Iwan Goll: "Die Eurokokke"
Szenen eines schleichenden Verfalls ohne Bekenntnis
Abendländische
Ansteckungsgefahr
Manch ein Leser könnte die literarische Behandlung von Themen
wie Werteverfall
und Sinnverlust, Ortlosigkeit, Vereinsamung und existenzielles Vakuum
womöglich mit einem gelangweilten
Gähnen als "Schnee von gestern" abtun. Doch Vorsicht! Denn es
gälte
einerseits zu bedenken, ob es sich nicht vielmehr um
Bruchstücke aus dem ewigen
Eis der Inspiration handeln könnte, und andererseits - was
(gerade in diesem
Fall) die Alarmglocken
schrillen lassen sollte - ob etwa die Eurokokke längst ihr
Unwesen treibt.
"Es ist zu bemerken, daß Naturalismus,
Impressionismus, Expressionismus, Futurismus nur Hilfsworte sind, um
Begriffen und Bewegungen, Ideen und Wallungen beizukommen. Wo der Ismus
aufhört, da fängt der Dichter erst an, denn letzten
Grundes macht die Einzelseele, nicht die Massenpsyche oder -psychose
erst den Dichter zum Dichter. Jeder Mensch hat eine bestimmte seelische
Richtung, in der er läuft, und wer in derselben Richtung geht,
den begrüßt er als seinen Weggenossen mit besonderer
Herzlichkeit. Nun gibt es aber viele Wege. Viele Wege führen
nach Rom: ins Heiligtum der Kunst, in den Tempel des Gottes. Es ist
Überheblichkeit, den Wege, den ein anderer geht, von
vornherein als einen falschen zu bezeichnen und Hohn und
Gelächter ihm nachzurufen. Als Maßstab der Kritik
darf nur die Qualität gelten: der Zusammenhang des relativen
mit dem absoluten Prinzip. Ein guter naturalistischer Roman ist mir
lieber als ein schlechter expressionistischer und umgekehrt (...) |
Während sich Alfred Döblins
(1878-1957) bekanntestes Werk, der Großstadtroman "Berlin
Alexanderplatz", dauerhaft im literaturgeschichtlichen Rahmen
behaupten kann, führt Golls bereits davor publiziertes Buch
"Die Eurokokke" ein Schattendasein, wiewohl beide Autoren die
bedrohliche Faszination moderner Metropolen thematisieren, in
Untergangsvisionen schwelgen und Kritik an Mechanisierung wie auch
Industrialisierung, am kapitalistischen Wirtschaftssystem und an
traditionellen bürgerlichen Strukturen üben. |
Die ebenso stilvoll wie gekonnt zelebrierte Langeweile im Gewand
eleganter
Sprache, (sieht man vom übermäßigen Einsatz
zum Teil skurril anmutender
Ausschmückungsvergleiche, bspw. "Ein Kran
wühlt wie ein Zahnstocher im
eiternden Mund des Himmels herum.", ab), durchwoben mit
Glitzerfäden eines verhallenden Echos der Weltschmerzpoesie,
surreale Elemente sowie expressionistische Innenschau geben sich in
Iwan Golls "Die
Eurokokke" ein Stelldichein.
Doch nicht nur in diesem Werk setzt sich der Autor mit den
Tücken der Moderne
europäischer Prägung auseinander, sondern auch in
"Der Mitropäer".
