald Regie führte."
Den überlieferten
Alraunenmythos
abwandelnd, wird die mannstolle Prostituierte Alma Raune infolge
geschickt eingefädelter Intrigen und Manipulationen letztlich
gegen ihren Willen mit dem Samen des hingerichteten Mörders
Peter Weinand Noerrissen künstlich befruchtet und bringt ein
weibliches Wesen, das in der Tat einiges mit einer Alraunwurzel gemein
hat, zur Welt. Alraune, so der Name des Mädchens, wird vom
wahnwitzigen Frauenarzt Geheimrat Jakob ten Brinken adoptiert, der sie
"erschaffen" hat. Wie sich bald zeigt, verfügt das
Geschöpf weder über Gewissen noch Moral. Von
Kindesbeinen an weiß das sonderbare Mädchen die
Menschen in seiner Umgebung nach Belieben zu manipulieren. Manchen von
ihnen bescheren kuriose Schicksalswendungen materiellen Wohlstand. Doch
verloren sind all jene, die den Reizen der braungelockten herzlosen
Schönheit verfallen - sei es Männlein oder Weiblein.
Besiegelt ist das Schicksal derer, die Alraune begehren; willenlos
taumeln sie sehenden Auges in ihr Verderben.
Lediglich das selbstherrliche alter ego Hanns Heinz Ewers', der unstete
Frank Braun, Neffe des Geheimrates ten Brinken und eine Spielernatur,
von geradezu tollkühn-krimineller Energie getriebener
"Erfinder" des Alraunwesens, vollbringt endlich der Widerspenstigen
Zähmung. Frank Braun ist ein auf den Leib geschneiderter
wankelmütiger Protagonist, der mehr als einmal mit aller Kraft
zwischen Rausch und Abscheu um sein Leben kopulieren muss. Dennoch
leben Alraune ten Brinken und Frank Braun nicht glücklich und
zufrieden bis an ihr Ende; mit "Ich will nach Hause",
flüsterte er. "Die Mutter wartet."
schließt die Romanhandlung; das widernatürliche
Geschöpf ist tot, Frank Braun, der übrigens in zwei
weiteren Romanen Ewers' auftritt, um einige
außergewöhnliche Erfahrungen und ein ansehnliches
Erbteil reicher.
"Alraune. Die Geschichte eines lebenden Wesens" entstand zwischen 1904
und 1911. Auffällig sind das betont innige Verhältnis
der Figur Frank Braun zu seinem Lebensmittelpunkt, der als duldsam und
fürsorglich beschriebenen Mutter - nicht der einzige
autobiografische Bezug - und dass Alraune ten Brinken von knabenhafter
Statur ist und sich mit Vorliebe in Männerkleidung zeigt, was
übrigens auch für Ewers' erste Ehefrau, die Malerin
Ilna Ewers-Wunderwald, galt. Wer erfahren möchte, welche
Bewandtnis es damit und mit der "Vergottung des Künstlers
Hanns Heinz Ewers" hat, wird in "Der Unverantwortliche"
aufschlussreiche Antworten finden.
Das Nachwort zur 1998 bei Grupello erschienenen "Alraune"-Ausgabe mit
schaurig-schönen Illustrationen und Buchschmuck des
Kaliforniers Mahlon Blaine stammt übrigens vom Ewers-Kenner
Dr. Wilfried Kugel höchstpersönlich.
Die Entdeckungsreise ist zu Ende, bleibt noch die Verabschiedung in
Form einiger entsprechend abgewandelter Zeilen aus dem Epilog von
Bertolt Brechts (10.2.1898-14.8.1956) Stück "Der gute Mensch
von Sezuan":
Verehrte
Leserschaft, jetzt kein Verdruss: Sie ahnen wohl, dies ist kein echter Schluss. Vorschwebt uns: Ewers' Traumgelände. In der Fantasie gibt es kein Ende. Wir sehen selbst hinein und hoffen Der Vorhang bleibt noch lange offen. |
(kre; 02/2005)
Buchtipps und Bestellmöglichkeiten:
"Alraune.
