Hanns Heinz Ewers


Diagnose: Dornröschenschlaf

Einige Werke von Hanns Heinz Ewers gehören zu im Schatten der Zeitläufte verborgenen Kleinoden der deutschsprachigen Literatur, überwuchert vom üppigen Buchstabendschungel nachfolgender Autorengenerationen.

Obzwar zu Lebzeiten - nicht zuletzt aufgrund von Skandalen - ungeheuer bekannt und vielgelesen, geriet der Schriftsteller samt Schaffen in Vergessenheit; ein Schicksal, das er mit vielen Anderen teilt und dennoch angesichts der seinerzeitigen Verkaufszahlen sonderbar scheint. Mutmaßt man über die Gründe für diese Ausblendung, könnte man anführen, dass sich aus mancherlei Erwägungen ganz allgemein Zurückhaltung im Umgang mit Künstlern jener Zeit empfiehlt, oder auch Berührungsängste, Unsicherheit bzw. Befangenheit überwiegen.
Der kompromisslos-gebieterische Lyriker Stefan George und Alexander Moritz Frey (Verfasser u.a. des Romans "Solneman der Unsichtbare") wären, wenngleich aufgrund jeweils anderer Ursachen, zwei Beispiele von vielen für weitgehend aus dem öffentlichen Bewusstsein entschwundene Literaten.

Hanns Heinz Ewers sympathisierte vorübergehend mit den Nationalsozialisten, biederte sich dem Regime anfangs buchstäblich an (indem er u.a. Helden- und Kriegsliteratur sowie Propagandawerke, etwa zu Horst Wessel, verfasste) und vertrat bisweilen ungustiöse Standpunkte (Beispiele: Rassismus, Satanismus).
Seine Bücher wurden 1934 beschlagnahmt ("Dekadenz", "Homosexualität"), der Schriftsteller wurde mit Schreibverbot belegt.

Ewers war und ist beileibe keine unumstrittene Figur der deutschen Literaturgeschichte; schon zu Lebzeiten sorgte er wiederholt (und gewiss nicht ohne Lust) für Empörung, Wirbel und Aufsehen. Nichtsdestotrotz verdienen Teile seines Schaffens aus literarischer Sicht Beachtung. Insofern versteht sich gegenständlicher Artikel als Einladung an die kritische Leserschaft, eine Entdeckungsreise anzutreten.

Eine Entdeckung ...

Der Bücherfreund stöbert - natürlich auch via Internet - keineswegs immer gezielt in Antiquariaten. 

So stieß ich eines Tages, Werken Gustav Meyrinks nachspürend, auf den Namen eines mir bis zu jenem Zeitpunkt völlig unbekannten Schriftstellers: Hanns Heinz Ewers, der im Zusammenhang mit Gustav Meyrink genannt wurde. Eine Zufallsentdeckung, könnte einwerfen, wer da an Zufälle glaubt.

Es sollte nicht lange dauern, bis ich einen 1923 erschienenen Band mit Erzählungen in Händen hielt und eintauchte in vier Geschichten: "Die Spinne", "Die Topharbraut", "C. 3. 3." und "Die Frau im Fenster".
Bizarre Motive erwarten den Leser: okkultistische, erotische, sadistische. Unverhoffte Wendungen eröffnen gleich Falltüren in den stellenweise fraglos oberflächlichen Geschichten Pforten zu veränderter Wahrnehmung. Oder aber es wird in reportagehaftem Stil über Abseitiges berichtet. Die Anziehungskraft derartiger Lektüre scheint ungebrochen, mögen sich auch allfällige Begriffe von Anstand und Moral wandeln. Sollte die in Theoretikerkreisen anscheinend unverwüstliche Frage auftauchen, ob es sich bei Fantastik um Trivialliteratur (also um "minderwertige Massenware", die "lediglich" der Unterhaltung dient) oder Hochliteratur handelt, gilt es zu bedenken: Nicht worüber, sondern wie jemand schreibt, ist grundsätzlich ausschlaggebend, wenn man denn eine Qualitätshierarchie für sinnvoll erachtet.

Ewers' Fabuliertalent brachte dunkel schillernde Blüten und Früchte hervor. Sei es, dass in "Die Spinne" der unerschrockene Medizinstudent Richard Bracquemont einem unwiderstehlichen weiblichen Phantom verfällt, das schon einige Männer in den Selbstmord getrieben hat - und zwar stets an einem Freitagnachmittag, oder dass in "Die Topharbraut" Fritz Becker, ein höflicher, doch undurchsichtiger Mitbewohner des Erzählers finsteren Verrichtungen in einem verdunkelten Raum nachgeht und dem vermeintlich Verlassenen erst ein Licht aufgeht, als Änny, seine verschwundene Geliebte, mumifiziert wieder auf der Bildfläche erscheint ...
In "C. 3. 3." werden leidvolle Erfahrungen der besonderen Art des aus der Haft entlassenen Oskar (sic) Wilde thematisiert: Wilde plagt eine bösartige Traumgestalt - oder er sie? Eine Variation des ewigen Themas: Was existiert kraft wessen Vorstellung, wie und woraus setzt sich die subjektive menschliche Wirklichkeit zusammen?
Das Schicksal Oscar Wildes bewegte den Juristen Ewers tief und brachte nicht zuletzt auch andere Saiten in ihm zum Klingen, doch davon später mehr.
"Die Frau im Fenster" schildert in einem Rückblick blinde Verliebtheit und böses Erwachen eines unerfahrenen jungen Mannes, der sich an einer verheirateten Frau ("meine Gottesanbeterin") bzw. deren Leidenschaften die Finger verbrennt und schließlich erkennen muss, dass er der Angebeteten lediglich als willige Projektionsfläche für wildromantische erotische Fantasien gedient hat. Er hätte die - zugegeben etwas vage - Warnung des Ehemannes "Sehen Sie, mein Junge - Lady Cynthia, nun - sehn Sie - also - nun, besser nehmen Sie sich in acht!" beherzigen sollen ...

