Stefan Weppelmann (Hrsg.): "Geschichten auf Gold"
Bilderzählungen in der frühen italienischen Malerei
Umfassende Darstellung einer faszinierenden kunstgeschichtlichen Epoche
Die Ausstellung "Geschichten auf Gold" anlässlich des 175-jährigen
Jubiläums der Berliner Gemäldegalerie bietet die Grundlage zum
gleichnamigen Buch, das jedoch weit mehr als ein Ausstellungskatalog
ist.
Im Vergleich zur sich anschließenden
Renaissance
findet die italienische Goldgrundmalerei des Trecento und Teilen des Quattrocento
recht wenig Beachtung. Da die Berliner Gemäldegalerie zahlreiche Werke aus dieser
Epoche besitzt und etliche weitere als Leihgaben für die Ausstellung erhielt,
ergab sich eine einzigartige Möglichkeit, Glanzstücke der frühitalienischen
Malerei nebeneinander zu präsentieren, zu interpretieren und im historischen,
religions- und kunstgeschichtlichen Kontext zu untersuchen.
Zu den Höhepunkten des Buchs und der Ausstellung gehört der Altar von
Santa Croce in Florenz, ein ungewöhnliches Polyptychon mit Predella,
das im 19. Jahrhundert zerlegt und im Rahmen der Ausstellung erstmalig
wieder - soweit die Teile auffindbar sind - zusammengefügt wurde.
In der Einführung stellt der Herausgeber die erzählerischen
Möglichkeiten der Goldgrundmalerei vor, die ganz wesentlich zum Bibel-
und Glaubensverständnis des einfachen, des Lesens unkundigen Volkes
beitrug. Hier und in einem späteren Kapitel zeigt sich die
Vielschichtigkeit der meisten Bilder dieser Epoche, das Geschick der
Künstler, beispielsweise zeitliche Abfolgen und Bedeutungsunterschiede
von Figuren durch räumliche Anordnung, perspektivische "Tricks" und
Symbole darzustellen.
Der erste Teil des Buchs umfasst reich bebilderte Sachtexte zum Thema,
unter anderem über die Funktion der Predella (eine Serie kleinerer
Bilder unter dem Hauptaltarbild), die vor allem als Mittel zum Erzählen
biblischer Geschichten oder Heiligenviten genutzt wurde, sowie über die
Entwicklung der Goldgrundmalerei aus frühchristlichen und
byzantinischen Wurzeln und ihre Wertung als künstlerischer Stil im Lauf
der Zeit. Ein Kapitel erklärt die komplizierte und aufwändige Technik,
mit deren Hilfe das Blattgold in der Tafelmalerei eingesetzt wurde.
An die einführenden Texte schließt sich der Katalog an mit großformatigen Abbildungen
der Exponate, bei denen es sich vor allem um Predellen oder Teile von Predellen
handelt; auch fehlende Teilstücke sind meistens abgebildet, sodass sich ein
Gesamteindruck der jeweiligen Predella ergibt. Zu jedem Ausstellungsstück erhält
der Leser zahlreiche Informationen: nicht nur über den Künstler, die Entstehungszeit,
den ursprünglichen und den heutigen Standort, sondern auch über die Motive an
sich und ihre Bedeutung für die Auftraggeber. Stets werden die entsprechenden
Stellen aus Originalquellen, vor allem Bibel und
Heiligenviten,
zitiert - gerade Heiligenlegenden sind heute überwiegend in Vergessenheit geraten,
daher erweist sich diese Gründlichkeit als äußerst hilfreich. Die Begleittexte
enthalten zudem Hinweise zu themenverwandten Bildern desselben Künstlers oder
anderer, die meistens auch abgebildet sind. Jedes Exponat wird umfassend interpretiert.
Am Ende jedes Begleittextes findet man eine Liste mit Anmerkungen, die vor allem
auf Literatur zum Bild oder Thema verweist.
Die beiliegende CD-ROM ermöglicht dank der Digitaltechnik eine ganz
besondere Zeitreise. Durch geschickte Kombination von Daten wurden die
Beleuchtungsverhältnisse und der Altarraum der oben erwähnten Kirche
Santa Croce im Zustand des 14. Jahrhunderts rekonstruiert und das große
Altarbild virtuell an seinen alten Platz gestellt. Eine 3D-Animation
lässt uns durch die Kirche auf den durch die farbigen Kirchenfenster
faszinierend angeleuchteten Altar zugehen und das Kunstwerk von allen
Seiten betrachten - eine erstaunlich realistische Erfahrung, sofern die
Grafikkarte mitspielt. Hier zeigt sich eine wunderbare, durchdachte
gegenseitige Ergänzung und Beeinflussung von Architektur und Malkunst,
die bei der Betrachtung eines Altarbildes im Museum verborgen bleibt.
Das Buch genügt nicht nur inhaltlich, sondern auch bezüglich der
Ausstattung hohen Ansprüchen. Das große Format betont die herausragende
Qualität der Abbildungen. Auch an den Texten und der CD-ROM gibt es
nichts auszusetzen. Übrigens findet die Ausstellung bis zum 26. Februar
2006 statt.
(Regina Károlyi; 12/2005)
Stefan Weppelmann: "Geschichten auf
Gold"
DuMont Literatur und Kunst Verlag, 2005. 296 Seiten mit 109 farbigen
und 74 einfarbigen Abbildungen.
ISBN 3832176764.
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