Manfred Riedel: "Geheimes Deutschland"
Stefan George und die Brüder Stauffenberg
Geschichte
aus Gedichten
Hier geht es um 'Stefan George und die Brüder Stauffenberg'
(Untertitel), welche zwischen 1923 und 1933 miteinander bekannt waren.
Das Buch verfolgt "anhand bislang unbekannter Gestapo-Akten zum 20.
Juli 1944 die Verflechtungen des George-Nachlasswerkes mit den
Lebensschicksalen aller drei Stauffenbergbrüder", deren
Handeln "in der klassisch-humanistischen und christlichen
Überlieferung" verankert ist (vgl. Klappentext). Riedel
möchte offensichtlich an
Claus Graf von Stauffenberg und
seinem Attentat die positive Wirkungskraft des George-Kreises
demonstrieren und womöglich daraus Ideen für das
heutige Deutschland und Europa folgern. Georges geistige Welt speiste
sich vornehmlich aus der griechischen Antike,
Hölderlin
- als
dessen Nachfolger George sich verstand - und
Nietzsche. Indem er
diese
und weitere Bezüge herausarbeitet, verklärt Riedel
allerdings George als "Seelenführer" - dabei wird allerdings
(polemisch?) kolportiert, dass die damalige Zugehörigkeit zum
elitären George-Kreis eher eine seelische Vergewaltigung
bedeutete.
Der "Meister" - wie sich George gern titulieren ließ - wobei
er selbst hinwiederum bei seinem Paris-Aufenthalt Stéphane
Mallarmé "Meister" nannte - war dem l'art pour
l'art-Gedanken verfallen, er umgab sich gern mit jungen
Männern - wobei homophile Neigungen durchaus eine Rolle
spielten - Claus Stauffenberg kam mit 16 dazu. Das Verhältnis
zwischen George und C. Stauffenberg zeigt u.a., dass spirituelle und
mythologische Motive sowohl in die NS-Ideologie als auch in den
Widerstand hineinspielten. Indem C. Stauffenberg Georges Idee vom
neuen, elitären 'Geheimen Deutschland' anhing, speiste sich
hieraus seine Mission - obwohl er andererseits
Hitlers Armee
angehörte. Irritierend ist auch, dass
Himmler und C.
Stauffenberg beide die Ideale eines "spirituellen Kriegertums" liebten.
Heldisch-idealistische Gesinnung, Pathos und Beschwörung von
Selbstlosigkeit und Tapferkeit waren zentrale Elemente im George-Kreis.
C. Stauffenberg hatte übrigens George gegenüber dem
Propagandaministerium in Schutz genommen, als das antisemitische
Hetzblatt 'Der Stürmer' Georges Dichtung als
"jüdischen Dadaismus" denunzierte.
Riedel versucht nachzuweisen, dass Georges Dichtung und C.
Stauffenbergs Handeln von europäischem Geist geprägt
waren - was allerdings bei C. Stauffenberg so hieß: "Wir
wissen im Deutschen die Kräfte, die ihn berufen, die
Gemeinschaft der abendländischen Völker zu
schönerem Leben zu führen." Er war nämlich
der Auffassung, dass der öffentlich handelnde Mensch erst
durch den Dichter sehend für das Verborgene werde -
möglicherweise drückt sich darin auch ein gewisses
Defizit an
politischer
Urteilskraft aus. C. Stauffenberg schrieb
übrigens auch selbst Gedichte in Georgischer Manier.
Den vorliegenden Band könnte man als Geschichts- und
Gedichtbuch bezeichnen, wobei die Deutung von Georges
visionärem Gedicht 'Geheimes Deutschland' im Zentrum steht.
Deutlich wird, dass die Stauffenberg-Brüder über ihre
Hölderlin-Verehrung zum George-Kreis fanden. Es ist kaum zu
glauben, dass C. Stauffenbergs Attentat durch George inspiriert, aus
dem Geiste Hölderlins motiviert gewesen sein sollte: "Nun! Sei
gegrüßt in deinem Adel, mein Vaterland, / Mit neuem
Namen, reifeste Frucht der Zeit" (Hölderlin, Gesang des
Deutschen). George sieht das Geistige durch die Maschinen und die
Kriegstechnik gefährdet und er fürchtet den angeblich
von Russland erzeugten "Kollektivmenschen". Die künstlerische
Gegenwehr besteht darin, dass man sich in bewusst gewählter
Vereinsamung der städtisch-zivilisatorischen "Erniedrigung des
Herzens" erwehrt.