Den vier geschmeidigen Erzählungen entströmt bisweilen ein kühler Hauch, und die hintergründigen Illustrationen von Hans Strohofer tragen das Ihre zum Gesamteindruck bei.

Das aus seinem Dornröschenschlaf erweckte Buch mit knapp mehr als 170 leicht vergilbten Seiten im dunkelgrünen Leineneinband beinhaltet nachstehende Auflistung von bis zum Zeitpunkt seiner Publikation erschienenen Werken des Autors:

Romane:
1901 Der Zauberlehrling oder Die Teufelsjäger.
1911 Alraune. Die Geschichte eines lebenden Wesens.
1920 Vampir. Ein verwilderter Roman in Fetzen und Farben.
Geschichten:
1907 Das Grauen.
1908 Die Besessenen.
1910 Der gekreuzigte Tannhäuser, Grotesken.
1921 Nachtmahr.

Reisen:
1909 Mit meinen Augen, Fahrten durch die lateinische Welt.
1911 Indien und ich.
Yankeeland.

Theater:
1920 Das Mädchen von Shalott. Drei Akte.
XXXDieser Sammelband enthält die dramatischen Arbeiten:
XXX1. Das Mädchen von Shalott. Drei Akte.
XXX2. Trecento. Ein Akt.
XXX3. Delphi. Drei Akte.
XXX4. Die toten Augen. Zwei Akte.
XXX5. Das Wundermädchen von Berlin. Vier Akte.
XXX6. Der Weg zum Licht. Vier Akte.

Gedichte und Fabeln:
1901 Ein Fabelbuch. (Mit Etzel.)
1910 Moganni Nameh, Gesammelte Gedichte.
1913 Joli Tambour. (Das französische Volkslied. Mit Henry.)

Märchen:
1921 Die verkaufte Großmutter.

Wie Karl Hans Strobl (18.1.1877-10.3.1946) in seiner die Nähe zu Ewers offenbarenden Einleitung ausführt, war "das Phantastische ihm (Ewers) Rausch, Opiumtraum, Ausflug in das 'Neuland des Unbewußten', Abkehr von der Wirklichkeit."
Ewers selbst widmete eines seiner Bücher literarischen Vorbildern: "Gustav Meyrink, dem Rauschkünstler, dem Träumer, der an Träume glaubt als an das einzig Wirkliche - wie es Poe tat, wie es der tut, der dies schrieb."
Edgar Allen Poe (19.1.1809-7.10.1849) verfasste nicht nur meisterliche Detektivgeschichten, sondern setzte auch auf grotesk-unheimliche und visionäre Elemente.

Karl Hans Strobl, übrigens Nachfahre des letzten Scharfrichters von Iglau, bis 1913 im Staatsdienst in Iglau und Brünn, dann Zeitschriftenredakteur in Leipzig, Frontberichterstatter im Ersten Weltkrieg, nach 1918 als Schriftsteller in Perchtoldsdorf ansässig, 1938 Landesleiter der Reichsschrifttumskammer Wien, und gleich Ewers Jurist sowie Verfasser u.a. von Spukgeschichten in der Tradition des fantastischen Realismus, weiter: "Satanismus und Perversität ist recht eigentlich die neue Note, die Ewers in die deutsche Phantastik hineingetragen hat. Eine Verruchtheit, die nicht ohne Bedacht ist, und wirklich, in Berlin W. raunen alle unbeschäftigten, unbefriedigten, unverstandenen Bankdirektorsgattinnen und literarischen Jungfräulein unter angenehmen Schauern des Entsetzens: 'Mein Gott, was ist dieser Hanns Heinz Ewers doch für ein dämonischer Mensch!"

 

Ewers war augenscheinlich ein notorischer Selbstdarsteller, der sich trotz (oder gerade wegen) Schüchternheit stets gut in Szene zu setzen wusste ("Masken und Posen"), sein Bild in der Öffentlichkeit zu prägen und sich eine individuelle Wirklichkeit zu schaffen verstand. Nicht von ungefähr sprachen manche Zeitgenossen von einem "sexuellen Poltergeist". 
Immerhin machte Ewers mit seinem Gedicht "Der Mistkäfer" sozusagen den Popo salonfähig, aber das ist eine andere Geschichte ...

Fantastische Literatur

Zeiten sich wandelnder Werte, des gesellschaftlichen Umbruchs, somit der allgemeinen Unsicherheit, erweisen sich als fruchtbare Umgebung für fantastische Geschichten, die Konflikte zwischen dem Realen und dem Möglichen abbilden.

In solchen Epochen gerät das (nur scheinbar) geordnete Weltbild des Individuums ins Wanken, Einbrüche unerklärlicher und/oder als bedrohlich empfundener Neuerungen in gewohnte Bezugssysteme, in das Selbst- und Weltverständnis, lassen seelische Abgründe dunkel gähnen und irritieren die Menschen. 
"Das Fantastische setzt die Festigkeit der realen Welt voraus, aber nur, um sie besser angreifen zu können. (...) Dann geraten die anerkanntesten Gewissheiten ins Wanken, und das Grauen nistet sich ein. Zum Wesen der Fantastik gehört die Erscheinung: was nicht eintreten kann und trotzdem eintritt, zu einer ganz bestimmten Zeit, an einem ganz bestimmten Ort, im Herzen einer bis ins kleinste Detail festgelegten Welt, aus der man das Geheimnisvolle für immer verbannt hatte.", vermerkte der französische Philosoph und Soziologe Roger Caillois (1913-1978).
Als erste in der Literaturgeschichte als solche bezeichnete "fantastische Erzählung" gilt übrigens "Le diable amoureux" (dt. "Der verliebte Teufel") des französischen Schriftstellers Jacques Cazotte (17.10.1719-25.9.1792) aus dem Jahr 1772.