Die Geschichte eines lebenden Wesens"
(Illustrierte Ausgabe, erschienen im Grupello Verlag)
bei amazon.de bestellen
Bücher von Hanns Heinz
Ewers via Abebooks.de in Antiquariaten aufstöbern
Bücher von Karl Hans Strobl via Abebooks.de in Antiquariaten aufstöbern
Ulrike
Brandenburg: "Hanns Heinz Ewers. (1871-1943) Von der Jahrhundertwende
zum Dritten Reich.
Erzählungen, Dramen, Romane 1903-1932. Von der Genese des
Arioheros aus der Retorte:
Die Gestaltwerdung einer 'deutschen Reichsutopie'" (Peter
Lang)
Buch bei amazon.de bestellen
Marion
Knobloch: "Hanns Heinz Ewers. Bestseller-Autor in Kaiserreich und
Weimarer Republik"
Warum fielen Hanns Heinz Ewers' (1871-1943) Zeitgenossen in Ohnmacht,
wenn sie seine Erzählungen hörten? War es nur das
Schaurige, Blutrünstige, Makabre, das Ewers in vielen seiner
Werke minutiös ausmalt? Der Düsseldorfer Jurist
faszinierte mit Erzählbänden wie "Das Grauen" und
Romanen wie "Alraune" ein breites Publikum. In ihnen zerstörte
er bürgerliche Traumwelten und stellte den Rückzug
nach Innen sowie die Behaglichkeit in Traum und Rausch als
gefährlichen Wahnsinn dar, der mit der Rückkehr zum
tierischen Blutrausch endet. Die ersehnten fernen Traumländer
werden zur Hölle, die von grotesken, unberechenbaren Fremden
bevölkert ist; die bürgerlich-bizarre Erotik zeigt
ihr wahres Gesicht als Kopie Regimes, das das Individuum vernichtet.
Der Einsatz für Homosexuelle, für
Körperkultur aber auch sein offener Rassismus entspringen aus
Ewers' lebensreformerischer Jugendphase. Immer - wie er selbst glaubte
- 'antibürgerlich' eingestellt, suchte Ewers Anfang der
Dreißigerjahre eine politische Heimat im
Nationalsozialismus.
Da Ewers auch hier seinem Konzept weitgehend treu bleibt, wurden seine
nationalsozialistischen Romane allerdings von der mittlerweile
etablierten Bewegung abgelehnt. Die vorliegende Dissertation bietet
nicht nur einen Überblick über die wichtigsten Motive
und Einflüsse in Ewers' Gesamtwerk sondern auch eine Deutung
derselben. (Tectum Verlag)
Buch bei amazon.de bestellen
Thomas Wörtche:
"Phantastik und Unschlüssigkeit. Zum strukturellen
Kriterium eines Genres.
Helmut H. Diederichs: "Der
Student von Prag"
Untersuchungen an Texten von Hanns Heinz Ewers und Gustav Meyrink"
"Phantastik" ist zu einem beliebigen Aufkleber für
alles Mögliche geworden: für Horror und Fantasy,
für Science Fiction und romantische Kunstmärchen. Es
geht deswegen darum, einen vernünftigen und praktikablen
Wortverwendungsvorschlag zu machen, der den Gegenstand distinkt
bezeichnen kann, von dem er jeweils spricht.
Die Todorovsche Kategorie der "Unschlüssigkeit" bot sich dabei
an, wenn auch entscheidende Modifikationen und Präzisionen
vorgenommen werden mussten. Diese erlaubten es, Phantastik als ein auch
und gerade literarhistorisches Phänomen sichtbar werden zu
lassen, weil nur vor dem Hintergrund eines bestimmten
Realismus-Verständnisses sinnvollerweise von
"Unschlüssigkeit" geredet werden kann. Es war demnach die
literarhistorische Aufgabe von phantastischer Literatur, die
Vieldeutigkeit der Moderne auf der inhaltlichen Ebene vorzubereiten.
