Veit Heinichen: "Der Tod wirft lange Schatten"
Kommissar Proteo Laurentis vierter Fall
Ein grandioser Kriminalroman über
Schmuggel, Profiteure, Geldwäscher, Menschen- und Waffenhändler,
Mafiosi, Banker
und Politiker, Staatschefs und Kriegsverbrecher, echte und angebliche Ritter
von Malta, echte und falsche Freimaurer, und immer wieder alte Bekannte.
Triest
als Tor zum Balkan und als Schnittstelle der Verbrechen.
Auch in "Der Tod wirft lange Schatten" bieten Triest, die italienische
Realität, die unruhige politische Vergangenheit und wechselhafte Geschichte der
Stadt den idealen Hintergrund für Laurentis Fall.
Als die Polizei eine nackte männliche Leiche in der unwegsamen Landschaft um
Triest findet, tappt sie vorerst im Dunkeln. Doch durch kriminalistische
Kleinarbeit wird Laurenti bald klar, dass der Tote mit der Australierin Mia
befreundet war, die wiederum in Triest weilt um eine Erbschaftsangelegenheit zu
regeln und sich in einen bekannten Kleinkriminellen verliebt hat. Eine zentrale
Rolle spielt dabei eine Lagerhalle, die bis zum Dach mit alten Waffen voll
gestopft wurde.
Auch Viktor Drakic, der eine wichtige Figur im Aufbau des Waffen- und
Drogengeschäfts darstellt und dessen Schwester, die mit neuem Gesicht und einem
amerikanischen Diplomatenpass wieder in Triest weilt und sämtliche Konten
steuert, machen Triest nicht sicherer. Weder Proteo Laurenti noch Staatsanwalt
Scoglio ahnen, dass das Netzwerk wieder funktioniert.
Doch nicht genug damit, wird Triest heimgesucht von einer Gruppe fanatischer
Tierschützer, genannt "Mucca Pazza", deren Zeichen - eine Kuh mit
einer Kalaschnikow - immer wieder diverse Gebäude in Triest ziert und zu großem
Unmut seitens der heimischen Politiker führt.
Der ehemalige Gerichtsmediziner und Freund des Kommissars, Galvano, kooperiert
mit einer Taubstummen, die in gefährliche
Aktivitäten
verwickelt ist und an der Galvano einen Narren gefressen zu haben scheint.
Nicht zuletzt spielt auch der italienische Geheimdienst eine bedeutende Rolle in
diesem Netz aus Intrigen und Verbrechen, in die auch der Malteserorden
involviert zu sein scheint.
Eine Rochade seiner Mitarbeiter, eine Kollegin, die Hals über Kopf in einen
zwielichtigen Typen verliebt ist, und nicht zuletzt Laurentis außereheliche
Eskapaden mit einer Staatsanwältin fordern ihren Tribut.
Eine komplexe Geschichte, viele Handlungsstränge, eine Menge offener Rechnungen
und geheimer Verbindungen zwischen all den dunklen Geschäften, denen unser
Commissario auf die Spur kommt.
"Der Tod wirft lange Schatten" ist ein herrlicher Krimi, den man kaum
aus der Hand legen kann, der durch den schwarzen Humor des Autors besticht und,
kaum zu Ende gelesen, die Sehnsucht nach einem neuen Fall für Proteo Laurenti
aufkommen lässt.
(Margarete Wais; 03/2005)
Veit Heinichen: "Der Tod wirft lange Schatten"
Zsolnay, 2005. 357 Seiten.
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Veit Heinichen, geboren 1957,
arbeitete als Buchhändler und für verschiedene Verlage. 1994 war er Mitbegründer
des Berlin Verlags und bis 1999 dessen Geschäftsführer. 1980 kam er zum ersten
Mal nach Triest, wo er heute lebt.
