Stephen Hawking: "Das Universum in der Nussschale"
Die
Suche nach der Formel, die das Universum erklärt, ist der
heilige Gral der Physik. Die brillantesten Köpfe der
Kosmologie befassen sich mit dieser Frage. Zu ihnen gehört
zweifelsohne Stephen Hawking.
Auf der Suche
nach der Weltformel
Ist das Universum unendlich oder nur sehr groß? Und ist es
von ewiger Dauer oder nur sehr langlebig? Wie können wir mit
unserem begrenzten Verstand ein unbegrenztes Universum begreifen? Seit
der Vertreibung aus dem Paradies ist die Geschichte der Menschheit eng
verknüpft mit der Suche nach Erkenntnis. Der Mensch ist
sich selbst ein Rätsel, und es ist ein Grundbedürfnis
der Menschheit, dieses Rätsel zu lösen. Gibt es eine
Weltformel, die das Universum erklären kann? Wer
könnte kompetenter zum Aufbau des Universums Stellung beziehen
und die aktuellen Forschungsergebnisse erläutern, als der
renommierte Kosmologe Stephen Hawking.
In seinem populärwissenschaftlichen Werk "Das Universum in der
Nussschale" stellt Professor Hawking die aktuellen Theorien der
Raumzeit-Forschung vor. Die Struktur des Buches ist baumartig, so dass
man die Kapitel nicht in chronologischer Reihenfolge lesen muss. Es
enthält zahlreiche Grafiken, die zu einer optisch gelungenen
Gestaltung beitragen. Im Anhang befinden sich Erläuterungen
wichtiger Fachbegriffe. Diese sind zum Verständnis auch
erforderlich, weil nicht alle Begriffe im Text erklärt sind.
Werden die abstrakten Modelle der theoretischen Physik anschaulich
beschrieben? Auch wenn das Buch rein äußerlich wie
ein zeitgemäßes populärwissenschaftliches
Buch wirkt, handelt es sich nicht um eine leicht verständliche
Lektüre. Auch naturwissenschaftlich interessierte Leser werden
hier ihre Grenzen erkennen. Mir persönlich gefiel das erste
Buch von Stephen Hawking "Eine kurze Geschichte der Zeit", wegen der
logischen Konzeption und der zusammenhängenden Darstellung,
besser.
Einsteins Relativitätstheorie
Der Relativitätstheorie und ihrem Schöpfer
Albert
Einstein ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Einstein
postulierte eine vom Beobachter unabhängige konstante
Lichtgeschwindigkeit und entthronte damit die absolute Zeit. Eine
Konsequenz aus der speziellen Relativitätstheorie ist das
bekannte Zwillingsparadoxon, welches Hawking ausführlich
erläutert. Durch Einbeziehung der Gravitation kreierte
Einstein eine Theorie der gekrümmten Raumzeit. Es entstand ein
neues Weltbild, welches mit unseren Denkstrukturen nur schwer in
Einklang zu bringen ist. Wer kann sich schon ein gekrümmtes
vierdimensionales Raumzeit-Kontinuum vorstellen? Hawking stellt
besonders heraus, dass Einstein nicht mit allen Konsequenzen seiner
allgemeinen Relativitätstheorie einverstanden war. Damit seine
Gleichungen ein statisches Universum zulassen, frisierte er diese durch
Einführung einer kosmologischen Konstanten. Später
nannte er dies seine größte Eselei. Die allgemeine
Relativitätstheorie enthält die Voraussetzungen
für die Urknalltheorie. Weiterhin führen die Formeln,
auf massereiche Sterne angewandt, zu den sogenannten "Schwarzen
Löchern". Dies sind Gebilde mit einer so hohen Gravitation,
dass selbst Licht nicht nach außen gelangen kann. Auf diesem
Fachgebiet gilt Hawking weltweit als Experte. Die
Relativitätstheorie wurde in zahlreichen Experimenten
bestätigt. Moderne hochgenaue Satellitennavigation
wäre ohne Berücksichtigung der Einflüsse der
Relativitätstheorie nicht möglich.
Unser Universum
Wir leben auf einem Planeten, der zu einem Stern in einem
äußeren Arm der Spiralgalaxie Milchstraße
gehört. Die Galaxien sind im Großen und Ganzen
gleichförmig im All verteilt, allerdings mit lokalen Gebieten
höherer Dichte. Wenn die Sterne schon unendlich lange strahlen
würden, wäre der Himmel auch bei Nacht hell
erleuchtet. Dass der Himmel bei Nacht dunkel ist, erweist sich somit
als sehr bedeutend. Das Universum kann folglich nicht seit ewigen
Zeiten in dem Zustand existiert haben, in dem wir es heute erblicken.