Phantastische Literatur thematisiert die Irritation an der Welt, ohne
schon die Möglichkeit einer poetischen Reproduzierbarkeit von
Welt generell zu suspendieren. Die radikale Skepsis der Moderne, die
auch die Möglichkeit der literarischen Darstellbarkeit von
Welt überhaupt mit einschließt, hat die
phantastische Literatur freilich nicht erreicht. (Corian Verlag)
Buch bei amazon.de bestellen
Deutsche und internationale Filmhistoriker bezeichnen den
STUDENT VON PRAG aus dem Jahre 1913 als den ersten deutschen Kunstfilm
und als den besten deutschen Film vor dem Ersten Weltkrieg. Die
Gemeinschaftsarbeit von Hauptdarsteller Paul Wegener, Regisseur Stellan
Rye, Autor Hanns Heinz Ewers und Kameramann Guido Seeber wird in diesem
Buch erstmals ausführlich vorgestellt: Mit einem
vollständigen Protokoll des Films, mit insgesamt 50
Szenenfotos direkt aus der Filmkopie, mit dem erstmaligen Abdruck der
Originaldrehvorlage, sowie mit einer Einführung, die die
filmhistorischen Zusammenhänge erläutert, die
Produktionsgeschichte des Films darstellt, die Reaktionen der damaligen
Filmkritik dokumentiert und darüber hinaus eine
formästhetische Analyse gibt, die den Entwicklungsstand der
Formmittel am konkreten Beispiel aufzeigt. (Verlag Uwe Wiedleroither)
Buch bei amazon.de bestellen
gespenstischen Romanfiguren bei Ewers, Meyrink, Soyka, Spunda und
Strobl"
Die Weltliteratur ist durchzogen von Gespenstern,
Vampiren,
Dämonen, belebten Statuen und künstlichen Menschen,
deren Geschichte so weit zurückreicht, wie die Schrift selbst.
Nach der Aufklärungszeit werden diese unheimlichen Figuren
zwar vorzugsweise rational verdrängt, doch immer wieder ziehen
sie als Faszinosum Autoren und Lesepublikum an: sie suchen heim. So
auch in der deutschsprachigen Literatur im ersten Drittel des
zwanzigsten Jahrhunderts, wo es unter dem Eindruck der Rezeption von
E.
T. A. Hoffmann,
E. A. Poe und französischer Texte zu einer
beispiellosen Blütezeit des Phantastischen am Buchmarkt kommt.
Die vorliegende Studie untersucht die Ausprägungen des
literarischen Phantoms anhand der phantastischen Romane von
fünf bedeutenden Autoren dieser Epoche:
- Hanns Heinz Ewers (1871-1943) - Alraune (1911), Vampir (1920)
- Karl Hans Strobl (1877-1946) - Umsturz im Jenseits (1920)
- Franz Spunda (1890-1963) - Devachan (1921)
- Gustav Meyrink (1868-1932) - Walpurgisnacht (1917) und
- Otto Soyka (1882-1955) - Eva Morsini (1923).
Erklärtes Ziel war, einen möglichst vielschichtigen
Kontext zu Zeitgeschichte und zeitgenössischen Diskursen
herzustellen. Dabei wird die literarische Instrumentalisierung
unheimlicher Figuren sichtbar: als Metapher politischer Agitation, als
Symbol bedrohter bürgerlicher Individualität, als
Allegorie für aktuelle historische Katastrophen, als Feindbild
und Identifikationsmuster, als Indiz schließlich für
das epochale Oszillieren zwischen materialistischem Fortschrittsdenken
und Irrationalismus.
Die Studie liefert damit einen wichtigen Beitrag zur literarischen und
politischen Rhetorik des Gespenstischen genauso wie zur
Kulturgeschichte des deutschsprachigen Raumes zwischen
Décadence und Nationalsozialismus. (Corian Verlag)
Buch bei amazon.de bestellen
Lien:
Hanns-Heinz-Ewers-Gesellschaft
Diwan "Sofa": Das Wort wurde Anfang des 17. Jh.s. durch roman. Vermittlung (frz. divan, it. divano) aus türk. divan entlehnt, das zunächst den mit Polsterbänken oder Sitzkissen ausgestatteten Empfangsraum in den Häusern vornehmer Türken bezeichnet, dann auch solche Polsterbänke selbst. Voraus liegt ein pers. diwan "Schreib-, Amtszimmer; [Sitz des] Staatsrat[es]". Das Wort gehört zu pers. dabir "Schreiber" und bedeutete ursprünglich "Sammlung beschriebener Blätter", dann auch "Gedichtsammlung". Letztere Bedeutung wurde bei uns durch Goethes "Westöstlicher Diwan" (1819) bekannt. (Quelle: "DUDEN. Das Herkunftswörterbuch")