Biografische Bruchstücke

Hanns Heinz Ewers wurde am 3. November 1871 - ein Skorpion also - in Düsseldorf als Sohn des Hofmalers August Heinrich (Heinz) Ewers (1817-1885) und der bis ins hohe Alter als Schriftstellerin sowie Übersetzerin tätigen Johanna Bertha Hubertina Maria aus'm Weerth (1839-1926) im Haus der Familie in der Immermannstraße 22 geboren.

Kein Wunder also, dass Hanns Heinz Ewers lebenslang zu wahren Münchhausiaden neigte! Wie ist doch in Karl Immermanns "Münchhausen. Eine Geschichte in Arabesken" aus dem Jahr 1839 u.a. zu lesen:
"Allegorie und Phantasiespiele sind aus der Mode, gehören der Ramlerschen Zeit an; 'Stoff! Stoff! Stoff!' ruft die nach Realitäten hungrige Welt. Hier ist der meinige. Münchhausen, der Ahnherr, war trotz seines greulichen Lasters eine seltenbegabte Natur. Er hatte mit Cagliostro in Verbindung gestanden, zu seiner Zeit Gold gemacht, von der Sorte, die man Knallgold nennt, man versicherte, er höre, nicht im figürlichen, sondern im buchstäblichen Sinne, das Gras wachsen, kurz, er hatte tiefe Blicke in so manches Naturgeheimnis getan. Besonders war an ihm ein scharfes Ahnungsvermögen für eigne Körperzustände ausgebildet worden, und alles, was nachmals in diesem Betreff von nervösen oder somnambülen Personen erzählt worden ist, war Kleinigkeit gegen das, was glaubwürdige Gewährsmänner mir von ihm berichtet haben. Er wußte an sich selbst jede Befindensveränderung, wie die Homöopathen die Krankheiten nennen, vorauszuspüren, und trug, sozusagen, seine ganze somatische Zukunft, im Geruch vorgebildet, mit sich umher. Daß einer merkt, wenn ein Schnupfen bei ihm im Anzug ist, will nicht viel bedeuten; aber durch den Schnupfen hindurch die späteren Übel, die ihn noch betreffen sollen, zu merken, ist allerdings nicht jedem gegeben."

"Spätere Übel" schienen geradezu in die Wiege gelegt. Ewers studierte mit mäßigem Einsatz und Erfolg Jus, doch war der Weg eines Anwalts, Richters oder Beamten ohnedies nicht der seine, wovon seine Vorgesetzten ein Lied zu singen wussten. Ewers' unverhohlen zur Schau gestellte Abneigung gegenüber einem fremdbestimmten Lebensrhythmus und Aufgabengebiet (wer könnte ihm diese verdenken) verunmöglichte eine Juristenlaufbahn. Immer wieder sollte sich der eigensinnige Schriftsteller in Geldnöten befinden und gezwungen sein, seinen Lebensunterhalt mit dem Verfassen von Übersetzungen, Zeitungsartikeln und Kinderbüchern (Letzteres unter dem Pseudonym "Onkel Franz") sowie mit Vortragsreisen zu verdienen.
Ewers, Mitbegründer des literarischen Berliner Kabaretts "Ueberbrettl" (Ernst von Wolzogen eröffnete dieses am 18. Jänner 1901 mit den Worten: "Geboten wird Kabarett als gehobene Unterhaltung mit Kunstanspruch. Kaisertreu und marktorientiert, steht das unkritische Amüsement im Vordergrund."), zog es in die weite Welt und zur Schriftstellerei, auch als Wegbereiter des Kinos und als Filmemacher (z.B. "Der Student von Prag", der erste Autorenfilm überhaupt, 1913; Thema ist - dem romantischen Doppelgängermythos entsprechend - ein verkauftes Spiegelbild ) war er aktiv. 
Der umtriebige Weltreisende rauchte und trank (nicht nur Absinth) ungezügelt, er experimentierte überdies mit Haschisch, Peyotl und Opium. Zu seinem Bekanntenkreis zählten u.a. Max Reinhardt, Gerhart Hauptmann, Hermann Bahr, Oscar A. H. Schmitz, Hugo von Hofmannsthal, Herwarth Walden und dessen Gattin Else Lasker-Schüler, William Somerset Maugham, Peter Hille und Roda Roda - um nur einige zu nennen.
Notleidende Kollegen (darunter bspw. Paul Scheerbart) wussten Ewers' unermüdliche Hilfsbereitschaft und sein Engagement zu schätzen, unbekannte Talente seine Förderungsbemühungen.
Während des Ersten Weltkriegs hielt sich Hanns Heinz Ewers zumeist in den USA auf und betrieb patriotische Propaganda für das Wilhelminische Deutschland (u.a. zusammen mit Aleister Crowley), auch soll er für den Geheimdienst tätig gewesen sein. Anno 1916 lernte er Josephine Bumiller, seine spätere zweite Frau, kennen. 1918 kam er in den USA für einige Zeit in ein Internierungslager für Kriegsgefangene. 1931 trat Ewers der NSDAP bei. Er war zweimal verheiratet (vor Josephine Bumiller mit der Malerin und Illustratorin Ilna Wunderwald), hatte eine uneheliche Tochter mit der in "Die Lieder von der goldenen Kätie" verewigten Katharina Kreis und zahllose Liebschaften, offenbar mit Vertretern beiderlei Geschlechts, wovon nicht zuletzt Ewers' Schrifttum fleischeslustiges Zeugnis ablegt, das erotische Erlebnisse und Wunschvorstellungen einmal mehr einmal weniger verschleiert abbildet.
Hanns Heinz Ewers starb am 12. Juni 1943 in Berlin. Seine Nachlassbibliothek wird im Heinrich Heine Institut in Düsseldorf aufbewahrt.
Falls Sie Einsicht begehren, wie es der Ewers-Biograf Dr. Wilfried Kugel getan: "Voranmeldung erwünscht", wird auf der Netzseite des Instituts verlautbart.

