Dietrich Fischer-Dieskau: "Goethe als Intendant"
Theaterleidenschaften im klassischen Weimar
Ein
bedeutender, jedoch wenig beachteter Aspekt von Goethes Schaffen
Goethe ist als Dichterfürst bekannt, seine
naturwissenschaftliche Forschung wurde beschrieben, und auch der
Politiker Goethe fand Beachtung. Eine seiner Tätigkeiten
indes, die ihn über 25 Jahre lang intensiv beanspruchte und
auch sein dichterisches Schaffen prägte, wird zumeist
übersehen: seine Intendanz am Theater von Weimar, die er von
1791 bis zu seinem Rücktritt als Reaktion auf eine Intrige
1817 innehatte. Goethe beschäftigte sich jedoch bereits
unmittelbar nach seiner Ankunft in Weimar 1775 mit der qualitativen
Verbesserung des kleinen provinziellen Theaters, das er in der
unbedeutenden Residenz vorfand.
Der Autor, von Berufs wegen selbstverständlich bestens mit der
Materie vertraut, führt zunächst in die Situation des
Theaters im 18. Jahrhundert ein, die mit der heutigen kaum zu
vergleichen ist: Schauspielschulen gab es nicht, statt fester
Bühnen und gefeierter "Stars" machten zumeist recht armselige
Wanderbühnen mit arbeitstäglich vom Eintrittsgeld
entlohnten, von der Gesellschaft ähnlich wie Musiker
geächtete Schauspieler Theater. Diese waren es nicht gewohnt,
sich streng an vorgegebene Texte zu halten, und natürlich
orientierte sich der Spielplan an möglichen Einnahmen, wurde
also auf Unterhaltungswert und nicht auf Qualität
zugeschnitten. Schauspieler waren häufig auch Sänger;
dies hielt sich weit in Goethes Zeit hinein.
Als Goethe in Weimar eintraf, fand er in der verwitweten Herzoginmutter
Anna Amalia eine Förderin von Musik und Schauspielkunst vor,
die ihn bei seinen Bemühungen unterstützte.
Allerdings kam es durch mehrere Kriege während Goethes
Weimarer Zeit immer wieder zu starken Beschränkungen des
Budgets.
Die nun folgenden Kapitel zeigen detailliert auf, wie Goethe das damals
übliche, durch wenige professionelle Schauspieler
unterstützte höfische Laientheater Weimars in eine
der bedeutenden Bühnen Deutschlands verwandelte. Es gelang
ihm, brauchbare Trupps und immer wieder auch einzelne
Größen, darunter Caroline Jagemann, Christiane
Becker-Neumann und Corona Schröter, nach Weimar zu holen oder
dort zu halten. Als Neuerer hatte er viele Kämpfe
durchzustehen; wenn er auch dem "Alten", etwa in Form von
Maskenzügen, nicht abgeneigt war, so galt es für ihn
doch, das Theater den Bedürfnissen anspruchsvoller
Stücke anzupassen. Dazu gehörten zunächst
die Einhaltung des Textes, später die Einführung des
Versdramas (die ganz wesentlich der überaus fruchtbaren
Zusammenarbeit mit Schiller
entsprang) und in dessen Zuge die
Entdeckung des Rhythmus in der Sprache fürs Theater. Auch
wurde der kultivierende, erzieherische Wert des Theaters zunehmend
betont. Goethes Schaffen fiel zudem in jene Zeit, als man sich vom
Französischen als ausschließliche Hofsprache
abkehrte und französische und italienische Stücke
sowie Shakespeare-Dramen in deutscher Übersetzung spielte.
Insofern öffnete sich ihm hier ein weites
Betätigungsfeld.
Als Goethe mit den Jahren (noch) schwieriger wurde und ihn der Tod
seiner Frau, vieler Freunde und seiner Förderer am Hof in die
Einsamkeit drängten, gab er schließlich 1817 im Zuge
einer jahrelang gegen ihn betriebenen Intrige sein Intendantenamt ab.
In der Folge verkam Weimar wieder zu einem Provinztheater.
Es gelingt Dietrich Fischer-Dieskau, mit diesem Buch eine neuartige
Goethe-Biografie vorzulegen, indem er, wie erwähnt, eine
selten angeleuchtete Facette von Goethes Schaffen betont. Der Leser
erhält einen spannenden Einblick in die Welt des Theaters vor
über 200 Jahren und Goethes herausragende Rolle in dessen
Entwicklung hin zu dem, was wir heute darunter verstehen. Zugleich
zeigt sich, wie intensiv Goethes praktische Arbeit als Theatermann sein
Dramenwerk beeinflusste und umgekehrt, und auch Schillers Rolle
erfährt gebührende Würdigung. Doch auch
folgenschwere Feindschaften, etwa jene gegenüber Kotzebue, und
Fehleinschätzungen - Goethe erkannte zum Beispiel
Kleists Wert
nicht - lässt der Autor nicht unerwähnt. Dem
Sänger Fischer-Dieskau ist
Goethes
Verhältnis zur
Oper, die damals noch sehr eng mit dem Sprechtheater
verbunden war,
natürlich ein besonderes Anliegen. Auch sie erfuhr ja zu
Goethes Zeit eine Weiterentwicklung. Goethe hatte den Mut, den Schritt
vom Singspiel zur Mozart-Oper zu wagen, und erkannte Mozarts
großes Talent. Goethes Zusammenarbeit mit Komponisten erwies
sich als weniger erfolgreich.