Dies spricht für die These, dass das Universum vor langer Zeit
erschaffen wurde. Seit den 1920er-Jahren weiß man, dass sich
alle Galaxien von uns fort bewegen. Aus der gegenwärtigen
Expansionsrate lässt sich berechnen, dass sie vor zehn bis
fünfzehn Milliarden Jahren sehr nahe beieinander gewesen sein
müssen. Einsteins allgemeine Relativitätstheorie
liefert hierfür die notwendige Berechnungsgrundlage. Danach
kann man auf einen Anfang des Universums und einen Anfang der Zeit
schließen. Da die Expansion des Universums nicht schneller
als das Licht erfolgen kann, hat das Universum eine endliche
Größe. Dies sind wesentliche Fakten, die zur
kosmologischen Urknalltheorie geführt haben.
Verdrängt wurde die Steady-State-Theorie, die ein quasi
statisches, seit ewigen Zeiten vorhandenes Universum postulierte. Auch
wenn die Urknalltheorie heute als allgemein anerkannt gilt,
sträubt sich der gesunde Menschenverstand gegen ein Universum,
das in einer punktförmigen Singularität seinen Anfang
genommen haben soll. Wenn das Universum sich ausdehnt, muss es eine
Grenze haben. Was ist hinter dieser Grenze? Die Kosmologen vermuten,
dass die Gravitation so stark ist, dass das Universum in sich selbst
zurückgekrümmt wird und die Frage nach einem Rand
damit hinfällig wird. Damit könnte man, wenn man in
eine Richtung fliegt, das Universum umrunden und dort wieder ankommen,
wo man seine Reise begonnen hat, wäre da nicht die
Beschränkung mit der Lichtgeschwindigkeit als maximal
mögliche Reisegeschwindigkeit.
Kann man die Zukunft vorhersagen?
Wenn wir den Ort und die Geschwindigkeit aller Teilchen im Universum
kennen würden, so meinte im 19. Jahrhundert der
französische Naturwissenschaftler Laplace, dann
müssten wir anhand der physikalischen Gesetze den Zustand des
Universums berechnen können. Hier kommt ein
erstaunlicher
Optimismus zum Ausdruck, der vermutlich die Stimmung in
wissenschaftlichen Kreisen im 19. Jahrhundert widerspiegelt. Bereits die
Gleichungen des zu dieser Zeit bekannten Gravitationsgesetzes von Newton sind
für mehr als zwei Teilchen nicht mehr exakt lösbar.
Werner Heisenberg wies in den 1920er-Jahren nach, dass man niemals
gleichzeitig die Position und Geschwindigkeit eines Teilchens bestimmen kann
(Unschärferelation). Damit liegt ein gewichtiges Argument gegen eine
Determiniertheit des Universums vor, und Vorhersagen sind prinzipiell unmöglich.
Die Quantenmechanik, die aus Max Plancks Quantenprinzip (Licht wird in kleinen
Paketen emittiert oder absorbiert) und Heisenbergs Unschärferelation entwickelt
wurde, lässt daher nur Wahrscheinlichkeitsaussagen über das Verhalten von
Teilchen zu. Hawking spricht in diesem Zusammenhang von einer Vorhersagbarkeit,
die "halb so groß" ist, wie im klassischen Laplaceschen Weltbild.
Sind Zeitreisen möglich? Kann man irgendwann in die Vergangenheit reisen und
diese verändern? Hawking widmet diesem Thema ein eigenes Kapitel. Er kommt zu
dem Ergebnis, dass Zeitreisen auch in Zukunft höchst unwahrscheinlich sind.
Die Zukunft der Menschheit
Steuern wir auf ein fortgeschrittenes, aber im Wesentlichen statisches
Entwicklungsniveau zu, vergleichbar mit dem von "Star
Trek"? Hawking stellt dies, im Rückblick auf die
bisherige bewegte Geschichte der Menschheit, in Frage. Die Menschheit
hat sich in den letzten zehntausend Jahren nie im Stillstand befunden.
Hawking glaubt, dass irgendwann das Wissen über die
physikalischen Gesetze vollständig sein wird (Weltformel).
Die biologische Evolution verläuft sehr langsam. Bedeutende Veränderungen hat es
in den letzten zehntausend Jahren in der DNS nicht gegeben. Die Wissenschaft
wird hier eingreifen und den Menschen gentechnisch verändern. Der Mensch selbst
wird Motor der Evolution werden. Computer werden in Zukunft eine ähnliche
Komplexität besitzen wie menschliche Gehirne. Und wenn sie einmal intelligent
sind, werden sie selbst Computer bauen, die noch komplexer sind. Der Aufbruch
ins Weltall zu benachbarten Sternen kann nur mittels gentechnisch veränderter
Menschen oder Roboter erfolgen.