Lyrik

Mein Interesse, oder auch ein gewisser "Jagdinstinkt", war geweckt, und so legte ich mir unverzüglich Ewers' Gedichtband "Moganni Nameh", 1918 in zweiter Auflage erschienen im Verlag Georg Müller, zu.

Der Buchdeckel trägt die Aufschrift: "HANS (sic) HEINZ EWERS / MOGANNI NAMEH / AUSGEWÄHLTE GEDICHTE".
Anlässlich der zweiten Auflage des Gedichtbandes sah sich der Verleger zu einem zusätzlichen Vorwort veranlasst, das ich Ihnen nicht vorenthalten möchte, wirft es doch ein wenig Licht auf die damaligen Zustände:
"Dr. Hanns Heinz Ewers hielt sich bei Ausbruch des Krieges in Cuba auf. Seine wiederholten, abenteuerlichen Versuche, nach Deutschland zurückzukehren, scheiterten, sie brachten ihn über Spanien nicht hinaus und so kehrte er nach Amerika zurück, um in Amerika, soweit es in seinen Kräften stand, für die deutsche Sache zu wirken. Seit Ausbruch des Krieges haben ihn Nachrichten aus Deutschland, wie Neutrale, die aus Amerika zurückkehrten, berichten konnten, nicht mehr erreicht und auch von ihm selbst sind nur spärliche Nachrichten nach Deutschland gekommen. So halte ich mich denn auch ohne Autorisation des Dichters berechtigt, diese Neuauflage von 'Moganni Nameh' zu veranstalten und glaube auch im Sinne des Dichters zu handeln, wenn ich dessen Kriegsgedichte, trotz der Verschiedenheit der Stimmung, mit in das Buch aufnehme. Diese zweite Auflage von 'Moganni Nameh' stellt so im gewissen Sinne eine Gesamtausgabe der Gedichte von Hanns Heinz Ewers dar."

 

LA GUAIRA

Und diese wahnsinnstarke Sonne glüht.
Zwei schreiten wortlos zwischen Häusermassen
und trinken heissen Tod aus leeren Gassen,
wo keines Lebens leiser Atem blüht.

Da wacht der Tod, dass man ihm keines raube.
- Glutkrämpfe schütteln einen Hungerhund,
die Rippen fliegen, Schaum entquillt dem Mund -
den trinkt die Sonne gierig aus dem Staube.

Zwei schreiten wortlos auf verkohltem Grase.
Die Würmer pochen tief im Ahornbaum
und schläfrig hockt der Geier auf dem Aase.

- Das alles, weiss ich, ist ein schwerer Traum,
den andere von uns träumen. Eine Phrase,
so leer wie Hundes Geiferschaum.

Aus "Moganni Nameh"

"Moganni Nameh - Buch des Sängers"  - so lautet der Titel des ersten Abschnitts von Goethes Gedichtsammlung "West-östlicher Diwan". Wenngleich nicht in der von Goethe gewählten Abfolge, tragen die Kapitel von Ewers' Gedichtzyklus übereinstimmende Bezeichnungen: "Chuld Nameh" ("Buch des Paradieses"), "Saki Nameh" ("Das Schenkenbuch"), "Suleika Nameh" ("Das Buch Suleika"), "Hikmet Nameh" ("Buch der Sprüche"), "Rendsch Nameh" ("Buch des Unmuts"), "Uschk Nameh" ("Buch der Liebe").
"Ich habe lange gezögert, ehe ich mich zur Herausgabe meiner überall verstreuten Gedichte entschliessen konnte. Einmal wurde ich hierzu durch immer wiederholte Anfragen nach diesem und jenem Gedicht, durch oft ausgesprochene Wünsche Bekannter und Unbekannter, mein Lyrisches gesammelt zu besitzen, gedrängt, dann aber konnte ich doch wieder meine Bedenken gegen eine Gedichtsammlung, deren einzelne Stücke durch einen Zeitraum von so manchen Jahren getrennt sind, nicht unterdrücken. Habe ich doch, wie mir scheint, heute völlig das Verhältnis zu dem verloren, was ich vor zehn und fünfzehn Jahren schrieb und was mir damals wohl auch recht gut gefiel", und weiter: "Selten genug finde ich beim Durchblättern dieser Seiten verworrene Zusammenhänge zu dem Menschen, der ich heute zu sein glaube", schreibt Ewers in seinem 1909 verfassten Vorwort zur Erstauflage des Sammelbandes, das mit den Worten "Und wenn dieser Band Gedichte auch gewiss nicht seinen Dichter zeigt, wie er heute ist, so zeigt er ihn doch, wie er wurde, zeigt ein Kind seiner Zeit, das mit seinen Augen sehen gelernt hat." endet.