Max Weber
bescheinigte George, er fasse seinen Dichterberuf als
Prophetenamt auf. Dabei hatte George nach anfänglichen
Widerständen doch Platons Staatsutopie 'Politeia'
als Ideal, wo es keinesfalls schlichte Demokratie, sondern bewusste
Rangunterschiede gibt - denn George war weder Demokrat, noch Sozialist,
noch Nationalist. Er war ein Künder des "geistigen Einswerdens
mit Hesperion oder dem Abendland", ein Sänger der Erhabenheit
- er der im Dezember 1933 verstarb und die Regentschaft des
nationalsozialistischen Ungeistes nicht mehr miterleben musste - die
Entzauberung der Welt, die Herrschaft des Barbarentums - das Scheitern
des "Neuen Reichs", des Geistes. Nach dem gescheiterten Attentat ehrte
übrigens der Weggefährte Georges Karl Wolfskehl die
Brüder Stauffenberg mit Versen im Ton seines Meisters: "Geist
und Reich und Zeit geweiht ..."
Bereits im Jahre 1924 hatte C. Stauffenberg in einem Brief an George
gestanden, dass ihn dessen Werk "erschüttert" und
"wachgerüttelt" habe - und er signalisiert seine
"Tatbereitschaft" im Dienste des "Geheimen Deutschlands". George
verweigerte die ihm im Frühjahr 1933 vom Kultusminister
angetragene Präsidentschaft der Dichterakademie und zog in die
Schweiz - wohin ihn die Stauffenberg-Brüder begleiteten.
Riedel meint dazu: "In George hatten alle drei ihren Musageten
gefunden: einen Seelenführer im kultischen Wortsinn und
Kulturbringer zugleich, der sie gegen den nationalsozialistischen
Führerkult immunisierte." In diesem Sinne ist das vorliegende
Buch eine Geschichtsinterpretation aus Gedichten, eine doch diffizile
Analyse des Zusammenwirkens von hymnischer Dichtung und politischer
Handlung. Wenn das doch einmal ein Beweis dafür wäre,
dass Literatur eben doch eine Wirkung auf das praktische Leben
auszuüben vermag! Der 'totgesagte park' bedurfte eben
seinerzeit des Zusammenwirkens von Geist und Tat.
(KS; 10/2006)
Manfred
Riedel: "Geheimes Deutschland. Stefan George und die Brüder
Stauffenberg"
Böhlau Verlag Köln, 2006. 267 Seiten.
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Aus "Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde"
von Klabund:
"Du sprichst mir nicht von Sünde oder Sitte."
In einem seiner ersten Gedichte versteigt er sich bis zur Apotheose der
Ausschweifung: im Heliogabal. Aber immer reiner klärt sich
seine Welt: bis das Jahr der Seele herrlich sichtbar wird, der Teppich
des Lebens sich vor ihm breitet, der Engel ihm den Weg weist und der
Stern des Bundes magisch erblinkt. Stefan George begann als
Fackelträger des reinen Wortes in einer Zeit, die das Wort
verunreinigte und beschmutzte, er schritt fort in einer Zeit, die
verschwelt und rauchig loht, die zu Baal und Beelzebub betet, die kein
Sonnengold, nur ein Geldgold kennt, die alles "zweckmäßig"
einrichtet und als Ziel die Zweckmäßigkeit
postuliert oder die Ziellosigkeit an sich. Die geistige und moralische
Begriffe verwechselt und ein politisches Parteiprogramm von Spinozas
Ethik nicht zu unterscheiden vermag. Sie hat auch bei George
gebändigte Leidenschaft mit Temperamentlosigkeit, die
Gebärde des echten Priesters mit den
Tingeltangelallüren ihrer geistigen Charlatane, die gekonnte
Kunst mit gemachter Mache verwechselt. Sei’s. Die
Weltgeschichte ist auch das Weltgedicht: einige der schönsten
Strophen dieses Gedichtes hat Stefan George gesungen.
Aus dem Kreise Georges sind als Dichter vom Rang Hugo von Hofmannsthal
(geb. 1874 in Wien) und
Rainer
Maria Rilke (geb. in Prag 1875)
hervorgegangen. (...)