Vereinheitlichung der Physik
Gibt es eine vollständige, widerspruchsfreie und einheitliche
Theorie der Physik? Einstein hat Jahrzehnte mit der erfolglosen Suche
nach einer solchen Theorie verbracht. Insbesondere die Verbindung von
Gravitation und Quantenmechanik wirft große Probleme auf.
Hawking glaubt an eine Vereinheitlichung der Physik. Er beschreibt die
sogenannte M-Theorie als den letzten Stand der aktuellen Forschung.
Diese vereinigt die verschiedenen bisher bekannten Stringtheorien
(Teilchen werden als Schwingungszustände angesehen) in einem
übergeordneten Rahmen. In dieser Theorie haben wir es mit elf
Raumzeitdimensionen zu tun. Die vierdimensionale Oberfläche in
einer höherdimensionalen Raumzeit nennt Hawking Branwelt. Die
Modelle sind, wie Hawking selbst einräumt,
äußerst spekulativ. Die Branwelten werden zur besseren
Veranschaulichung mit Nussschalen verglichen, daher der Titel des Buches.
Hawking bekennt sich zum Positivismus, wonach nur das Wirkliche, Tatsächliche
zur Erkenntnis führt und alle Metaphysik nutzlos sei. Man ist geneigt zu fragen,
ob diese Grenze hier nicht überschritten wird - zumindest bewegt sich die Physik
in einem Bereich, der jenseits der menschlichen Vorstellungswelt liegt.
Angenommen, die Suche nach der Weltformel führt zum Erfolg.
Was hat man dann gefunden? Sicherlich eine Plattform, aus der sich
derzeitige physikalische Teiltheorien als Sonderfälle
herleiten lassen werden. Wo liegen die Grenzen? Kann man mit einer
solchen Formel die Welt erklären? Eine einheitliche
physikalische Theorie kann nicht alles erklären, z. B. keine
biologischen
Prozesse. Die Welt ist mehr als ein physikalisches Modell.
Biografie von Hawking
Lesenswert ist die Biografie von Markus Pössel über Stephen Hawking im
letzten Teil des Buches. Hier werden wichtige Stationen seiner theoretischen
Arbeiten, insbesondere zu den Schwarzen Löchern, beschrieben. Erkennbar ist
Hawkings Bestreben, Teilbereiche der Physik miteinander zu verbinden. So hat er
sich u.A. mit der Theorie der Quantengravitation (Verbindung von allgemeiner
Relativitätstheorie und Quantentheorie) beschäftigt. Eine experimentell
bestätigte einheitliche Theorie existiert heute noch nicht.
Stephen Hawking, geboren 1942, erfuhr im Alter von 21 Jahren, dass er an einer
unheilbaren Krankheit leidet und dass er vermutlich nur noch wenige Jahre zu
leben hätte. Trotz seiner Krankheit, die ihn an den Rollstuhl fesselt, setzte er
seine mathematischen und physikalischen Studien fort. Er hat seit 1979 in
Cambridge den legendären Lehrstuhl Isaac Newtons inne.
(Klemens Taplan)
Stephen Hawking: "Das Universum in der Nussschale" Weitere Buchtipps:
Stephen Hawking: "Meine kurze Geschichte"
(Originaltitel: "The Universe in a Nutshell")
Übersetzt aus dem Englischen von Hainer Kober.
dtv, 2004. 264 Seiten.
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Stephen Hawking:
"Die illustrierte Kurze Geschichte der Zeit"
Ist das Universum unendlich oder begrenzt oder endlich und unbegrenzt?
Wird die Expansionsbewegung einmal zum Stillstand kommen? Welchen Platz
im Kosmos nehmen wir ein? Das sind nur einige der existenziellen
Fragen, die im Zentrum der modernen Physik und
Kosmologie stehen.
Stephen Hawking bringt seinen zum Klassiker der modernen Astrophysik
avancierten Erfolgstitels auf den aktuellen Erkenntnisstand und gibt einen
großartigen visuellen Einblick in seine komplexen Theorien. (rororo)
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"Als ich einundzwanzig war und ALS bekam, fand ich das außerordentlich
unfair. Warum gerade ich? Damals dachte ich, mein Leben sei zu Ende. Ich würde
das Potential, das ich meiner Meinung nach hatte, niemals ausschöpfen können.
Doch heute, fünfzig Jahre danach, kann ich gelassen auf mein Leben zurückblicken
und zufrieden sein." (Stephen Hawking)
Zum ersten Mal lässt der berühmteste Physiker unserer Zeit sein ganzes privates
und wissenschaftliches Leben Revue passieren - in seinen eigenen Worten und in
einem Buch voller Weisheit und Humor: über eine Kindheit im Nachkriegs-England,
seine Familie und seine zwei Ehen. Über das Leben mit der Krankheit und der
ständigen Todesgefahr. Über
Weltreisen, Leidenschaften und über sein
kosmologisches Lebenswerk. (rororo)
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