Mark Ottaway, Hugh Palmer: "Die schönsten Dörfer Griechenlands"
Es gibt - grob eingeteilt -
mindestens zwei, völlig von einander verschiedene Kategorien Griechenlands: Die
eine ist das Festland-Griechenland, die andere - das touristisch mittlerweile
sattsam bekannte - Inselgriechenland. Während das letztere eines der
beliebtesten Traumziele Tausender gestresster Mittel - und Nordeuropäer ist,
kennen wohl nur Wenige die oft urwüchsige Schönheit des Festlandes mit seinen
zahlreichen kleinen und kleinsten Dörfern, in denen - wie es oftmals scheint -
die Zeit irgendwann einmal wirklich stehen geblieben ist.
Dieser prächtige und aufwändig gestaltete Bildband richtet sich an
Griechenlandfahrer jenseits von Gyros, Bousouki und Super-Paradise-Beach. Aber
eben abseits der Hauptverkehrswege, - genau dort - , fängt es erst an, wirklich
griechisch, wirklich noch urwüchsig zu sein. Mark Ottaway und Hugh Palmer haben
sich offenbar genau diesen Bereich als Ausgangspunkt für ihre (fotografische)
Reise in eine anscheinend andere längst vergangene, - oder letztlich doch immer
gleiche (?!) - Zeit gemacht. Als langjährige Griechenland-Bereisende und
offenbar wirkliche Filhellenen sind sich sehr wohl des großen, doch auch sehr
reizvollen Kontrastes zwischen Festland- und Inselgriechenland bewusst und
versuchen dies mit ihrem Werk auch einem an mehr interessierten Rezipienten näherzubringen
- was ihnen zweifellos gelungen ist.
Sehr ambitioniert werden - auch - sogenannte "Postkartenmotive"
abgelichtet, daneben aber auch etwas für den - sagen wir einmal - hintergründigeren,
zweiten Blick: Versteckte, mit Unkraut verwachsene - verwunschene sozusagen -
Winkel in einem Dorf, verlassene, am Beginn des Verfalls stehende Häuser
vermitteln eine eigene, fast schon magische Schönheit - daneben aber auch
urgriechische Straßen- bzw. Dorfszenen: Alte Männer, im Kafenion (=der
klassische Männertreffpunkt, das eigentliche Zentrum, vor allem jedes kleineren
Ortes!) auf einen Stock gestützt, der Zeit gegenüber, da ja selbige im Überfluss
vorhanden, gleichgültig, sie an sich vorbeiziehen lassend und sich dadurch
selbst aus jeglicher Zeit nehmend; Frauen bei ihren Alltagsverrichtungen, aber
auch vergilbte Fresken von den zahlreichen Heiligen in den noch zahlreicheren
Kirchen künden von ehemaliger Mächtigkeit und Bedeutung der
griechisch-orthodoxen Kirche für das Land, zeugen aber auch davon, dass die
Zeit offenbar auch an Heiligen nicht spurlos vorüber geht.
Und dann - welch' ein Kontrast - zu den eher schwermütigen Dörfern des
Festlandes, vor allem der eher gebirgigen (ja, ja - auch die gibt es in
Griechenland - und gar nicht zu niedrig!) Gegenden, die Dörfer auf den Inseln,
die geradezu in einem unverschämten "Persil-Weiß" erstrahlen. Sie
geben quasi auch das Lebensgefühl der Inselgriechen wieder. Obgleich auch hier
oftmals nicht gerade mit Reichtümern gesegnet, haben es diese Griechen - wohl
auch - aufgrund des Meeres doch ein wenig leichter gehabt: Was man nicht
auf den
Inseln besaß, das holte man sich einfach herbei, und wenn es sein musste,
oftmals auch mittels Piraterie. Heute ist das nicht mehr unbedingt nötig. Heute
werden eher die Inselgriechen - so sie selbst noch auf den Inseln leben - von
Schwärmen mehr oder minder einfühlsamer Touristen heimgesucht.
Betrachtet man die Bilder in diesem Bildband, versteht wohl, warum dem so ist.
Verschiedenste Blautöne von Himmel und
Meer kontrastieren mit dem Weiß der Häuser
und bilden dabei dennoch eine wunderbare Harmonie.
Mark Ottaway und Hugh Palmer erweisen sich mit diesem Bildband als profunde
Griechenlandkenner - beide leben nach eigenen Angaben mehrere Monate im Jahr
durchgehend in Griechenland. Im Gegensatz zu ihren Landsleuten früherer
Generationen war bei den beiden nicht ursächlich das Interesse am klassischen
Griechenland die Triebfeder für dieses Werk, sondern vom gegenwärtigen
Griechenland ausgehend versuchen sie - vor allem mit ihren Bildern (aber auch
ihren Texten!) - klarzumachen, dass im heutigen Griechenland ein in vielerlei
Hinsicht durchaus lebendiges klassisches Erbe existiert, jedoch die Griechen der
Neuzeit vielmehr von anderen Kulturen (venezianisch,
türkisch, aber
auch mitteleuropäisch etc.)
geprägt wurden.
Der eher oberflächlich an Griechenland Interessierte kommt bei diesem Bildband
ebenso auf seine Kosten, wie auch derjenige, der nach dem
"wirklichen" Griechenland sucht - fernab der Urlaubsklischees. Vor
allem Letzterer wird - sollte er gar einige der abgebildeten Dörfer auf dem
Festland besuchen - mit einer hintergründigeren Schönheit und Vielfalt dieses
Landes konfrontiert.
(Sebastian Wittich; 06/2001)
Mark Ottaway, Hugh Palmer: "Die schönsten
Dörfer Griechenlands"
Gerstenberg Verlag, 1998. 223 Seiten, mit 285 Farbfotografien.
Buch
bei amazon.de bestellen