Sie liebte keinen? Gut. Dann hatte sich Edmund doch
nicht geirrt. Dann war Lola also doch eine ganz andere Frau, die mit
der gewöhnlichen Pariser Artigkeit, liebes Edgarchen, noch
lange nicht zu fangen war. Sie war ein Weib in höherem,
metaphysischen Sinn, konstruierte Edmund weiter, an das Fenster seines
Zimmers gelehnt und den Kopf tiefatmend in den blauen Himmel wie unter
eine Dusche hinaussteckend. |
Iwan Goll hat in dem Werben dreier junger Männer um Lola ein satirisches Bild der verschiedenen geistigen Strömungen Europas geschaffen, die alle auf ihre Weise im Grau in Grau eines ideenlosen Alltags enden. Der Roman ist eine allegorische Groteske auf den Geisteszustand Europas zwischen den Kriegen, ein satirischer Abgesang auf seine politischen Ideen und seine sterbende Kultur. Im Bild der Pariser Künstlergruppe um den Snob Cocherel, in dem man unschwer Jean Cocteau inmitten einer Schar von bedingungslos Ergebenen erblicken kann, findet sich auch eine der bissigsten Satiren auf die künstlerische Avantgarde der zwanziger Jahre, die wohl geschrieben wurde. (Klappentext von "Der Mitropäer") |
"Iwan Goll hat keine Heimat:
durch Schicksal Jude, durch Zufall in Frankreich geboren, durch ein
Stempelpapier als Deutscher bezeichnet. Iwan Goll hat kein Alter: seine
Kindheit
wurde von entbluteten Greisen aufgesogen. Den Jüngling
meuchelte der Kriegsgott
(...)", so Goll über sich selbst, zitiert Barbara
Glauert-Hesse in ihrem
Nachwort zur im Jahr 2002 bei Wallstein erschienenen Neuauflage.
Barbara Glauert-Hesse katalogisierte im Auftrag der Deutschen
Schillergesellschaft von 1969 an den Nachlass von Iwan und Claire Goll
gemeinsam
mit Claire Goll in Paris. Nach deren Tod setzte sie die Arbeit am
Goll-Nachlass
im Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar und in
Saint-Dié-des-Vosges,
Frankreich, fort. Seit 1988 ediert sie die Gesamtwerke beider Autoren.
Ihr Nachwort zur Neuausgabe von "Die Eurokokke",
einem Faksimile der 1927 publizierten Erstauflage, zeichnet auf 18
Seiten
Stationen von Golls
Lebensweg nach und liefert Aufschlussreiches zur Entstehungsgeschichte
des
Werks.
Iwan (auch Ivan bzw. Yvan; die Schreibweise
variiert) Goll ist eines jener Pseudonyme,
unter denen der am 29. März 1891 in
Saint-Dié-des-Vosges geborene Isaac Lang
schriftstellernd in Erscheinung trat. Goll studierte in Strassburg
Jura. Er promovierte 1912 zum Doktor der Philosophie,
1914 war er als Deserteur gezwungen, ins Schweizer Exil zu fliehen. Ab
1919 lebte er in Paris, wo er 1921 die Schriftstellerin
Claire Goll (geborene Clara Aischmann, 1890-1977) heiratete
und u.a. Freundschaften mit Paul Eluard, André Malraux,
Louis Aragon, André Breton,
James Joyce und Wladimir
Majakowski pflegte. Auch mit Kurt Weill und Georg Kaiser stand er in
Kontakt. |
"Der
heilige Leib" |
"Die Eurokokke"
Mit dem Satz "Ich bin
aufgewacht aus einem Traum, der sich hinter mir schloß wie
ein vergoldetes
Gittertor" öffnet der namenlos bleibende
Icherzähler die Pforte zu
seiner Unterkunft, um wenig später das Grundübel beim
Namen zu nennen: "Und
um sechs Uhr früh lag ich an diesem Morgen schon wach, vom
unerträglichen
Gedanken gequält, auf der Welt zu sein".
Während der Icherzähler seine Lebensphilosophie
ausbreitet, erwacht Paris
geräuschvoll zu
reger Betriebsamkeit. Der Erzähler besucht Henry d'Anglade,
seinen Nachbarn,
der tagsüber schläft und zu den Stammgästen
der "Bar de l'Ennui"
zählt, und bittet diesen um Hilfe, um Erlösung aus
seinem qualvollen Dasein.
