Peter Handke / Peter Hamm: "Es leben die Illusionen"

Gespräche in Chaville und anderswo


Das doppelte Peter-Prinzip

Die beiden Peter sind altersmäßig nur fünf Jahre auseinander, kennen einander seit über 40 Jahren und sind eng befreundet: das scheinen ideale Voraussetzungen für substanzielle Gespräche zu sein, die hier dokumentiert werden. Eigentlich sind es ja Interviews, sie wurden größtenteils in Handkes Wahlheimat Chaville bei Paris im April 2002 aufgenommen. Teile davon gibt es als Film 'Der schwermütige Spieler', produziert von SWR und Arte. Man erfährt hier allerhand Prägendes über Handkes Werk, Biografie sowie seine Ansichten über Politik und andere Kollegen. Beide Autoren haben ihre Anfänge in den 1960er Jahren und haben immer ihr Schreiben (und das anderer) reflektiert.

Handke beklagt den Überfluss, in dem wir leben und der keine Fantasie mehr zustande bringe - was ein "gesunder Mangel" durchaus tue. Als Schriftsteller habe man "in der Distanz zu sein und solitär zu bleiben." Und so sucht er zu Fuß die Leere in der Landschaft, bewegt sich in seiner persönlichen Langsamkeit. Statt sich über Tausende Seiten mit Philosophie zu beschäftigen, möchte er lieber "aktiv schweigen" oder ein Gedicht lesen. Schreiben bedeutet für Handke ein "Zur-Geltung-Bringen des Übersehenen" - es speist sich sozusagen aus einem Glauben an eine "nicht geschichtliche Welt." Überraschend bis provokativ mag klingen: "Ein ordentlicher Schriftsteller, der hat nix zu sagen. Der hat etwas zu schreiben.“

Das klingt alles noch nach dem früheren 'Bewohner des Elfenbeinturms', dabei sieht Handke durchaus das Leiden in der Welt, macht es aber nicht zu seiner Hauptaufgabe, es zu thematisieren. Vielmehr ist es Handke schon immer mehr um das Schreiben als solches gegangen: "Wie kann man universell und zugleich konkret schreiben? Und zugleich bildhaft schreiben?" Diesbezüglich hat er sich sehr mit Goethe und auch mit Kafka beschäftigt. Handke schildert, dass er über "Aspekte von Menschen" schreibe: "und dieser Aspekt wird auf die ... Erzählreise geschickt oder in eine Art ... Versuchsreihe" - was man ja exemplarisch in 'Die Angst des Tormanns beim Elfmeter' studieren und nachvollziehen kann.

Und so werden noch manch andere Aspekte diskutiert nach dem doppelten Peter-Prinzip: Peter Hamm ist ein sorgfältiger, aber auch respektvoller Frager - Peter Handke ist ein gewissenhafter, aber nicht immer einsichtiger Antworter. Auf jeden Fall eine lohnende Begegnung.

(KS; 09/2006)


Peter Handke / Peter Hamm: "Es leben die Illusionen. Gespräche in Chaville und anderswo"
Wallstein Verlag, 2006. 183 Seiten.
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