Der Autor lässt natürlich auch Goethes "allgemeine"
Biografie mit einfließen, die politischen Geschäfte,
die in Weimar eigentlich seine Hauptaufgabe waren, die kriegerischen
Wirren, das höfische Leben mit seinen Fallstricken, seine
Freund- und Feindschaften mit bedeutenden Männern seiner Zeit
und seine lange Zeit "wilde" Ehe mit Christiane Vulpius - damals ein
enormer Skandal. Fischer-Dieskau stellt all dies hinreichend
ausführlich und detailliert, jedoch nie ausschweifend oder gar
langweilig dar; das Buch ist trotz seiner inhaltlichen Dichte sehr
angenehm zu lesen.
In der Mitte des Buchs befinden sich einige Seiten mit Abbildungen der
bedeutenden Persönlichkeiten um Goethe. Literaturhinweise, ein
Namenregister und ein umfassendes Register der dramatischen Werke
ermöglichen ein komfortables Nachschlagen einzelner Fakten.
Das Buch ist eine wahre Fundgrube für Freunde von Goethe, des
Theaters und durchaus auch der so genannten klassischen Musik und
bietet auch dem allgemein an Geschichte Interessierten so manchen
ungewöhnlichen Einblick!
(Regina Károlyi; 11/2006)
Dietrich
Fischer-Dieskau: "Goethe als Intendant. Theaterleidenschaften
im klassischen Weimar"
dtv, 2006. 495 Seiten.
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Weitere Buchtipps:
Carsten Rohde: "Spiegeln und Schweben. Goethes autobiografisches
Schreiben"
Erstmals werden sämtliche biografische und autobiografische
Schriften Goethes systematisch untersucht.
"Es gibt in der Weltliteratur neben
Goethes Lyrik
andere
große Lyrik:
Petrarca,
Hölderlin;
neben Goethes Dramen gibt es andere und zum Teil
größere Dramatiker:
Sophokles,
Shakespeare;
und es gibt neben Goethes Romanen andere große Romane
von
Cervantes bis
Tolstoi.
Aber es gibt in der Weltliteratur keine
größere Autobiografie." Mit diesen Worten hob einmal
Erich Trunz den einzigartigen Charakter von Goethes autobiografischem
Werk hervor.
Carsten Rohde untersucht nicht nur bekannte Texte wie "Dichtung und
Wahrheit" und die "Italienische
Reise". Vielmehr findet sich in Goethes Werk eine
Fülle von weiteren autobiografischen und biografischen
Schriften: "Sanct Rochus-Fest zu Bingen", "Tag- und Jahreshefte",
"Winkelmann
und sein Jahrhundert" (um nur einige zu nennen). Hinzu
kommen berühmte Briefwechsel, umfangreiche Tagebücher
und Gespräche. Am Leitfaden von vier großen Epochen
seines autobiographischen Schreibens (Symbolisches Dasein
Stellvertretende Lebensläufe Dichtung und Wahrheit
Wiederholte Spiegelungen) führt Rohde durch dieses
Werk und lässt den Leser teilhaben an einer
Erzählung, die identisch ist mit der faszinierenden, weil
vielschichtigen und kunstvoll inszenierten Geschichte von Goethes
lebenslanger Arbeit am Selbst. (Wallstein Verlag)
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Karl Otto Conrady: "Goethe. Leben und Werk"
Karl Otto Conradys viel gerühmte umfassende Goethe-Biografie
erschöpft sich nicht nur in der Schilderung von Goethes Leben,
sondern bietet auch zahlreiche interessante Werkinterpretationen. So
entsteht ein Buch von erzählerischer Sensibilität,
das den Leser durch seine große Anschaulichkeit fesselt. Es
versetzt ihn in die Lage, die Höhepunkte und Krisen in Goethes
Leben aus der Nähe zu erfahren, sich mit seinen Briefen,
Tagebüchern und seinem persönlichen Lebensbericht
vertraut zu machen, seine Freunde und Zeitgenossen kennen zu lernen und
die Fülle seines dichterischen, wissenschaftlichen und
politischen Wirkens zu überblicken. (Patmos)
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Sigrid
Damm: "Christiane und Goethe. Eine Recherche"
Als die 41jährige Christiane Vulpius und der
57jährige Johann Wolfgang Goethe am 19. Oktober 1806 in der
Sakristei der Jakobskirche zu Weimar getraut werden, leben beide schon
18 Jahre lang in freier Liebe zusammen. Christiane hat fünf
außereheliche Kinder geboren, von denen allein der
erstgeborene Sohn August noch lebt. Goethe hatte ihn 1801 als seinen
Sohn legitimiert, nun also wird auch Christiane Goethes Namen tragen,
wird "die Geheime Räthin", später die "Frau
Staatsministerin" werden.