Henry d'Anglade stellt tatsächlich Hilfe in Aussicht, unter
der Bedingung, dass
der Verzweifelte noch einen Tag versucht, auf die Straße,
unter Menschen zu
gehen, mit der Welt ins Reine zu kommen, kurzum, einen Passionsgang zu
unternehmen. Überdies wird dem Erzähler ein
verschlissenes Büchlein ausgehändigt, das
"tödliches Gift" enthält und
"erst im äußersten Augenblick
des Ekels und der Gefahr" geöffnet werden darf. Es
wird ein späteres
Treffen in der "Bar de l'Ennui" verabredet,
woraufhin der junge
Mann in die Großstadt eintaucht.
In einem Bilderrausch zieht das Paris der
1920erjahre vor den Augen des Lesers vorbei, mit fotografischer
Genauigkeit
vermittelt Goll Wahrnehmungen und spiegelt diese in den Emotionen
seines
Protagonisten.
Durch das Dickicht aus verlogenen, marktschreierischen Werbeplakaten
und Zeitungsschlagzeilen, vorbei
an dubiosen Monumenten der Fortschrittsgläubigkeit
zwängt sich der Namenlose
durch abstoßende Menschenmassen, sucht - meist vergebens -
Augenkontakt mit
Individuen, verdingt sich kurzfristig als Bibelverkäufer,
schildert
Begegnungen mit Huren, darunter Suzy, eine Kokotte vom Montmartre, die
ihm von
milieutypischen Schicksalen berichtet.
Auch der Nachmittag beginnt mit todessehnsüchtigem
Klagen, doch plötzlich brechen Elemente einer Krimihandlung
ein, als nämlich
die Kunde von einem Mord im Marseiller Express die Runde macht. Einer
der
Banditen trägt den (unbekannt bleibenden) Namen des
Erzählers, auch stimmt die
in den Zeitungen abgedruckte Beschreibung des flüchtigen
Haupttäters bis ins
kleinste Detail mit dem Erscheinungsbild des ob dieser unverhofften
Abwechslung
euphorischen jungen Mannes überein:
"Stürmisches Künstlerhaar.
Sinnlicher Mund. Von Nachtwachen und Sternenbrand gerötete
Augen.
Schiefgebundene Krawatte. Gefährliche Allüren, wie
sie jeder Europäer auf
seinem Paßphoto aufweist. Zitronengelbe Handschuhe."
Schlagartig verändert sich die Wahrnehmung des sich nunmehr
gejagt Fühlenden, er flieht vor
den lodernden Blicken der Passanten in ein Café, wo sich ein
zittriger Greis
mit dem Ausruf: "Ich habe ihn! Den Eurokokkus!"
auf ihn stürzt. Der
Alte, der sich als Professor der Chemie zu erkennen gibt, berichtet von
seiner
langjährigen Suche nach dem Bazillus und klärt den
Icherzähler über
Krankheitsverlauf und Symptome auf, um schlussendlich festzustellen:
"Es
ist höchstwahrscheinlich anzunehmen, daß auch Sie
nach dem Beispiel der
Steine, der alten Bücher und der Esel innerlich vollkommen
ausgeleert sind.
Sicher haben auch Sie keine Leber, kein Herz, keine Seele mehr. Das
heißt, auf
Ihr Menschentum übertragen: Sie haben keinen Ehrgeiz, keinen
Glauben und keine
Liebe mehr. Gehören Sie zu jener neuen Jugend, die auf den
Mangel dieser
göttlichen Ingredienzien so stolz ist? Ich dachte es mir, ich
wusste, daß ich
nur in diesem dekadenten Café meine Beute finden
würde. Nicht wahr, Sie haben
auch kein Pflichtgefühl mehr, keine Ehrfurcht vor Eltern und
Gott, keinen
Respekt, keine Vernunft, keine Zucht und kein Ziel? Sie haben die
Krankheit der
Leere, auch Langeweile genannt, Sie haben die Eurokokke. Sie sind zu
allem fähig,
intelligenter weiser junger Mann, zum Selbstmord wie zum Mord. Sehen
Sie, ein
Mensch wie Sie könnte ganz gut der Bandit vom Marseiller
Expreß sein ..."
