Renate Ulm (Hrsg.): "Haydns Londoner Symphonien"
Entstehung - Deutung - Wirkung
Meilensteine
der Symphoniegeschichte
Den Anstoß, vorliegendes Buch zu schreiben, lieferte Mariss
Jansons, der Chefdirigent des Symphonieorchesters vom Bayerischen
Rundfunk, und ihm hat die Herausgeberin Renate Ulm dieses Buch denn
auch gewidmet. In einem kurzen Interview, das Frau Ulm mit Herrn
Jansons geführt hat und das auch hier im Band abgedruckt ist,
bezeichnet er Haydns Musik als unsterblich und plädiert
dafür, mehr Werke von Haydn aufzuführen, er vertritt
sogar den Standpunkt, dass Haydns Londoner Symphonien für das
Orchester der gleiche Stellenwert zukommt wie Bachs Wohltemperiertem
Klavier für den Pianisten. Führt man den Gedanken
fort, dann wären also Haydns Symphonien so etwas wie das Alte
Testament für den Orchestermusiker, während die
symphonischen Werke Beethovens,
Schuberts oder
Mahlers das Neue
Testament darstellten, analog zum Wohltemperierten Klavier
Bachs und
Beethovens Klaviersonaten für den Pianisten.
Den aus dem symphonischen Schaffen Haydns in gewisser Weise
herausragenden, insgesamt zwölf Londoner Symphonien, worunter
so populäre Werke sind wie die Symphonie mit dem Paukenschlag,
die Militärsymphonie oder "Die Uhr", widmet sich also dieses
Buch. Als Londoner Symphonien werden sie bezeichnet, weil sie im Rahmen
von Haydns beiden England-Reisen in London uraufgeführt und
auch zum Teil dort komponiert wurden.
Nach dem Vorwort der Herausgeberin, biografischen Notizen zu Joseph
Haydn von Claudia Maria Knispel und einigen allgemeinen Betrachtungen
über Haydns Londoner Symphonien von Egon Voss, folgen dann die
zwölf Hauptkapitel, deren jedes neben einer Werkbetrachtung
sowie einem Haydn-Porträt im Bild (mit Erläuterungen
versehen von Christine Fischer), Dokumenten zur Entstehungsgeschichte,
Aufführung und Rezeption seitens des Publikums, auch noch
einen Essay zu einem musikrelevanten, zeitgenössischen Thema
beinhaltet. Und jedes der zwölf Kapitel stammt aus der Feder
einer anderen Autorin bzw. eines anderen Autors. Die Werkanalysen sind
in der Regel so gehalten, dass auch der durchschnittliche
Konzertbesucher oder musikinteressierte Laie diese verstehen kann. Die
Essays behandeln Themen wie "Haydn und die Frauen", die Stellung und
das Verhältnis Haydns zu anderen Musikern wie
Beethoven oder
Mozart, die Haydn-Rezeption im Wandel der Zeiten, oder auch nur bedingt
auf die Musik bezogene Themen wie beispielsweise die Beschwerlichkeit
des Reisens in der damaligen Zeit.
Diese abwechslungsreiche Vielfalt macht das Buch zu einem
unterhaltsamen und fundiertes Wissen vermittelnden Lesebuch, das weit
mehr ist als nur ein Musikführer. Durch die Vielzahl der
Autorinnen und Autoren erscheinen allerdings einige Informationen,
Anekdoten oder Zitate gleich mehrfach im Text. Der Essay "Haydn als
abhängiger und freier Künstler" beinhaltet
beispielsweise kaum nennenswerte Informationen oder Fakten, die nicht
schon in den vorhergehenden Kapiteln irgendwo Erwähnung
gefunden hätten.
Armin Raab, Leiter des Kölner Haydn-Instituts, beleuchtet in
einem abschließenden Kapitel noch die Frage der
Authentizität, die sich bei genauerer Betrachtung zahlreicher
Joseph Haydn zugeschriebener Werke erhebt. Bei den Londoner Symphonien
stellt sich diese Frage hingegen nicht, ihre Herkunft sowie ihre
Entstehungsgeschichte unterliegen keinem Zweifel.
Joseph Haydn den Rang zuzuweisen, der ihm gebührt, das
allgemein verbreitete Klischee vom biederen "Papa Haydn" zurecht zu
rücken, das Interesse an der Musik Haydns wach zu halten und
gegebenenfalls neu zu schüren, das sind neben der
einführenden Darstellung und Deutung seiner Londoner
Symphonien vordringliche Zielsetzungen dieses Werkführers,
einer gelungenen Gemeinschaftsproduktion von Bärenreiter und
dtv.
(Werner Fletcher; 03/2007)
Renate
Ulm (Hrsg.): "Haydns Londoner Symphonien"
Bärenreiter/dtv, 2007. 244 Seiten.
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Renate
Ulm, geboren 1957, studierte
Klavier sowie Musik- und
Theaterwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität
in
München und arbeitet als Redakteurin in der Hauptabteilung
Musik des Bayerischen Rundfunks.