Nach ihrem frühen Tod am 6. Juni 1816 wird Goethe
über die achtundzwanzig gemeinsamen Jahre zeitlebens
schweigen. Viele Dokumente ihrer Beziehung hatte er ohnehin schon 1797
verbrannt. Die gehässigen Urteile Dritter - die
gehässigsten stammen von Goethe-Verehrern - werden das Bild
Christianes mehr und mehr verzeichnen; Thomas Mann wird sie "un bel
pezzo di carne" nennen, ein schönes Stück Fleisch,
"gründlich ungebildet".
Nach einer aufwändigen Spurensuche, bei der sie in
Nachlässen, Kirchenbüchern und amtlichen Dokumenten
auf erstaunliche Zeugnisse gestoßen ist, vermittelt Sigrid
Damm ein Bild von Christiane, von ihrer Herkunft und Kindheit, ihrem
Leben an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in Weimar, von ihren
gemeinsamen Jahren mit Goethe, das ausschließlich auf
Tatsachen beruht. Auf Fiktionen, das Ausfüllen von Leerstellen
durch erzählerische Fantasie verzichtend, erzählt sie
einfühlsam und voller Sympathie für die Frau wie
für den auf seine Freiräume bedacht sein
müssenden Künstler von den Höhen und Tiefen
eines außergewöhnlichen Lebens. Wo immer es
möglich ist, lässt sie Christiane selbst sprechen -
eine Frau mit einer erstaunlich direkten Sprache für ihren
Körper, ihre Weiblichkeit, ihre Sexualität, eine
Frau, die unablässig tätig ist, zuständig
für zwei Haushalte, ein Landgut, zwei Gärten; die
Erbschaftsangelegenheiten erledigt und Geldgeschäfte
tätigt. Sie kann einen Schlitten kutschieren. Sie geht allein
auf Reisen, trägt zwei Pistolen bei sich. Sie isst gern,
trinkt gern, am liebsten Champagner. Sie tanzt ausgezeichnet, als
Fünfundvierzigjährige nimmt sie noch bei einem
Tanzmeister Unterricht. Sie liebt die Komödie, weniger das
Lesen. Heiter ist sie, witzig, stets gutgelaunt. Und sie ist eine Frau,
die unter dem Tod ihrer Kinder leidet, die lebenslang von Krankheiten
gequält wird, Bluthochdruck, Nierenprobleme. Die das Altwerden
zu fürchten hat. Die ständig überfordert
ist, weil sie eine Rolle spielen muss, für die niemand ihr den
Text vorgibt, und dennoch hat sie Tag für Tag die
Bühne zu betreten, für die sie nicht geschaffen ist.
Mit diesem Lebensbild Christianes gelingt Sigrid Damm zugleich das Bild
einer spannungsvollen Partnerschaft und darüber hinaus eine
überraschend neue Einblicke vermittelnde Darstellung von
Goethes Lebensalltag in den Jahren 1788 bis 1816, von den
Entstehungsbedingungen seines Werkes in dieser Zeit und von seinem
Verhältnis zu Frauen.
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Peter Braun: "Corona Schröter. Goethes
heimliche Liebe. Biografie"
Corona Schröter (1751-1802) war eine der gefeiertsten
Sängerinnen ihrer Zeit und eine gefragte Schauspielerin, die
als erste Goethes Iphigenie verkörperte. Außerdem
malte und komponierte sie und war eine vielbewunderte, allseits
umworbene Frau, bekannt und befreundet mit den wichtigsten
Größen des Leipziger und Weimarer Kulturlebens.
Schon früh holte Goethe sie an den Weimarer Hof, wo sie als
Künstlerin und Muse eine erstaunliche, auch emanzipatorische
Wirkung entfaltete. Dennoch ist wenig aus ihrem Leben bekannt.
Viele Dokumente sind vernichtet. Behutsam nähert sich Braun
den zahlreichen offenen Fragen - War sie
Goethes Geliebte?
- und
liefert in dieser Lebensbeschreibung einer
außergewöhnlichen Persönlichkeit zugleich
ein bewegendes Bild der Epoche.
Die Lebensbeschreibung der legendären Künstlerin und
Muse. Im Anhang: Sämtliche Briefe und eine Auswahl der
Liedkompositionen, darunter die erste Vertonung von Goethes
"Erlkönig." (Artemis & Winkler)
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Christiana Engelmann, Claudia
Kaiser, Cornelia Gyárfás:
"Möglichst Goethe" zur Rezension ...
Ab 14 Jahre. Leben und Werk eines der
größten deutschsprachigen Dichter
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