 

Der Gedichtband ist in folgende Abschnitte untergliedert: "Blumen brach ich", "Stunden der Seele", "Die Lieder von der goldenen Kätie", "Aus Stenies Wäschekorb", "Empfindsamkeiten", "Westindische Sonette", "Im Wind", "Fabeln", "Aus 'Delphi'", "Deutsche Kriegslieder" sowie "Deutsch-freundliche Stimmen in Amerika / Kriegslieder amerikanischer, jiddischer und irischer Dichter / Übersetzt von Hanns Heinz Ewers".
Die darin versammelten Texte bieten neben Gereimtem auch rhythmische Prosa in Versform; keineswegs nur vordergründig Idyllisches (beispielweise in "WEISSE HECKENROSEN": "- Bist du dort, so lös die Schuhe, Fremder,/leg die Strümpfe ab und nimm dein Messer,/ritze dir die Sohlen und die Ferse,/dass das Blut in Tropfen leise sickert:/solches Blut klebt sicher deine Füsse/an den glatten Stein des Castiglione.").
Antike Motive, Stimmungslyrik, Skizzen des Daseinskampfes reihen sich aneinander, wobei die Poesie meines Erachtens eher nicht zu Ewers' Stärken gehörte, abgesehen von Scherzgedichten mit Gassenhauerqualität - mag er Heinrich Heine auch noch so verehrt haben. Deutlich erkennbar ist Ewers' Blick für bizarre Situationen und seine Neigung, von zunächst alltäglich anmutenden Verhältnissen ausgehend über unverhoffte Wendungen zu teils überraschenden Abschlüssen zu (ver)führen oder gar zu zwingen.
Weiters sind vielerlei Reiseimpressionen in "Moganni Nameh" eingeflossen, und auch des Dichters Leidenschaften für geheimnis- und unheilvolle Frauengestalten sowie abgründige Sehnsüchte fanden zwangsläufig ihren Niederschlag.

"Hanns Heinz Ewers. 
Die Geschichte seiner Entwicklung"
von Hans Krüger-Welf

Nach dem Gedichtband wandte ich mich einem weiteren zwischenzeitig in einem Antiquariat entdeckten Buch zu, und zwar: "Hanns Heinz Ewers. Die Geschichte seiner Entwicklung" von Hans Krüger-Welf; 1922 im Rainer Wunderlich Verlag erschienen, in rötliches Leinen gebunden, "mit elf Bildnissen und einer Handschriftprobe".

Krüger-Welf gerät auf 189 Seiten regelrecht ins Schwärmen, schwelgt mit unermüdlicher Hingabe in Bewunderung für Ewers und betreibt allenthalben unkritische, einseitige Schönfärberei. "Hans Heinz Ewers. Die Geschichte seiner Entwicklung" umfasst folgende Kapitel: I. Quelle (Abstammung, Geburt und Kindheit, Schule und Lehrer, Entwicklungsjahre und Jugendgedichte, Das Ewigweibliche), II. Strom (Studienjahre und Referendarzeit, Ringen nach Ausdruck in lyrischer Form, Die neue Romantik um 1900, Die Zeit des Überbrettls, Die Jahre des Schaffens), III. Mündung (Kunst als höchste Offenbarung, Der Weg zum Licht, Von der Einheit als Quelle aller Dinge); den Abschluss bildet eine Bibliografie.

Interessant sind Krüger-Welfs Ausführungen allemal, war er doch ein Zeitgenosse Ewers', lernte auch die Mutter des Schriftstellers ("Mutter Maria") kennen und erfuhr solcherart noch aus erster Hand allerlei über Kindheit und Jugend des Künstlers. Aus dieser Gleichzeitigkeit heraus entstand eine Huldigung an den Schriftsteller, die gewisse schattige Bereiche ausspart. Gelegentlich schlägt Krüger-Welf arg über die Stränge, beispielsweise versteigt er sich gar zu einem Vergleich des lyrischen Schaffens Stefan Georges mit jenem Ewers'. Krüger-Welfs Lobeshymnen nicht gänzlich für bare Münze zu nehmen scheint angeraten. 

Für all jene, die Vergnügen daran haben, Werk und Leben in Bezug setzen: Lili (eigentlich Helene Schleifenbaum) war der Name von Ewers' nie verwundener, unerwidert gebliebener erster Liebe. Krüger-Welf: "Das stärkste Erlebnis des jungen Dichters, das seine Zunge löste und die Wandlung vom Kinde zum mannhaften Jüngling vollenden half, war die Liebe zu einem jungen Mädchen aus der Nachbarschaft. Die ersten jubelnden, glückseligen Bekenntnisse dieser Neigung stammen aus dem Frühling 1889, nachdem Ewers aus Cleve zurückgekehrt war und wieder im Hause der Mutter wohnte. Das vermeintliche Glück kehrt sich aber bald in bittere Enttäuschung. Verse aus dem August desselben Jahres sprechen bereits von einem 'halbverblühten Traum', und vom Oktober ab wechseln schwermütige Klagen mit leidenschaftlichen Anklagen, deren Herbheit einen seltsamen Gegensatz zu der verträumten Weichheit seiner bisherigen Lieder bildet. Was ist vorgefallen? Die zahlreichen, an Lili, wie das Mädchen heißt, gerichteten Lieder lassen darüber keinen Zweifel. Sie enthalten das ganze Sündenregister der kleinen Kokette. Sie hat ihn schmählich hintergangen, hat freventlich mit ihm gespielt! Während er sich noch im sicheren Besitz ihrer Treue glaubt, ist sie bereits in aller Heimlichkeit mit einem anderen verlobt."
Und tatsächlich taucht die unheilbare Verwundung durch das Ewigweibliche in etlichen Texten Ewers' auf.

" (...) Ewers' Lieblingsthese, dass noch an jedem Untergang eine Frau schuld sei."
Vorstehende Worte finden sich in:

"Der Unverantwortliche. Das Leben des Hanns Heinz Ewers" von Dr. Wilfried Kugel

1992 erschien im Grupello Verlag die 558-seitige Biografie mit dem Titel "Der Unverantwortliche. Das Leben des Hanns Heinz Ewers", verfasst von Dr. Wilfried Kugel.