Weitere Bücher des Autors:
"Totentanz"
In Veit Heinichens fünftem Kriminalroman mit dem Triestiner Commissario
Proteo Laurenti hat dieser einen Sack voll privater Probleme zu lösen. Darüber
hinaus beschäftigt ihn die internationale Müll-Mafia, hinter der alte Bekannte
stecken, die ihm an den Kragen wollen. Was Laurenti jedoch nicht ahnt: Die
Verbrecher besitzen ein einzigartiges Präzisionsgewehr, auf das sogar die
Amerikaner scharf sind, da es unliebsame Schnüffler aus größter Distanz
erledigen kann. Ein typisch europäischer Fall, bei dem, wie im richtigen Leben,
alles ganz anders läuft, als die Protagonisten es geplant haben. (Zsolnay)
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"Gib jedem seinen eigenen Tod"
Triest im Hochsommer. Eine Luxusyacht läuft in den frühen Morgenstunden mit
voller Fahrt auf die Küste auf. Als sie gefunden wird, ist sie leer, von ihrem
Eigner fehlt jede Spur. Kommissar Proteo Laurenti stößt bei den Ermittlungen
auf einen alten Widersacher: Der Vermisste stand vor langer Zeit unter dem
Verdacht, seine Frau Elisa umgebracht zu haben - beweisen konnte man es ihm nie.
In der mörderischen Hitze des Triester Sommers bekommt es Laurenti mit
organisierter Kriminalität, Menschenschmuggel,
Geldwäsche und Mord zu tun.
Dabei hat er auch privat einiges am Hals: Seine Frau will eine neue Wohnung, der
80. Geburtstag seiner Schwiegermutter steht an, und seine Tochter bewirbt sich
zu seinem Entsetzen für die Wahl zur Miss Triest ...
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"Die Toten vom Karst"
Kommissar Laurenti stürzt sich in Arbeit, um seine Eheprobleme zu vergessen. Er
hat viel zu tun: Im winterlichen Triest versammeln sich immer mehr
Rechtsradikale, ein Haus fliegt in die Luft, es geschieht ein Mord, der unter
Umständen mit einer Schmugglerbande in Zusammenhang steht, und alte Rechnungen
werden blutig beglichen. Das explosive Gemisch aus Slowenen, Kroaten und
Italienern, eifernden Nationalisten und alten Kommunisten erschwert dem
Kommissar die Klärung des komplizierten Falles, bis als grausamer Höhepunkt
ein Ritualmord auf dem Karst geschieht ...
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"Tod auf der Warteliste"
Der dritte Fall für Proteo Laurenti, den Kommissar aus Triest: Seit beim
Gipfeltreffen des deutschen Bundeskanzlers mit Berlusconi ein nackter Mann von
der Limousine des Staatsgastes überfahren wurde, spielt Triest verrückt. Jeder
verdächtigt jeden, sogar Laurenti gerät ins Fadenkreuz. Als dann noch der Arzt
einer exklusiven Beauty-Klinik vor den Toren Triests auf brutale Weise ermordet
wird, beginnt das Klima zu kippen. Laurenti muss ein übles Geflecht aus
Protektion, Korruption, Denunziation, Mord und Totschlag auseinander nehmen, um
zum Kern der Gewalt vorzudringen. Alle Fäden laufen in der Klinik am Karst
zusammen und am Ende stellt sich heraus, dass hinter den hohen Mauern nicht nur
Fett abgesaugt wird.
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"Im eigenen Schatten" zur Rezension ...
"Die Ruhe des Stärkeren" zur Rezension ...
"Keine Frage des Geschmacks" zur Rezension ...
Leseprobe:
Im Hafen war keine Menschenseele zu sehen. Proteo Laurenti hielt sich hinter den
Anlagen der Miesmuschelzuchten, die in riesigen geometrischen Mustern hundert
Meter vor der Küste in der sanften Dünung schaukelten. Auf dem offenen Meer
bewegten sich lediglich die Positionslichter einiger heimkehrender Fischkutter,
sonst war es ruhig. Die Sonne hob sich langsam über den Karst, ihr Licht war
noch stumpf, als würde sie selbst erst mit dem Tag erwachen. Laurenti wartete
an einer Boje und beobachtete die Einfahrt zu dem kleinen Hafen. Er verschnaufte
kurz, denn er wollte die Strecke ohne aufzutauchen hinter sich bringen. Keine
einfache Sache. Aber wenn man ihn entdeckte, wäre seine Mühe umsonst gewesen
und er hätte im Bett bleiben können und die verschlafene Frage seiner Frau,
weshalb er so früh auf den Beinen sei, nicht mit einer Lüge beantworten müssen.
Seine Atemluft reichte knapp aus, um direkt vor dem Wellenbrecher aufzutauchen.