Als wäre der Teufel hinter ihm her, stürmt der
solcherart Entlarvte zurück
auf die Straße, gibt sich düsteren Gedanken hin und
gelangt schließlich zur
"Bar de l'Ennui", wo sich sektiererische
"Auserwählte", so auch
Henry d'Anglade, aufhalten und der Erzähler die
geheimnisvolle La kennen
- und beinahe lieben - lernt. Man debattiert über die
Langeweile und verabredet
sich für den Abend in der "Bar de la Mort".
(Wo sonst.)
Aufgewühlt
sucht der junge Mann in der Zwischenzeit Zuflucht in der Natur, muss
jedoch zu
seinem größten Schrecken feststellen, dass nichts
und niemand mehr Schatten
wirft und er sich nicht
mehr spüren kann.
Der Erzähler wähnt sich auf Schritt und Tritt
beobachtet, bis er die
"Bar de la Mort" erreicht, ein finsteres Etablissement, an
dessen Tür
geschrieben steht: "Das Wort Herz ist bei Todesstrafe
verboten!"
Maler, Musiker, Dichter und sonstige Propheten des Untergangs
bevölkern die
verrauchte Bar, auch Henry und La erwarten den Ankömmling
bereits. Man parliert
über Lüge und Lächeln, und
abschließend manifestiert sich ein ebenso
beherztes wie sinnloses Aufbegehren des jungen Mannes in einem
Aufschrei, der
ihm - für den Augenblick zumindest - den Hals rettet ...
(kre; 10/2005)
Iwan
Goll: "Die Eurokokke"
Faksimile der Erstausgabe.
Wallstein, 2002. 176 Seiten mit 9 Abbildungen nach Federzeichnungen von
Georges
Annenkoff.
ISBN 3-89244-515-X.
Buch
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Weitere
Bücher des Autors
sowie Buchtipps:
Yvan Goll: "Die Lyrik"
Vier Bände, herausgegeben von Barbara Glauert-Hesse.
Bd. 1: Frühe Gedichte (1906-1930):
Vorwiegend in deutscher Sprache. Bekannteste Zyklen: "Films", "Der
Panama-Kanal", "Der neue Orpheus", "Die Unterwelt",
"Paris brennt", "Der Eiffelturm".
Bd. 2: Liebesgedichte (1917-1950):
In deutscher und französischer Sprache; "Chansons Malaises -
Malaiische
Lieder" erstmals in vollständiger Fassung, inspiriert durch
Yvan Golls
Verbindung mit der Dichterin Paula Ludwig; "Poèmes d'amour",
ein
Wechselgesang mit Claire Goll. Außerdem: "Das Traumkraut",
"Abendgesang
(Naila)", "Zehntausend Morgenröten".
Bd. 3: Jean sans Terre / Johann Ohne Land:
In deutscher und französischer Sprache; versammelt den Jean
sans Terre-Zyklus,
1936-1944, zusammen mit allen im Umfeld dieses Zyklus entstandenen
Gedichten.
Jeans sans Terre / Johann ohne Land zählt zum klassischen
Kanon der modernen
Lyrik und gilt als das lyrische Vermächtnis Yvan Golls. In
fünf, in der Zeit
von 1933-1944 verfassten Zyklen hat Goll sein persönliches
Schicksal, seine
Enttäuschung und seine vor dem Hintergrund des Zweiten
Weltkriegs und der
Verfolgung der Juden immer größer werdenden
Verzweiflung in das Urbild des
modernen unbehausten Menschen geformt.
Bd. 4: Späte Gedichte (1930-1950):
Überwiegend in französischer Sprache geschrieben;
darunter auch englische
Gedichte. U.a. "Métro de la mort", "Lackawanna Elegy",
"Fruits from Saturn", "Elégie d'Ihpétonga", "Le
Char
Triomphal de l'Antimoine", "Die magischen Kreise" und die bisher
unveröffentlichten "Histoires de Parmenia". (Wallstein)
Bände
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Yvan
Goll:
"100 Gedichte"
Ausgewählt und mit einem Nachwort versehen von Barbara
Glauert-Hesse.