Der Autor dieser ebenso erfreulich umfangreichen wie auch gewissenhaft aufbereiteten Zusammenschau von Leben und Werk trat u.a. mit "Hanussen. Die wahre Geschichte des Hermann Steinschneider" in Erscheinung, überdies mit Forschungen und Veröffentlichungen in den Bereichen Naturwissenschaft, Literaturwissenschaft, Geschichte, Film, Religionspsychologie, Ethnoparmakologie, Parapsychologie und Informatik.
Dr. Wilfried Kugel, geboren 1949, studierte Physik und Psychologie und hat über Hanns Heinz Ewers promoviert. "Der Unverantwortliche" ist die stark überarbeitete, aktualisierte und ergänzte Fassung der Dissertation des Autors, der von 1989 bis 1991 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Heinrich Heine Institut Düsseldorf und von 1997 bis 2000 Leiter eines Forschungsprojekts am Fachbereich Physik der FU Berlin war.

Der beeindruckende Band verortet gewissenhaft den Menschen Ewers samt Schaffen im Kontext der Zeit unter Einbeziehung mannigfaltiger Quellen. Die Biografie beinhaltet bei guter Lesbarkeit eine reiche Fülle an chronologisch geordneten bzw. thematisch gebündelten Rechercheergebnissen, Fußnoten zuhauf sowie eine bunte Palette an Zitaten von Zeitgenossen Ewers', auch finden sich sehenswerte Abbildungen, genaue Quellenangaben und ein Werkverzeichnis. Nachstehende Hauptkapitelüberschriften gestatten einen ersten Überblick: Familie; Kindheit und Jugend; Künstler; Capri; Reisen und Ideologien; Höhenflüge; Frauen; Freunde; Französische Freunde; Film; Der 1. Weltkrieg; Zurück in Deutschland; Neuanfang; Politische Ambitionen; Verschiedene Projekte; Sieben Stäbe Verlag; Existenzkrise; Reiter in deutscher Nacht; Hitler und die NSDAP; Die Horst Wessel-Legende; Hanussen; Das 3. Reich; Abkehr vom Nationalsozialismus; Das Ende. Phantastische Wirklichkeit; Die schöne Lüge; Lilith; Der Künstler als androgyner Gott; Auf der Suche nach einer Vaterfigur; Auf der Suche nach einer politischen Heimat; Einbruch des Irrationalen; Die Realität als Theaterbühne; Mantische Aspekte (Prophetie); Synchronizität.

Die als Titelbild für "Der Unverantwortliche" erkorene Zeichnung wurde 1913 von Margit Vészi angefertigt. Sie zeigt einen Mann mit eingekniffenem Monokel (der eitle Ewers war nämlich kurzsichtig), der einen grünen Mantel und eine Kopfbedeckung gleicher Farbe trägt. Dem Mann lastet die Weltkugel mitsamt einer Figur ("Ammundsen") im Genick, folglich steht er vornübergebeugt, und zwar im C des bluttriefend und formatfüllend dargestellten Wortes "ICH", auf zwei Seiten umlagert von fünf Damen unterschiedlicher Herkunft. Unterhalb des Wortes "ICH" ist zu lesen: "UND DIE WELT UND IHRE UMGEBUNG ETC. ETC. ETC."
"Skandalumwittert ist der Düsseldorfer Hanns Heinz Ewers (1871-1943) noch heute. Drogenkonsum, Ausschweifungen, aber auch ein kurzes Engagement für die Nazis haben diesen Weltreisenden der Seele tabuisiert. Ewers' Werke, darunter Welterfolge wie 'Alraune' und Monstrositäten wie 'Horst Wessel', beschwören stets das Grauen. 1934 - totales Schreibverbot. Ewers rächt sich mit Satiren auf das 3. Reich. Als Avantgardist, Vorkämpfer für FKK, Frauenkunst, Homosexuellen- und Judenemanzipation, pflegt er mannigfaltige Kontakte zur Prominenz seiner Zeit. Mit wissenschaftlicher Akkuratesse beschreibt Wilfried Kugel den Lebensweg des Unverantwortlichen und fördert sensationelle Quellen zutage." - so der Verlag über dieses vorzügliche Buch, an dem kein Weg vorbeiführt, will man sich eingehend mit Hanns Heinz Ewers befassen.

"Alraune. Die Geschichte 
eines lebenden Wesens"

Der Roman "Alraune. Die Geschichte eines lebenden Wesens", ein einstiger Verkaufsschlager und Genreklassiker, wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt, mehrfach verfilmt und auch dramatisiert, verlangt doch Ewers' vornehmlich auf Abbildung sichtbarer Ereignisse und äußerliche Effekte konzentrierter Schreibstil geradezu nach derartiger Umsetzung.

Claudia Müller-Ebeling in "Zauberpflanze Alraune", aus anderen Schriften zitierend: "Mit Bezug auf die magische Wurzel verewigte der okkultistische Schriftsteller Hanns Heinz Ewers (1871-1943) die Zauberwurzel und das aus ihr entstehende weibliche Wesen in seinem Roman 'Alraune' (1911). Sein Buch wurde mehrfach verfilmt. Erstmals 1918 unter unbekannter Regie; danach 1927 vom Regisseur und Drehbuchautor Henrik Galeen unter dem Titel 'Alraune'. 1930 entstand die erste Tonfilmversion, bei der Richard Oswald Regie führte."

