Hans-Gert Bachmann: "Mythos Gold"
6000 Jahre Kulturgeschichte
Einmalig
schöner Bildband und fundiertes Sachbuch in einem
Die ersten Goldfunde in Gräbern sind über 6.000 Jahre
alt und zeigen, wie lange das in vielen Kulturen mit der Sonne
gleichgesetzte Metall bereits die Menschheit begleitet. Es trug in Form
von Schmuck zur Verschönerung der Menschen bei, meistens einer
kleinen privilegierten Schicht, es erfüllte kultische Zwecke
und ging in viele Mythen ein, und bald diente es auch als
Zahlungsmittel.
Im vorliegenden Band wird der "Mythos Gold" aus den unterschiedlichsten
Blickwinkeln betrachtet. Welche physikalischen Gegebenheiten verleihen
dem Edelmetall seine typischen Eigenschaften, die es für den
Menschen so attraktiv machen? Auf welche Weise wurde und wird es
gewonnen und verarbeitet? In welchen Mythen hat es zentrale Bedeutung,
in welchen Kulten spielte es eine Rolle?
Das Buch ist in vier große Abschnitte gegliedert; der erste,
"Bronzezeit und frühe Hochkulturen", beginnt mit den
ältesten Funden verarbeiteten Goldes in Osteuropa; er zeigt
und interpretiert goldene Kultgegenstände der Bronzezeit,
darunter einen der berühmten "Goldhüte", den
Sonnenwagen von Trundholm und
die
Bronzescheibe von Nebra mit ihren Goldeinlagen. Im alten Ägypten
kam dem Gold eine zentrale Rolle zu, denn nur die Pharaonen durften es
verteilen; an den Funden aus dem Grab des Tutanchamun lässt
sich ablesen, wie hoch die Goldschmiedekunst damals bereits gediehen
war. Die Hochkulturen im alten Orient, die sich über den
fruchtbaren Halbmond hinzogen, wussten ebenfalls schon feinen
Goldschmuck, Kult- und Gebrauchsgegenstände aus Gold
anzufertigen. Aus der mykenischen Kultur gibt es nur wenige
Fundstücke, doch sie attestieren den kretischen Goldschmieden
ein hohes Niveau.
Der zweite Abschnitt des Buchs befasst sich mit Europa im 1.
vorchristlichen Jahrtausend. Der lydische König Kroisos war
nicht nur sagenhaft reich, er erfand auch das Münzgeld.
Während der Hochzeit des Hellenismus erreichte aber auch das
Können der Goldschmiede einen neuen Höhepunkt, was
zahlreiche filigrane, detailverliebte Schmuckstücke und
Prunkgegenstände beweisen. Das Reitervolk der Skythen
entwickelte einen eigenen Stil, den es jedoch zum Teil von den Griechen
übernommen hatte, und eine enorme Kunstfertigkeit. Von den
Goldschätzen der Perser ist fast nichts erhalten geblieben.
Herrliche, sehr fein verarbeitete Schmuck-, Gebrauchs-, Zier- und
Kultgegenstände keltischen Ursprungs gibt es hingegen
reichlich, zumal bei den Kelten kein Mangel am Edelmetall herrschte. Zu
den Kulturen mit besonders aufwändigen
Goldverarbeitungstechniken gehörten übrigens auch die
Etrusker, die zum Beispiel die schwierige Granulation perfekt
beherrschten. Im antiken Rom schließlich wurden nicht nur
sehr umfangreich Goldmünzen geprägt, sondern auch
zahlreiche Luxusgegenstände aus Gold hergestellt. Die sinkende
Goldförderung in den Provinzen ging letztlich mit dem Zerfall
des Imperiums einher.
Große außereuropäische Kulturen sind das
Thema des dritten Abschnitts, darunter der Islam: Die von ihm
geprägten Kulturen schufen zwar auch durch herrliche Ornamente
bestechende weltliche Schmuck- und Gebrauchsgegenstände aus
Gold, doch war das Edelmetall vor allem zur Verherrlichung Gottes
bestimmt; vergoldete Moscheekuppeln und andere Gebäudeteile
mit Goldauflage, aber auch die Verwendung von Goldtinte in
wunderschönen Koranabschriften zeigen dies eindrucksvoll auf.
Auch ostasiatische Tempelanlagen wiesen und weisen oft üppige
Vergoldungen auf, ebenso Paläste wie der Myanmar-Palast mit
seinem prachtvollen Löwenthron. Natürlich finden sich
in Ostasien nicht anders als in Europa viele goldene, reich verzierte
Gebrauchsgegenstände; der Shogun Hideyoshi besaß
sogar eine vergoldete Weste. Noch heute spielt Gold für
buddhistische Tempel und shintoistische Schreine in Japan eine
bedeutende Rolle.
