John Griesemer: "Rausch"
Aspekte der Anfänge des Kommunikationszeitalters
"Das Kabel sollte die große, strahlende Errungenschaft der Epoche werden, eine Verbindung zwischen den Völkern, Künder einer neuen Ära."
Wenn die Menschen versuchen große Dinge
zu tun, dann müssen oft private Überlegungen dahinter zurück treten, und ihre
Leben verändern sich dadurch stark. In diesem Buch versuchen sehr viele Beteiligte
sehr große Dinge zu tun, und dabei wachsen sie in neue Richtungen und teilweise
auch aus ihren bisherigen Leben hinaus.
Man schreibt das Jahr
1857: Isambard Kingdom Brunel hat das bis zu diesem Zeitpunkt größte Luxusschiff
der Welt entworfen, einen Stahlkoloss mit dem Namen "Great Eastern", der alles
bisher da Gewesene in den Schatten stellen soll. Beim Bau dieses gigantischen
Schiffs kommt es immer wieder zu neuen Schwierigkeiten, aber die Arbeiten gehen
gut voran, und der Stapellauf des Schiffs von der Isle of Dogs steht kurz bevor.
Als Gäste mit von der Partie sind der amerikanische Ingenieur Chester Ludlow -
Sohn eines berühmten Landschaftsmalers -, Jack Trace - ein Zeitungsillustrator -
und noch einige andere Leute, die uns in der Folge immer wieder begegnen sollen.
Sie kommen zu einem großen Karneval, den die Eigner des Schiffes aus dem
komplizierten Stapellauf gemacht haben, ohne den Bauleiter zuvor davon zu
unterrichten, der für dieses Unternehmen eigentlich absolute Ruhe auf dem
Gelände braucht. Folgerichtig geht der Stapellauf dann auch schief und kostet
Menschenleben und Gesundheit.
Eines der Leben, die verloren gehen, ist das des Vaters von Madeleine Donovan,
die als Prostituierte
in einem Themsetunnel arbeitet. Hier begegnet sie Jack Trace, der nach seinen
Erfahrungen auf dem Werftgelände - und der Bekanntschaft mit einem komischen
Deutschen namens
Karl Marx - mehr zufällig in diesen Bereich gelangt ist. Bei
einem "geschäftlichen Geschlechtsakt" mit der jungen Irin hat er - durch einige
ihrer Bemerkungen zur technischen Entwicklung - plötzlich die Vision für sein
künstlerisches Lebenswerk, das den Namen Fortschritt tragen soll. Doch der Weg
dahin wird für ihn - und auch für Madeleine - sehr lang und wechselhaft sein.
Unter anderem wird ihn sein weiterer Weg mit Jonathan Lindt zusammenbringen,
einem Österreicher, der
in
London an einem Schaustellstück arbeitet, das dazu dienen soll, die Finanzierung
des ersten Interkontinentaltelegrafenkabels zu sichern. Die erste Begegnung
dieser beiden Männer hat allerdings nichts mit diesem Unternehmen zu tun, das
Jack später für die Zeitung als Begleiter dokumentieren wird. Da trifft er schon
eher auf den amerikanischen Ingenieur, der für die Verlegeeinrichtung der Kabel
verantwortlich ist und die technische Leitung des Unternehmens innehat. Auf
Grund seines guten Aussehens und Auftretens wird er allerdings von Mr. Spude
- einem der Finanziers des Unternehmens - dazu genötigt, bei Aufführungen von
Herrn Lindts Werk die Moderation zu betreiben. Dies treibt ihn in den Berufsbereich,
den vor ihrer Ehe seine Frau Frances besetzt hielt, die sich nun, einige Jahre
nach dem Tod ihrer gemeinsamen Tochter, immer mehr von ihrem Mann entfremdet.
Und während dieser sich in England zusehends deutlicher der Ehefrau Jonathan
Lindts annähert, beschäftigt sich Frances in wachsendem Ausmaß mit Okkultismus
und somit einer anderen Form der Signalübertragung, wobei ihr auch Chesters
Bruder Otis behilflich ist. Bis sie schließlich selber in den Vereinigten Staaten
von Amerika auf spiritistische Tournee geht und dabei sogar auf das Ehepaar
Lincoln trifft.
Alle Beteiligten gehen weite Wege, um
zueinander und zu sich selbst zu finden und schließlich ihre jeweiligen
Lebensprojekte zu einem endgültigen Erfolg zu bringen. Und man muss sich als
Leser immer wieder fragen, was wichtig ist: Die persönliche Ebene oder die
historisch wirksame Ebene? Was ist Signal und was ist Rauschen, Begriffe, die
den Originaltitel bilden? Eine große Frage in einem großartigen Buch.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 01/2004)
John
Griesemer: "Rausch"
(Originaltitel "Signal & Noise")
Aus dem Amerikanischen von Ingo Herzke.
Marebuch,
2003. 690 Seiten.
ISBN 3-936384-86-X.
ca. EUR 24,90.
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Hörbuch:
Hörbuch
Hamburg, 2004. 12 Audio-CDs.
ISBN 3-93638-453-3.
ca. EUR 69,90.
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Lien:
Mehr über das Schiff "Great Eastern"
Wie das Leben so spielt ...
einige Anmerkungen zu Autor und Werk:
Auf die Frage, wie er auf diese
Geschichte gestoßen sei, antwortet John Griesemer, der sich - eigenen Aussagen
zufolge - stilistisch von Werken
Charles Dickens' inspirieren ließ, stets, indem
er folgende Anekdote zum Besten gibt: Er habe eines Morgens den Abfall zur
Mistplatz gebracht und in einem Altpapierbehälter eine Ausgabe der nicht eben
billigen Zeitschrift 'Wired' gefunden. Einer der darin enthaltenen Artikel, über
moderne fiberoptische Kabel in den Ozeanen, der auch auf die Verlegung des
ersten transatlantischen Kabels im 19. Jahrhundert verwies, weckte Griesemers
Interesse - das Konzept für "Signal & Noise" war geboren; "ein Fund im
Müll", wie der Autor schmunzelnd anzumerken pflegt.
John Griesemer wurde 1947 in New Jersey geboren. Als Schauspieler wirkte er
in Nebenrollen u. a. in "Tage des Donners" ("Days of Thunder", USA 1990),
"Malcolm X" (USA, 1992), "Die Langoliers. Die andere Dimension" ("The Langoliers",
USA 1995) - der bisweilen als bestenfalls mittelmäßig bezeichneten Leinwandversion
des Stephen King-Romans
-, und der Arthur Miller-Verfilmung "Hexenjagd"
("The Crucible", USA 1996) mit. Er lebt mit seiner Familie in New Hampshire.
2004 erscheint
John Griesemers Roman "No One Thinks of Greenland" in deutscher
Übersetzung.
"No One Thinks of
Greenland" (amerikanische Ausgabe) bestellen