Den überlieferten Alraunenmythos abwandelnd, wird die mannstolle Prostituierte Alma Raune infolge geschickt eingefädelter Intrigen und Manipulationen letztlich gegen ihren Willen mit dem Samen des hingerichteten Mörders Peter Weinand Noerrissen künstlich befruchtet und bringt ein weibliches Wesen, das in der Tat einiges mit einer Alraunwurzel gemein hat, zur Welt. Alraune, so der Name des Mädchens, wird vom wahnwitzigen Frauenarzt Geheimrat Jakob ten Brinken adoptiert, der sie "erschaffen" hat. Wie sich bald zeigt, verfügt das Geschöpf weder über Gewissen noch Moral. Von Kindesbeinen an weiß das sonderbare Mädchen die Menschen in seiner Umgebung nach Belieben zu manipulieren. Manchen von ihnen bescheren kuriose Schicksalswendungen materiellen Wohlstand. Doch verloren sind all jene, die den Reizen der braungelockten herzlosen Schönheit verfallen - sei es Männlein oder Weiblein. Besiegelt ist das Schicksal derer, die Alraune begehren; willenlos taumeln sie sehenden Auges in ihr Verderben.
Lediglich das selbstherrliche alter ego Hanns Heinz Ewers', der unstete Frank Braun, Neffe des Geheimrates ten Brinken und eine Spielernatur, von geradezu tollkühn-krimineller Energie getriebener "Erfinder" des Alraunwesens, vollbringt endlich der Widerspenstigen Zähmung. Frank Braun ist ein auf den Leib geschneiderter wankelmütiger Protagonist, der mehr als einmal mit aller Kraft zwischen Rausch und Abscheu um sein Leben kopulieren muss. Dennoch leben Alraune ten Brinken und Frank Braun nicht glücklich und zufrieden bis an ihr Ende; mit "Ich will nach Hause", flüsterte er. "Die Mutter wartet." schließt die Romanhandlung; das widernatürliche Geschöpf ist tot, Frank Braun, der übrigens in zwei weiteren Romanen Ewers' auftritt, um einige außergewöhnliche Erfahrungen und ein ansehnliches Erbteil reicher. 

"Alraune. Die Geschichte eines lebenden Wesens" entstand zwischen 1904 und 1911. Auffällig sind das betont innige Verhältnis der Figur Frank Braun zu seinem Lebensmittelpunkt, der als duldsam und fürsorglich beschriebenen Mutter - nicht der einzige autobiografische Bezug - und dass Alraune ten Brinken von knabenhafter Statur ist und sich mit Vorliebe in Männerkleidung zeigt, was übrigens auch für Ewers' erste Ehefrau, die Malerin Ilna Ewers-Wunderwald, galt. Wer erfahren möchte, welche Bewandtnis es damit und mit der "Vergottung des Künstlers Hanns Heinz Ewers" hat, wird in "Der Unverantwortliche" aufschlussreiche Antworten finden.
Das Nachwort zur 1998 bei Grupello erschienenen "Alraune"-Ausgabe mit schaurig-schönen Illustrationen und Buchschmuck des Kaliforniers Mahlon Blaine stammt übrigens vom Ewers-Kenner Dr. Wilfried Kugel höchstpersönlich.

Die Entdeckungsreise ist zu Ende, bleibt noch die Verabschiedung in Form einiger entsprechend abgewandelter Zeilen aus dem Epilog von Bertolt Brechts (10.2.1898-14.8.1956) Stück "Der gute Mensch von Sezuan":

Verehrte Leserschaft, jetzt kein Verdruss:
Sie ahnen wohl, dies ist kein echter Schluss.
Vorschwebt uns: Ewers' Traumgelände.
In der Fantasie gibt es kein Ende.
Wir sehen selbst hinein und hoffen
Der Vorhang bleibt noch lange offen.

(kre; 02/2005)


