Pedro Juan Gutiérrez: "Der König von Havanna"
Gekürzte Lesung von Stephan
Benson
(Hörbuchrezension)
Die erschütternde Geschichte des jungen Reynaldo im Hunger,
Schmutz und Zerfall eines Havanna der 1990er Jahre. Stets mangelt es am
Elementarsten. Moral gibt es nicht. Nirgendwo genießt man das Leben freizügiger,
gibt sich dem Sex hemmungsloser hin. Reynaldo - ungebrochen nach vier Jahren
Knast, in den er unschuldig hineingeraten war - entdeckt mit 16 Jahren seine
sexuelle Anziehungskraft auf andere Menschen, gleich welchen Geschlechts.
Inmitten einer Welt voller Alkoholiker, Dealer, Leichenfledderer, Nutten,
Schwarzhändler, Transvestiten und Zuhälter lässt er sich von Abenteuer zu
Abenteuer treiben, bis er Magda kennen lernt. Doch auch nach ausschweifenden
Liebesnächten wartet am nächsten Morgen der Hunger.
Der 1950 geborene
Autor hat eine brutale Geschichte niedergeschrieben voller Gewalt und Sex.
Gleichzeitig malt er in rücksichtsloser Offenheit ein trauriges Stimmungsbild
der kubanischen Gegenwart, die vom Wunsch nach Überleben bestimmt ist.
Symptomatisch hierfür ist die Dachterrassenszene tagsüber mit stinkenden
Haustieren hinter improvisierten Stallgittern, parallel auf der anderen Hälfte
der Terrasse die junge aufreizende ihre Wäsche aufhängende
Mulattenprostituierte, deren bloßer Anblick den beiden Nachbarjungen eine
Erektion wachsen lässt. Jeder überlebt auf seine Weise.
Der Schauspieler
Stephan Benson, bereits beim Vorgängerroman "Schmutzige Havanna Trilogie" tätig,
hat die gekürzte Fassung des Buches gut in den jeweiligen Part einfühlend in
wechselnder Stimmlage deftig und souverän gelesen.
Fazit: Ein
schockierendes Hörbuch. Die 202 Minuten auf 3 CDs gehen unter die Haut. Sie
lassen den Hörer teils abgestoßen von so viel Elend, teils angezogen von den
Überlebenskünsten des jungen Erotomanen erschüttert zurück. Sicherlich
nicht jedermanns Geschmack. Bestimmt nichts für zartbesaitete literarischen
Tiefgang suchende Gemüter. Daher kaum allseitig empfehlenswert. Doch derjenige,
den die von einem desillusionierten Naturalisten vorgetragene Kombination von
Kubatristesse mit Sex ohne Grenzen interessiert, wird daran Gefallen finden.
Denn in seinem an Charles Bukowski
und Henry Miller erinnernden Genre ist es gut gemacht.
(Dr. Matthias Korner; 03/2006)
Pedro Juan Gutiérrez: "Der König von
Havanna"
(Originaltitel "El Rey de la Habana")
Aus dem Spanischen von
Harald Riemann.
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Pedro Juan Gutiérrez wurde 1950 in Kuba
geboren. Mit elf Jahren begann er als Eis- und Zigarettenverkäufer zu arbeiten,
war später als Schwimm- und Kajaklehrer, als Zuckerrohrschneider und
Landarbeiter, als Bauinstallateur und technischer Zeichner tätig. Gutiérrez ist
Maler, Bildhauer, Dichter und Journalist. Der Autor mehrerer Romane lebt in
Havanna.
Lien zu Pedro Juan Gutiérrez' Netzseite:
https://www.pedrojuangutierrez.com/.
Weitere Bücher
des Autors:
"Schmutzige Havanna Trilogie"
"Ich übte mich darin,
nichts ernst zu nehmen. Ein Mann darf viele kleine Fehler machen. Und es spielt
keine Rolle. Wenn die Fehler aber groß sind und auf seinem Leben lasten, bleibt
ihm nur noch übrig, sich nicht ernst zu nehmen. Nur so muss er nicht leiden.
Anhaltendes Leiden kann tödlich sein."
Havanna in den 1990er Jahren, eine
Stadt am Rande des Abgrunds. Es gibt weder Seife noch Wasser, noch Essen, noch
Arbeit, noch Geld. Der Erzähler Pedro Juan, arbeitsloser Journalist Anfang
vierzig und Alter Ego des Autors, lebt wie alle vom Nichts: vom Hunger, vom
Zeittotschlagen, von Gelegenheitsjobs, die kein Geld einbringen, von Rum,
Zigaretten und vom Vögeln. Vor allem von Letzterem. Denn wenn es in Castros
Stadt noch etwas im Überfluss gibt, sind es herrliche, schamlose und
selbstbewusste Frauen.
Pedro Juan Gutiérrez beschreibt in bunten Farben die
Nachtseite der Revolution. "Schmutzige Havanna Trilogie" ist ein Roman über das
nackte Leben: drastisch, abstoßend und anziehend, und schön - wie der Anblick
vom Dachbalkon des Erzählers auf die Uferpromenade des Malecón, wo bröckelnde
Häuserzeilen im Abendlicht baden.
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"Animal Tropical"
Zwischen
Havanna und Stockholm liegen Welten - nicht nur geografisch. Das merkt auch
Pedro Juan schnell, der lebens- und sexsüchtige Held aus der "Schmutzigen
Havanna Trilogie", nachdem er der Schwedin Agneta auf die andere Seite der
Erdkugel gefolgt ist.
Pedro Juan ist mittlerweile fünfzig Jahre alt, er malt,
schreibt und lebt nach wie vor in seiner Welt am Malecón. Aber dann kehrt er
nicht nur den Straßen Havannas, sondern auch seiner heißblütigen Gefährtin
Gloria den Rücken, um einer Einladung nach Stockholm zu folgen - und eine neue
Frau zu erobern. Vom dreckigen, verarmten, pulsierenden Kuba gerät Pedro Juan
ins kühle, blitzblanke und reiche Schweden: von Gloria zu Agneta. Für ein paar
Monate nistet der kubanische Macho sich bei der Schwedin ein, lässt sich
aushalten, verwöhnt sie dafür mit richtig gutem Sex und stellt ihren Alltag auf
den Kopf. Trotzdem lässt ihn der Gedanke nicht los, dass er in dem fremden Land
kaum mehr ist als ein seltenes "tropisches Tier". Schließlich hat er die Nase
voll vom aufgeräumten Leben seiner Agneta und sehnt sich nach einem ordentlichen
Saufgelage, Havannas Prostituierten und seiner heruntergekommenen Wohnung zurück
- und natürlich nach der ihm ebenbürtigen, wunderbar verruchten und liebestollen
Gloria. zur Rezension ...
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