Marshall B. Rosenberg: "Gewaltfreie Kommunikation"

Aufrichtig und einfühlsam miteinander sprechen
Neue Wege in der Mediation und im Umgang mit Konflikten


Wir sind es gewohnt, Urteile über Andere zu fällen; ein Tatbestand, der uns meist nicht bewusst ist und doch Tag für Tag stattfindet. Fahren wir mit dem Auto, so regen wir uns über die Fahrer auf, die nicht so fahren, wie wir es wollen. Verhalten sich unsere Kinder nicht folgsam, so bezeichnen wir sie als schlecht, faul oder ungezogen. Haben wir Probleme in der Arbeit mit Vorgesetzten und Kollegen, urteilen wir in ähnlicher Weise. All dieses Denken hilft, eine Welt von Gut und Böse aufrecht zu erhalten, da wir die Handlungen unserer Mitmenschen sowie unsere eigenen in böse und gute Taten zerlegen. Während es viele Wege in Religionen und Philosophien gibt, die von diesem Weg abweichen wollen, ist es nichts wesentlich Neues, wenn Marshall B. Rosenberg einen Weg der Kommunikation und des Denkens aufzeigt, mit dessen Hilfe wir das Schwarzweißdenken hinter uns lassen können. Jedoch beschreitet der Autor einen Weg abseits von - wenn auch eng verbunden mit - Meditation und Philosophie und wendet sich in seinem Buch ganz konkret unserer Weise zu denken zu. Dr. Marshall B. Rosenberg kann auf über dreißig Jahre zurückblicken, in denen er diese Methode entwickelt, bei seiner Arbeit als klinischer Psychologe und als Konfliktmediator international angewendet und in vielen Seminaren weitergegeben hat.

Die Methode wird von Rosenberg als gewaltfreie Kommunikation (in der Folge abgekürzt als GFK) bezeichnet und gründet sich auf sprachliche und kommunikative Fähigkeiten, die die Möglichkeiten erweitern, selbst unter herausfordernden Umständen menschlich zu bleiben. Anstatt uns gewohnheitsmäßigen, automatischen Reaktionen hinzugeben, mit denen wir andere verurteilen und bewerten, kommen wir in die Lage, bewusste Antworten zu finden, die darauf beruhen, was wir wahrnehmen, fühlen und brauchen. Somit werden wir angeregt, uns ehrlich und klar auszudrücken und gleichzeitig anderen Menschen unsere respektvolle und einfühlsame Aufmerksamkeit zu schenken. Die GFK ist eine Methode mit Anderen zu kommunizieren, auch wenn diese weder diese Methode kennen noch die Absicht haben, sich im Kontakt mit uns einfühlsam zu verhalten, was durch viele Beispiele im Buch auch deutlich gezeigt wird.

Die Methode der gewaltfreien Kommunikation beruht auf vier Komponenten: die Beobachtung, was tatsächlich geschieht, die Gefühle, die wir dabei empfinden, die Bedürfnisse, die hinter diesen Gefühlen stehen, und Bitten, die wir an unser Gegenüber richten.

Zur ersten Komponente gehört das Auseinanderhalten von Beobachtung und Bewertung, wobei nicht verlangt wird, dass wir uns jeglicher Bewertung enthalten, sondern diese sauber von der Beobachtung trennen. Dabei ist es auch wichtig, die Beobachtung konkret zu formulieren und nicht allgemein zu halten. Sprechen wir eine Beobachtung verknüpft mit einer Bewertung aus, so hört unser Gegenüber nur allzu leicht eine Kritik heraus. Und werden wir kritisiert, nehmen wir schnell eine Abwehrposition ein, die es uns nicht mehr möglich macht, das zu hören, was der Andere uns eigentlich sagen wollte. An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass bereits Krishnamurti, ein indischer Philosoph, meinte, dass es die höchste Form menschlicher Intelligenz sei, zu beobachten ohne zu bewerten, ein Gedanke, der sich auch in der Zen-Meditation wiederfindet.

Die zweite Komponente der GFK sind die Gefühle, die wir empfinden, wenn wir eine konkrete Situation erleben; übernehmen wir die Verantwortung für unsere eigenen Gefühle, mit dem Bewusstsein, diese niemals auf Kosten Anderer erfüllen zu können. Das sieht dann so aus, dass wir klar aussprechen, was wir brauchen, aber auf eine Weise, die deutlich macht, dass uns die Bedürfniserfüllung anderer Menschen ebenso am Herzen liegt.