Wenn die Angaben des
Fischers stimmten und die Männer tatsächlich jeden Morgen
zur gleichen Zeit kamen, dann war er zu früh. Er mußte sich einen Platz
zwischen den Felsen suchen und warten: Außerhalb des Wassers, um sich nicht zu
unterkühlen. Er zog Maske und Schnorchel vom Kopf und verschanzte sich, so gut
er konnte, zwischen den mächtigen Steinquadern des Wellenbrechers. Laurenti spürte
die Müdigkeit wieder, gegen die er sich beim Aufstehen gewehrt hatte, doch
bevor er ihr nachgeben konnte, hörte er Stimmen und, keine zehn Sekunden später,
das gedämpfte Geräusch moderner großvolumiger Schiffsturbinen, kaum lauter
als ein Summen, das schnell näher kam. Auf dem Schlauchboot, das jetzt sichtbar
wurde und kurz darauf den Motor drosselte, standen zwei Frauen. Doch Laurentis
Aufmerksamkeit galt vier athletischen Männern mit militärischem Haarschnitt,
Jeans und bunten kurzärmligen Hemden, die trotz der Uhrzeit Sonnenbrillen
trugen. Sie kamen die Treppe neben der "Bellariva" herunter und schleppten
zwei große wasserdichte Plastikbehälter. Der Kies knirschte unter ihren
Sohlen. Die zwei Frauen auf dem einfahrenden Schlauchboot mit dem
Fiberglasrumpf, das ohne Kennung und Nationenflagge war, trugen Bikini und über
den Schultern Windjacken.
Laurenti duckte sich hinter die Felsen. Er sah, wie wenige Meter entfernt die
zweite der Kisten an Bord gehievt wurde. Die Harpune auf seinem Rücken schlug,
als er sich ein Stück aufrichtete, gegen den Fels, und gab ein metallisches Geräusch
von sich, das in der Stille zu zerplatzen schien. Zwei der Männer drehten sich
blitzartig um. Er hatte keine Zeit, um mit einem zweiten Blick zu überprüfen,
ob es wirklich Pistolen waren, die sie in den Händen hielten. Hastig stülpte
er sich die Tauchermaske über den Kopf und glitt ins Wasser. Er mußte rasch
zur Muschelzucht zurück, zwischen deren Fässern er sich gut verstecken konnte.
Dabei war er sich nicht einmal sicher, ob sie ihn überhaupt gesehen hatten.
Die Hektik kostete ihn wertvolle Atemluft. Zwanzig Meter vor der ersten Reihe
mußte er hoch. Instinktiv drehte er sich um und sah gerade noch den hellgrauen
Schiffskörper an sich vorbeischießen, der kurz darauf die Maschinen drosselte.
Mit einem Blick erkannte er, daß die Mole inzwischen verlassen war. Laurenti
tauchte wieder unter und suchte sich einen Platz inmitten der Muschelzucht,
wo er sicher war. Eine Möwe flatterte erschreckt davon, als er auftauchte. Er
nahm die Harpune vom Rücken und schaute sich vorsichtig um. Den schwarzen Kopf
eines Tauchers im Gewirr von Fässern und Tauen von einem Schiff
aus zu entdecken, war unmöglich. Laurenti sah das Motorboot hundert Meter weiter
in der Dünung schaukeln. Kurz darauf war vom kleinen Hafen her das stampfende
Geräusch eines beschleunigenden Schiffsdiesels zu vernehmen und der Bug eines
Fischkutters schob sich hinter dem Wellenbrecher hervor. Das Schlauchboot nahm
Kurs aufs offene Meer und verschwand bald als kleiner Punkt am Horizont.
Er hatte gesehen, was er gesehen hatte - und wußte nicht, was es bedeutete.
Die meisten der Personen hätte er zwar beschreiben und in der Kartei
wiederfinden können, wenn sie registriert waren. Bis auf einen der Männer und
das Allerweltsgesicht einer der Blondinen, die sich von Hamburg bis Split
glichen wie ein Ei dem anderen. Sechs Personen im Mai in einer mysteriösen
Aktion am idyllischen Hafen bei den Filtri, und das schon seit etlichen Tagen.
Zwei davon gutgebaute junge Damen im Bikini. Zu einer Uhrzeit, zu der jeder
andere auf See sich noch einen leichten Pullover überzog. Als Tarnung nicht
sehr glaubwürdig. Das würde dem dümmsten Kollegen auffallen, der auf einem
Schiff der Küstenwache oder der Polizia Marittima Dienst tat. Sie
kontrollierten gerne diese attraktiven Damen, die sich irgendwo auf ihren Booten
vor der Küste nahtlos bräunten und dabei ihre Erfahrungen mit der Schönheitschirurgie
austauschten. Aber niemals so früh am Tag.