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Marion Knobloch: "Hanns Heinz Ewers. Bestseller-Autor in Kaiserreich und Weimarer Republik"
Warum fielen Hanns Heinz Ewers' (1871-1943) Zeitgenossen in Ohnmacht, wenn sie seine Erzählungen hörten? War es nur das Schaurige, Blutrünstige, Makabre, das Ewers in vielen seiner Werke minutiös ausmalt? Der Düsseldorfer Jurist faszinierte mit Erzählbänden wie "Das Grauen" und Romanen wie "Alraune" ein breites Publikum. In ihnen zerstörte er bürgerliche Traumwelten und stellte den Rückzug nach Innen sowie die Behaglichkeit in Traum und Rausch als gefährlichen Wahnsinn dar, der mit der Rückkehr zum tierischen Blutrausch endet. Die ersehnten fernen Traumländer werden zur Hölle, die von grotesken, unberechenbaren Fremden bevölkert ist; die bürgerlich-bizarre Erotik zeigt ihr wahres Gesicht als Kopie Regimes, das das Individuum vernichtet. Der Einsatz für Homosexuelle, für Körperkultur aber auch sein offener Rassismus entspringen aus Ewers' lebensreformerischer Jugendphase. Immer - wie er selbst glaubte - 'antibürgerlich' eingestellt, suchte Ewers Anfang der Dreißigerjahre eine politische Heimat im Nationalsozialismus. Da Ewers auch hier seinem Konzept weitgehend treu bleibt, wurden seine nationalsozialistischen Romane allerdings von der mittlerweile etablierten Bewegung abgelehnt. Die vorliegende Dissertation bietet nicht nur einen Überblick über die wichtigsten Motive und Einflüsse in Ewers' Gesamtwerk sondern auch eine Deutung derselben. (Tectum Verlag)
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Thomas Wörtche: "Phantastik und Unschlüssigkeit. Zum strukturellen Kriterium eines Genres.
Untersuchungen an Texten von Hanns Heinz Ewers und Gustav Meyrink"
"Phantastik" ist zu einem beliebigen Aufkleber für alles Mögliche geworden: für Horror und Fantasy, für Science Fiction und romantische Kunstmärchen. Es geht deswegen darum, einen vernünftigen und praktikablen Wortverwendungsvorschlag zu machen, der den Gegenstand distinkt bezeichnen kann, von dem er jeweils spricht.
Die Todorovsche Kategorie der "Unschlüssigkeit" bot sich dabei an, wenn auch entscheidende Modifikationen und Präzisionen vorgenommen werden mussten. Diese erlaubten es, Phantastik als ein auch und gerade literarhistorisches Phänomen sichtbar werden zu lassen, weil nur vor dem Hintergrund eines bestimmten Realismus-Verständnisses sinnvollerweise von "Unschlüssigkeit" geredet werden kann. Es war demnach die literarhistorische Aufgabe von phantastischer Literatur, die Vieldeutigkeit der Moderne auf der inhaltlichen Ebene vorzubereiten. Phantastische Literatur thematisiert die Irritation an der Welt, ohne schon die Möglichkeit einer poetischen Reproduzierbarkeit von Welt generell zu suspendieren. Die radikale Skepsis der Moderne, die auch die Möglichkeit der literarischen Darstellbarkeit von Welt überhaupt mit einschließt, hat die phantastische Literatur freilich nicht erreicht. (Corian Verlag)
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Helmut H. Diederichs: "Der Student von Prag"
Deutsche und internationale Filmhistoriker bezeichnen den STUDENT VON PRAG aus dem Jahre 1913 als den ersten deutschen Kunstfilm und als den besten deutschen Film vor dem Ersten Weltkrieg. Die Gemeinschaftsarbeit von Hauptdarsteller Paul Wegener, Regisseur Stellan Rye, Autor Hanns Heinz Ewers und Kameramann Guido Seeber wird in diesem Buch erstmals ausführlich vorgestellt: Mit einem vollständigen Protokoll des Films, mit insgesamt 50 Szenenfotos direkt aus der Filmkopie, mit dem erstmaligen Abdruck der Originaldrehvorlage, sowie mit einer Einführung, die die filmhistorischen Zusammenhänge erläutert, die Produktionsgeschichte des Films darstellt, die Reaktionen der damaligen Filmkritik dokumentiert und darüber hinaus eine formästhetische Analyse gibt, die den Entwicklungsstand der Formmittel am konkreten Beispiel aufzeigt. (Verlag Uwe Wiedleroither)
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Clemens Ruthner: "Unheimliche Wiederkehr. Interpretationen zu den 
gespenstischen Romanfiguren bei Ewers, Meyrink, Soyka, Spunda und Strobl"
Die Weltliteratur ist durchzogen von Gespenstern, Vampiren, Dämonen, belebten Statuen und künstlichen Menschen, deren Geschichte so weit zurückreicht, wie die Schrift selbst. Nach der Aufklärungszeit werden diese unheimlichen Figuren zwar vorzugsweise rational verdrängt, doch immer wieder ziehen sie als Faszinosum Autoren und Lesepublikum an: sie suchen heim. So auch in der deutschsprachigen Literatur im ersten Drittel des zwanzigsten Jahrhunderts, wo es unter dem Eindruck der Rezeption von E. T. A. Hoffmann, E. A. Poe und französischer Texte zu einer beispiellosen Blütezeit des Phantastischen am Buchmarkt kommt.
Die vorliegende Studie untersucht die Ausprägungen des literarischen Phantoms anhand der phantastischen Romane von fünf bedeutenden Autoren dieser Epoche:
- Hanns Heinz Ewers (1871-1943) - Alraune (1911), Vampir (1920)
- Karl Hans Strobl (1877-1946) - Umsturz im Jenseits (1920)
- Franz Spunda (1890-1963) - Devachan (1921)
- Gustav Meyrink (1868-1932) - Walpurgisnacht (1917) und
- Otto Soyka (1882-1955) - Eva Morsini (1923).
Erklärtes Ziel war, einen möglichst vielschichtigen Kontext zu Zeitgeschichte und zeitgenössischen Diskursen herzustellen. Dabei wird die literarische Instrumentalisierung unheimlicher Figuren sichtbar: als Metapher politischer Agitation, als Symbol bedrohter bürgerlicher Individualität, als Allegorie für aktuelle historische Katastrophen, als Feindbild und Identifikationsmuster, als Indiz schließlich für das epochale Oszillieren zwischen materialistischem Fortschrittsdenken und Irrationalismus.
Die Studie liefert damit einen wichtigen Beitrag zur literarischen und politischen Rhetorik des Gespenstischen genauso wie zur Kulturgeschichte des deutschsprachigen Raumes zwischen Décadence und Nationalsozialismus. (Corian Verlag)
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Lien:
Hanns-Heinz-Ewers-Gesellschaft

Diwan "Sofa": Das Wort wurde Anfang des 17. Jh.s. durch roman. Vermittlung (frz. divan, it. divano) aus türk. divan entlehnt, das zunächst den mit Polsterbänken oder Sitzkissen ausgestatteten Empfangsraum in den Häusern vornehmer Türken bezeichnet, dann auch solche Polsterbänke selbst. Voraus liegt ein pers. diwan "Schreib-, Amtszimmer; [Sitz des] Staatsrat[es]". Das Wort gehört zu pers. dabir "Schreiber" und bedeutete ursprünglich "Sammlung beschriebener Blätter", dann auch "Gedichtsammlung". Letztere Bedeutung wurde bei uns durch Goethes "Westöstlicher Diwan" (1819) bekannt. (Quelle: "DUDEN. Das Herkunftswörterbuch")

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