Judith Hermann: "Nichts als Gespenster"
"Gespenst, das; -[e]s, -er [mhd. gespenst(e), ahd.
gispensti = (Ver)lockung, (teuflisches) Trugbild, zu mhd. spanen, ahd.
spanan = locken, reizen, eigtl. = anziehen, verw. mit spannen]:
Furcht erregendes Spukwesen [in
Menschengestalt]"
(Quelle: Großer
Duden)
Melancholie auf der
Durchreise
Ein zweiter Band voll kühler Beschreibungen, verortet in den
Untiefen des Ungefähren
Wie Gespenster sind sie, die flüchtigen Momente
eines Lebens, die geträumten und nie gelebten Beziehungen und Lieben, die
unverhofften, kurzen und doch so eindrücklichen Begegnungen. Judith Hermann
spürt sie auf, umschlingt sie mit einem Reigen wohlgesetzter Worte und lässt
den Leser in das buntgemischte Leben der Protagonisten blicken.
Seit
einigen Jahren zählt die Autorin zu den großen Hoffnungen der
deutschsprachigen Literatur, wurde mit einigen Preisen ausgezeichnet und legte
mit "Nichts als Gespenster" den mit Spannung erwarteten Band von sieben Erzählungen
vor.
Menschen der Generation X ziehen durch die Welt, immer auf der Suche
nach dem undefinierten Glück. Freundschaft wird auf die Probe gestellt, weil
Loyalität manchmal ein zu großes Wort ist. Kameradschaft mutiert zu Liebe, die
in vielen Fällen nur geträumt werden darf. Neue unverbindliche Bekanntschaften
geben dem Leben eine völlig neue Richtung. Hermanns Figuren sind getrieben, ohne
jemals gehetzt zu sein. Sie scheinen ein privilegiertes, zum Teil bohemienhaftes
Leben zu führen, dem sie sich spontan hingeben.
Unspektakulär und
minutiös erzählt die Autorin ihre Geschichten, bewegt sich mühelos zwischen
Gedanken und Erlebtem, Vergangenheit und Gegenwart ihrer Protagonisten. Dabei
gelingt es ihr besonders gut, den scheinbar banalen Moment auf eine
eigentümliche Art einzufangen und den Leser im Schicksal ihrer oft ruhe-
und ziellosen Personen gefangen zu halten.
Den hohen Erwartungen, denen Judith
Hermann nach ihrem bisherigen Erfolg quasi ausgesetzt ist, dürfte sie mit
dieser Arbeit wohl entsprechen können.
(ama; 02/2003)
Judith Hermann: "Nichts als
Gespenster"
Gebundene Ausgabe:
S. Fischer, 2003. 256 Seiten.
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Taschenbuch:
Fischer, 2004.
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"Sommerhaus, später"
Zwei Frauen, die auf einer Insel ein Spiel spielen,
das "sich so ein Leben vorstellen" heißt. Ein Premierenfest, das ein
unerwartetes, frühmorgendliches Ende in der Wohnung des Regisseurs findet. Ein
Mann, der in seinem Sommerhaus an der Oder Besuch erhält und an seine
Vergangenheit erinnert wird, die er nicht mehr kennen will.
Judith Hermanns
Figuren inszenieren sich ihr Leben, sie lassen sich nur passiv oder als
Zuschauer, nur spielerisch in "Lebensläufe" ziehen. Es ist ihr Gespür für die
Zwischentöne und die subtilen Unaufrichtigkeiten der Gegenwart, das ihre
Geschichten so eindrucksvoll macht. Die Gedanken der Helden und Heldinnen
kreisen immer wieder um dieselben Themen: um Liebe und Vergänglichkeit und die
Angst vor dem ungelebten, dem verhinderten Leben. Die Enkelin, die von ihrer ans
Bett gefesselten Großmutter erzählt, der alte Mann, der in einer
New Yorker
Absteige einer jungen Reisenden begegnet - sie spüren, wie die Zeit an ihnen
vorübergezogen ist. Alle aber ahnen, dass sich ihr Leben nicht in der Gegenwart,
sondern in der Erinnerung und in der Vorstellung zuträgt, dass Liebe und
Vergänglichkeit letztlich zwei Worte für dasselbe sind.
Judith Hermann,
geboren 1970 in Berlin (West), lebt als Journalistin und freie Schriftstellerin
in Prenzlauer Berg. 1998 erschien ihr viel beachteter Erzählungsband
"Sommerhaus, später", für welchen sie den Hugo-Ball Förderpreis und den
Förderpreis des renommierten Bremer Literaturpreises erhielt. "Sommerhaus,
später" war ein fulminantes Debüt, das bereits in viele Sprachen übersetzt
wurde. In ihren Erzählungen ist es Judith Hermann gelungen das Lebensgefühl
eines Gutteils der Generation der 1990er-Jahre in der in die Zukunft taumelnden
Metropole Berlin
zu beschreiben.
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"Alice"
"Richard hat gesagt, ich bräuchte drei Jahre. Das hat er einfach so
gesagt, stell dir vor. Du brauchst drei Jahre, dann wird es bessergehen.
Und stimmt das, sagte Alice.
Keine Ahnung, sagte Margaret. Jetzt ist ein Jahr um, erst ein Jahr, ich bin weit
entfernt davon zu verstehen, wie er das gemeint hat. Drei Jahre?"
Wenn jemand fort ist, kann man nicht mehr sagen, wie er ausgesehen hat, wie er
gesprochen, geflucht, gelächelt hat, wie er durchs Leben gegangen ist. Auch
wenn man ihn plötzlich zu sehen glaubt, auf der Rolltreppe, im letzten Wagen
einer abfahrenden Straßenbahn, an der Ampel auf der anderen Straßenseite.
Judith Hermann erzählt von den Zeiten des Übergangs, des Wartens, des
Festhaltens und Loslassens - und davon, wie klar und leuchtend diese Tage sein können.
(S. Fischer) zur Rezension ...
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"Aller Liebe Anfang"
Judith Hermann hat einen Roman geschrieben über die Zumutungen der Liebe und die
Schutzlosigkeit im Leben.
Stella und Jason sind verheiratet, sie haben eine Tochter, Ava, sie leben in
einem Haus am Rand der Stadt. Ein schönes, einfaches Haus, ein kleiner Garten,
ein alltägliches ruhiges Leben, meist ohne Jason, der viel arbeitet.
Aber eines Tages steht ein Mann vor der Tür dieses Hauses, ein Fremder, jemand,
den Stella nie zuvor gesehen hat. Er sagt, er wolle sich einfach einmal mit ihr
unterhalten, mehr sagt er nicht. Stella lehnt das ab. Der Fremde geht und kommt
am nächsten Tag wieder, er kommt auch am Tag darauf wieder, er wird sie nicht
mehr in Ruhe lassen. Was hier beginnt, ist ein Albtraum, der langsam, aber
unbeirrbar eskaliert.
In einer klaren, schonungslosen Sprache und irritierend schönen Bildern erzählt
Judith Hermann vom Rätsel des Anfangs und Fortgangs der
Liebe, vom Einsturz
eines sicher geglaubten Lebens. (S. Fischer)
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