Die vierte Komponente der GFK beschäftigt sich mit der Frage, um was wir einander bitten möchten, damit sich die Lebensqualität eines jeden Einzelnen verbessert. Bei diesen Bitten müssen wir vage, abstrakte oder zweideutige Formulierungen vermeiden und eine positive Handlungssprache benutzen, indem wir ausdrücken, was wir wollen - konkrete Tätigkeiten, die Andere auch wirklich ausführen können - und nicht, was wir nicht wollen, was Andere nicht tun sollen. Diese Bitten können leicht wie Forderungen klingen, wenn wir nicht gleichzeitig unsere Gefühle und Bedürfnisse ausdrücken, die mit der Bitte verknüpft sind. Bitten werden auch als Forderungen aufgefasst, wenn der Andere davon ausgeht, dass er bestraft oder beschuldigt wird, wenn er nicht zustimmt, und deshalb sollten wir deutlich machen, dass wir die Zustimmung nur dann möchten, wenn sie freiwillig gegeben wird. Wollen wir nur unseren Willen durchsetzen und keine Beziehungen aufbauen, deren Basis Offenheit und Mitgefühl sind, dann ist die GFK nicht das geeignete Werkzeug.

In einem weiteren Schritt können die vier Komponenten der GFK auch auf andere Menschen angewendet werden, dabei handelt es sich darum, Andere empathisch aufzunehmen. Empathie bedeutet ein respektvolles Verstehen der Erfahrungen anderer Menschen, was jedoch voraussetzt, dass wir alle vorgefassten Meinungen und Urteile über sie abgelegt haben. Empathie heißt, einfach da zu sein, den Verstand leer zu machen und mit dem ganzen Wesen zuzuhören. Und so hören wir im Sinne der GFK darauf, was der Andere beobachtet, fühlt, braucht und erbittet. Darüber hinaus zeigt Rosenberg, wie man mit dieser Methode seinen Ärger vollständig ausdrücken, sich von alten Mustern, die dafür sorgen, dass wir uns unsere Bedürfnisse nicht erfüllen, befreien und Wertschätzung und Anerkennung aussprechen kann.

Dass das Buch stellenweise esoterisch anmutet, lässt sich darauf zurückführen, dass diese Art der Kommunikation eng mit buddhistischem Gedankengut verwandt ist, was der wissenschaftlichen Fundierung jedoch keinerlei Abbruch tut. Manches Mal wirkt Rosenberg auch präpotent, wenn er darstellt, wie er versucht, anderen Menschen seine Methode förmlich aufzuzwingen, sie dazu bringt, seine Sprachmuster zu verwenden. Aber gleichzeitig gibt er die vielen Fehler zu, die er selbst auf seinem Weg immer wieder gemacht hat, sei es im beruflichen wie auch im familiären Kontext. Da das Buch einfach und gut verständlich geschrieben ist, eignet es sich sowohl für professionelle Berater - Psychologen, Ärzte, Psychotherapeuten, Sozialarbeiter, Mediatoren, etc. - als auch für den Laien, der wertvolle Hilfe für alltägliche Probleme im Umgang mit seinen Mitmenschen bekommen kann.

Dr. Marshall B. Rosenberg ist international bekannt als Konfliktmediator und Gründer des internationalen Center for Nonviolent Communication in den USA. Die von ihm entwickelte Methode der Gewaltfreien Kommunikation hat sich als machtvolles Werkzeug herausgestellt, um Differenzen auf persönlichem, beruflichem und politischem Gebiet friedlich zu lösen. In den letzten dreißig Jahren hat Dr. Rosenberg die Gewaltfreie Kommunikation in mehr als zwei Dutzend Ländern an Ausbilder, Schüler, Studenten, Eltern, Manager, medizinisches und psychologisches Fachpersonal, Militärs, Friedensaktivisten, Anwälte, Gefangene, Polizisten und Geistliche weitergegeben.

Derzeit lebt Dr. Rosenberg in Wasserfallen in der Schweiz. Er lehrt in Europa und den USA, reist regelmäßig in die Krisengebiete in Afrika, Osteuropa und den Mittleren Osten, wo er Ausbildungen und Konfliktmediationen anbietet.

(Dr. Hans-Peter Oberdorfer; 06/2003)


Marshall B. Rosenberg: "Gewaltfreie Kommunikation"
(Originaltitel: "Nonviolent Communication")
Junfermann, 2001. 208 Seiten. 
ISBN 3-8738-7454-7.
ca. EUR 18,-.
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