Yvan Golls Lyrik spiegelt die politische und literarische Entwicklung
des 20.
Jahrhunderts wider. Der Band enthält mehrere wiederentdeckte
Gedichte. Golls
Gedichte reichen von den sozialkritischen Anfängen des
Expressionismus über
den Surrealismus bis zu den hermetischen Sprachbildern der
Spätzeit.
1996 erschien zum ersten Mal die gesamte Lyrik Yvan Golls in deutscher,
französischer
und englischer Sprache in einer vierbändigen Edition (siehe
vorstehender
Buchtipp).
Die Auswahl von Hundert Gedichten bietet heute einen Querschnitt dieser
Ausgabe.
Zwischen 1907 und 1950 geschrieben, lassen sie die Vielfalt und Weite
der Themen
erkennen, die das lyrische Werk Yvan Golls auszeichnen. Zu den
frühen Gedichten
aus "Films", "Der Torso" und "Die Unterwelt" tritt
"Der Eiffelturm", folgen die Liebesgedichte aus "Poèmes
d'amour",
"Poèmes de Jalousie" und "Poèmes de la Vie et de
la Mort"
ebenso wie die "Malaiischen Lieder", schließlich Beispiele
aus
"Jean sans Terre" und dem Spätwerk "Das Traumkraut", "Neila.
Abendgesang" und "Die Antirose". (Wallstein)
Buch
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Yvan
Goll: "Der Mitropäer"
(Wallstein)
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Zusammengestellt,
herausgegeben und kommentiert von Barbara Wiedemann:
"Paul Celan. Die Goll-Affäre"
Ausgelöst wurde die so genannte "Goll-Affäre" durch
einen
ungeheuerlichen Vorwurf von Yvan Golls Witwe Claire: Celan habe das
Werk ihres
Mannes plagiiert. Dieser Vorwurf erschütterte Celan zutiefst.
Den Kampf um
seine poetische Integrität führte er bis zum Tod.
Zugleich aber durchschaute
er das Exemplarische der Affäre und wehrte sich heftig
dagegen, sie aufs Persönliche
zu reduzieren. Erstmals wird nun das äußerst schwer
erreichbare Material zu
diesen - in ihrer Bedeutung für das Werk Paul Celans kaum zu
überschätzenden
- Vorgängen lückenlos aufgedeckt. Enthalten sind die
frühen Zeugnisse der
Begegnung beider Dichter, die bislang unveröffentlichten
Goll-Übertragungen
Celans, sein Briefwechsel mit Claire Goll, die (zum großen
Teil unpublizierten)
Briefe, Texte, Entwürfe und Notizen Celans zu den
Plagiatvorwürfen. Die
Sammlung dokumentiert die von Claire Goll entfesselte Pressekampagne,
die Ausläufer
der Affäre und das polemische Wiederaufflackern nach Celans
Tod. Kenntlich
wird, wie Claire Golls Vorwürfe mit ihren manipulativen
Editionsverfahren am
Nachlass Yvan Golls zusammenhängen, vor allem aber, warum
Celan diese
Auseinandersetzung mit ihrer antisemitischen Stoßrichtung als
einen
Vernichtungsfeldzug, als seine persönliche
Dreyfus-Affäre verstehen musste.
Kenntlich wird schließlich auch, weit über den
engeren Plagiatvorwurf hinaus,
welche Mentalitäten im Deutschland der 1950er und 1960er Jahre
meinungsbildend
am Werk waren. (Suhrkamp)
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Paul
Celan: "Mohn und Gedächtnis. Gedichte"
Ein Schlüsselwerk der deutschen
Nachkriegslyrik - zum 60. Jahrestag jetzt in bibliophiler Neuausgabe
Anno 1952 erschien der schmale, in schwarzes Leinen gebundene
Gedichtband "Mohn und Gedächtnis" bei der DVA. Der Autor,
eigentlich als Paul Antschel 1920 in
Czernowitz/Bukowina
geboren, war damals der literarischen Öffentlichkeit unbekannt.