Ein ausführliches Kapitel befasst sich mit Mittel- und
Südamerika. Viele Zeugnisse der dortigen mittelalterlichen
Goldschmiedekunst gingen verloren, weil
die spanischen Conquistadores
ihre Beute einschmolzen. Zum Glück erhielt sich manch
faszinierendes Stück. In Mittelamerika brachten vor allem die
Mixteken herrliche Golderzeugnisse hervor, in Südamerika gab
es eine ganze Reihe von Kulturen, die fein verarbeitete Kult-, Zier-
und Gebrauchsgegenstände produzierten, darunter sogar solche
aus Gold in Verbindung mit dem schwer zu bearbeitenden Platin.
Nicht zu vergessen sind jedoch auch die Goldschmiede einiger
westafrikanischer Völker, die ganz eigene Stile entwickelten.
Aschanti-Könige repräsentierten mit gewaltigen Mengen
an goldenen Gegenständen. Ihre Handwerker verstanden nicht nur
alle gängigen Goldverarbeitungstechniken, sondern wussten auch
diverse Legierungen herzustellen.
Der letzte Abschnitt schließlich enthält die
Entwicklungen in der westlichen Welt vom Mittelalter
bis ins 20. Jahrhundert. Die Zeit der fränkischen Merowinger
brachte einmalige, mit Edelsteinen besetzte sakrale Kunst (zum Beispiel
Reliquiare) und Insignien weltlicher Macht hervor; dieser Stil
entwickelte sich im Hochmittelalter weiter, wie die Exponate etlicher
Domschätze beweisen. Noch bekannter ist die byzantinische,
später auch
in Italien gepflegte Goldgrundmalerei und
Mosaikkunst mit praktisch ausschließlich religiösen
Motiven. Dieser Stil fand Eingang in die russische Ikonenmalerei und
spiegelt sich auch in weltlichen Exponaten des Kreml-Museums wider.
In der Neuzeit dienten Goldgegenstände vor allem als
höfischer Prunk, wobei die Stile und Kunstrichtungen immer
wieder neue Schwerpunkte setzten. In der Moderne konnte sich
schließlich fast jeder Goldschmuck leisten, dennoch blieb
Gold für viele Künstler ein essenzielles Material,
man denke nur an Klimt. Seine Faszination hat das Metall jedenfalls
noch immer nicht verloren.
Dieses umfangreiche Buch ist opulent bebildert, und die
Qualität der Aufnahmen und des Drucks lässt sich wohl
kaum übertreffen. Ganzseitige Aufnahmen der
ungewöhnlichsten und schönsten Stücke lassen
jedes feine Detail zur Geltung kommen. Unter den dargestellten Objekten
finden sich viele, die man in anderen, thematisch ähnlichen
Büchern nicht zu sehen bekommt, selbstverständlich
jedoch auch die bekannt gewordenen historischen Kunstwerke aus Gold.
Das Buch ist aber viel mehr als ein Bildband, denn die Texte geben
einen sehr fundierten, bei aller Sachlichkeit nie trockenen
Überblick über die Gewinnung, Verarbeitung und
Bedeutung des Goldes in allen bedeutenden Kulturen der Geschichte, die
sich seiner bedient haben. Der Leser erfährt, wie eng die
Geschicke bedeutender Reiche mit der Goldgewinnung verknüpft
waren, dass Goldbesitz fast zu jeder Zeit den weltlichen und
geistlichen Eliten vorbehalten war, wie sich
Alchemisten
Jahrhunderte hindurch erfolglos um die Herstellung von Gold aus anderen
Substanzen bemühten, und, was sicherlich besonders interessant
ist, welche ausgefeilten Methoden zur Goldgewinnung, zu seiner
Aufreinigung und Formung bereits die Völker der
Frühgeschichte und Antike besaßen. Viele von diesen
Methoden finden auch heute noch Anwendung. Alle Fachbegriffe werden im
Glossar nochmals erläutert und können somit jederzeit
nachgeschlagen werden.
Karten mit der Verbreitung von Völkern und Kulturen und deren
Zentren der Goldgewinnung illustrieren jeweils den Text. Jedem
Abschnitt geht eine grafische Übersicht voraus, in der auf
einem Zeitstrahl die repräsentativsten Fundstücke der
jeweiligen Kulturen und Epochen abgebildet sind. Außerdem
werden alle Bilder ausführlich erläutert -
einschließlich des heutigen Standorts der abgebildeten
Objekte - und interpretiert, sodass für den Leser und
Betrachter jeglicher Komfort gegeben ist.
Dieser einmalig schöne und informative Band stellt eine Freude
und Fundgrube für jeden dar, der sich für
Kunsthandwerk, Kunst- und Kulturgeschichte und Geschichte allgemein
interessiert, und ganz besonders selbstverständlich
für alle Menschen, die der Faszination des "Sonnenmetalls"
erlegen sind.
(Regina Károlyi; 11/2006)
Hans-Gert
Bachmann: "Mythos Gold"
Mit einem Beitrag von Jörg Völlnagel.
Hirmer Verlag, 2006. 280 Seiten mit 292 Abbildungen.
Buch
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