Heute zählen diese 56 Gedichte, darunter "Todesfuge",
sein berühmtestes, zu den bedeutendsten des 20. Jahrhunderts;
auch weil sie zu den frühesten Zeugnissen einer dichterischen
Auseinandersetzung mit der Shoa in der Bundesrepublik Deutschland
gehören. Diese Thematik wie Celans disziplinierte und dabei
magisch assoziative Sprache ermöglicht es uns heute noch,
"Mohn und Gedächtnis" wie eine Neuentdeckung zu lesen. Nun,
zum 60. Jahrestag, liegt dieser Band in einer der Erstausgabe
nachempfundenen, bibliophilen Ausstattung wieder vor.
Paul Celan, (1920-1970) wurde als Sohn deutschsprachiger Juden in
Czernowitz/Bukowina geboren. Seine Eltern wurden 1942 während
der deutschen Besatzung deportiert und ermordet. Er selbst
überlebte den Krieg in einem Arbeitslager. Danach gelangte er
über Bukarest und Wien nach Paris, wo er bis zu seinem Tod als
Dichter, Übersetzer und Lektor an der École Normale
Supérieure lebte und arbeitete. Seine ersten Gedichte
erschienen 1947 in Bukarest.
Paul Celan zählt zu den bedeutendsten Lyrikern der deutschen
Nachkriegsliteratur und wurde u.A. mit dem
"Georg-Büchner-Preis" ausgezeichnet. (DVA)
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Claire Goll: "Der Gläserne Garten. Prosa von 1917-1939"
Herausgegeben von Barbara Glauert-Hesse.
Der "Gläserne Garten" versammelt die gesamte frühe
Prosa von 1917
bis 1939. Neben den expressionistischen Novellensammlungen "Die Frauen
erwachen", "Der Gläserne Garten" und "Tagebuch eines
Pferdes" sind es vor allem die heute nicht mehr bekannten
journalistischen
Beiträge, die Unerwartetes bereithalten. In leidenschaftlichen
Anklagen gegen
den Krieg verbindet sich Claire Golls radikales Eintreten für
die
Gleichberechtigung der Frau mit ihrem pazifistischen Engagement. Es
sind gerade
die journalistischen Beiträge in diesem Band, die eine andere
Claire Goll
zeigen.
(Wallstein)
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Claire
Goll: "Arsenik / Eine Deutsche in Paris"
Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Barbara Glauert-Hesse.
Liebe, Verlust,
Eifersucht und Mord - Vom Leben und Scheitern zweier
Frauen im
Frankreich der zwanziger und dreißiger Jahre.
Mit ihrer Sympathie für die großen
Menschheitsträume wie mit dem ihr eigenen
Hang zur unerbittlichen Desillusionierung menschlicher Schicksale
erzählt
Claire Goll in den Romanen "Arsenik" (1932) und "Eine Deutsche in
Paris" (1925) von Liebe, Verlust, Eifersucht, Erniedrigung und von Mord
als
Verzweiflungstat.
Claire Goll führt in ihrer Prosa der nachexpressionistischen
Zeit das
Emanzipationsthema aus der Frühzeit des 20. Jahrhunderts im
Stil der Neuen
Sachlichkeit fort und wird damit zur Weggenossin Marieluise
Fleißers.
Für beide Romane fand Thomas Mann äußerst
lobende Worte. So schrieb er 1933
in einem Brief an Claire Goll über "Arsenik": "Diese
Geschichte
eines Verbrechens ist eine psychologisch und medizinisch sehr fein und
sorgfältig
fundierte Arbeit, und sie erschüttert durch den menschlichen
Aufstieg, den sie
aus kleinbürgerlicher Verstrickung und trüber Schuld
in die religiöse Sphäre
der Läuterung und Erlösung nimmt."
Und 1928 urteilte er über "Eine Deutsche in Paris": "Es ist
eine
sehr schöne, klare und echte Geschichte, die mich in ihrer
naiven und zarten
Tragik sehr ergriffen hat. Gewiss wird sie ein dankbares Publikum
finden."
(Wallstein)
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Claire
Goll und Rainer Maria Rilke:
"Ich sehne mich sehr nach Deinen blauen Briefen"
Rainer Maria Rilke - Claire Goll, Briefwechsel. Herausgegeben von
Barbara
Glauert-Hesse.
Die Korrespondenz aus den Jahren 1918 bis 1925 ist ein Zeugnis von
Freundschaft
und Leidenschaft. Sie spiegelt Leben und Wirken zweier Menschen, deren
Werk
heute Literaturgeschichte ist.
Die Korrespondenz zwischen Rainer Maria Rilke und Claire Goll wird zum
ersten
Mal aus den Handschriften veröffentlicht. Der Briefwechsel
beginnt 1918, kurz
nach der ersten Begegnung Claire Golls und Rilkes in München.
Aus der frühen
Zeit der Beziehung sind nur Rilkes Briefe erhalten. Trotz ihrer
Verhaltenheit
zeigen sie, dass es bald nicht mehr bei einer Dichterfreundschaft
zwischen dem
43jährigen und der 28jährigen blieb. Von 1920 bis
1923 tritt in der
Korrespondenz eine Pause ein, und erst im Februar 1925 sehen sich die
Beiden
wieder. Es existieren keine unmittelbaren schriftlichen
Äußerungen über diese
Begegnung, doch spricht Claire Golls Brief vom April 1925 eine sehr
deutliche
Sprache: "Ist man doch so beschenkt, wenn man Dich nur ansieht,
geschweige
wenn man Dich hört - Du weißt ja, daß ich
seit acht Jahren noch nicht wagte
zu erfahren, ob Du es bist oder der liebe Gott."
Rainer Maria Rilke stirbt 1926, 51jährig, an
Leukämie. 50 Jahre später, am
30. Mai 1977, stirbt Claire Goll in Paris. Die Briefe Rilkes bewahrte
sie
zeitlebens in ihrer Nähe auf und rettete sie über ihr
New Yorker Exil zurück
nach
Frankreich.
Der Band enthält neben den Briefen sieben
Gedichte Rilkes in
französischer Sprache, die er im Februar 1924 als kleines
handgebundenes Buch an Claire Goll gesandt hatte und die 1926 unter dem
Titel "Vergers" in der "Nouvelle Revue Française" gedruckt
wurden, ebenso das bisher unveröffentlichte und lange
verschollen geglaubte Manuskript "Gefühle. Verse von Claire
Studer". (Wallstein)
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Alfred
Döblin: "Berlin Alexanderplatz"
Die Geschichte des ehemaligen Transportarbeiters und "guten Menschen"
Franz Biberkopf, der, aus der Strafanstalt Berlin-Tegel entlassen, als
ehrlicher
Mann ins Leben zurückfinden möchte, ist der erste
deutsche Großstadtroman von
literarischem Rang. Schauplatz des Geschehens ist das Berlin der
1920er-Jahre.
Dabei wird die Großstadt selbst zum Gegenspieler des
gutmütig-jähzornigen
Franz Biberkopf, der als Zeitungsverkäufer am Alexanderplatz
steht, aufrichtig
bemüht, endlich "anständig zu sein", kein Verbrechen
mehr zu begehen
und dieser verlockenden, aber auch unerbittlichen Welt zu trotzen.
Mit "Berlin Alexanderplatz" vollzog
Döblin
die radikale Abkehr vom bürgerlich
psychologischen Roman. Hier wurde kein Einzelschicksal analysiert. Das
kollektive Geschehen, das Allgemeine einer menschlichen Situation
erfuhr hier
eine gültige dichterische Gestaltung.
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