Die "ersten Hergereiften", die der kommenden
deutschen Dichtergeneration die neuen Lieder lehrten, waren Nietzsche
und George.
Weitere Buchtipps:
Bernhard v. Böschenstein, Jürgen Egyptien, Bertram
Schefold, Wolfgang Vitzthum (Hrsg.):
"Wissenschaftler im George-Kreis. Die Welt des Dichters und der Beruf
der Wissenschaft"
Stefan George ist einer der bedeutendsten deutschen Lyriker des 20.
Jahrhunderts. Über seine Dichtung hinaus hatte er mit seiner
mythisch-aristokratischen Kunst-, Gesellschafts- und Lebensauffassung,
besonders über die Mitglieder seines 'Kreises' (Bertram,
Curtius, Gundolf, Hildebrandt, Kommerell, von Uxkull), erheblichen
Einfluss auf verschiedene Wissenschaftsdisziplinen, u. a. die
Literaturwissenschaft, die Pädagogik, die Rechts- und
Geschichtswissenschaft und die Altertumswissenschaft. Georges Einfluss
auf die Geisteswissenschaften und das intellektuelle Leben in der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kann kaum
überschätzt werden. Der kompendienhafte Band
versammelt Beiträge namhafter George-Forscher, die sich dem
Einfluss des George-Kreises auf die verschiedenen Wissenschaften
widmen. (Walter de Gruyter Verlag)
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Stefan George: "Der Teppich des Lebens und die
Lieder von Traum und Tod mit einem Vorspiel"
Mit dem Faksimile wird ein sehr seltenes Manuskript
zugänglich, das sogenannte "handgeschriebene buch" zum
"Teppich des Lebens".
George richtete dieses Manuskript als Heft für die 64 Gedichte
ein, die er, in drei Zyklen gegliedert, für sein
fünftes Gedichtwerk vorgesehen hatte. Es sollte die
kalligrafisch gestaltete Vorlage des Erstdrucks werden. Doch fand er
während der Ausarbeitung so viel zu ändern, am Text
der Gedichte, insbesondere aber am Aufbau der Zyklen, dass die
vorgesehene Druckvorlage zu einer intensiv genutzten Arbeitsunterlage
geriet, die die Annäherungen an die endgültige
Fassung des "Teppichs" mit 72 Gedichten dokumentiert. Dem Faksimile der
Handschrift ist ein Begleitband beigegeben, in dem die Befunde, die an
der Handschrift zu erheben sind, geklärt und die Geschichte
des außergewöhnlichen Manuskripts, die
Charakteristika der Niederschriften und deren Überarbeitungen
sowie die Umgestaltungen der Zyklen dargestellt werden. Die Edition ist
für den Liebhaber ebenso von Interesse wie für die
George-Philologie; dem Betrachter des Faksimiles ermöglicht
sie Einblick in die Arbeit des Dichters, dem Philologen
eröffnet sie erstmals Erkenntnisse über die Genese
der Zyklen, deren Bedeutung für Georges Hauptwerk bisher in
Ermangelung solcher Quellen wie dieses Manuskript nicht ausreichend
untersucht worden ist. (Klett-Cotta)
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Stefan George: "Gedichte"
Sämtliche Gedichte, einschließlich der Prosaskizzen
der "Tage und Taten" als Dünndruckband. Wiederzuentdecken ist
das erstaunlich zeitlos gebliebene, die deutsche Sprache zu ihrer
äußersten Höhe führende Werk eines
Dichters, der viele Leser tief berührte. (Klett-Cotta)
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Stefan George: "Gedichte"
Diese Leseausgabe verzichtet bewusst auf Glorifizierung (wie sie von
Seiten Georges selbst und seines Kreises vorgenommen wurde) und lenkt
in einem umfassenden Kommentar das Augenmerk auf die Machart der
Gedichte: ihren Formenreichtum, ihre Ausdrucksvielfalt, ihre
sprachliche Finesse. Die hier getroffene
Auswahl
zeigt Georges Schaffen
in allen Phasen und Facetten; sie gibt darüber hinaus auch
einen Einblick in das große Übersetzerwerk. (Reclam)
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Stefan George: "Das Jahr der Seele"
Stefan George haftet der Ruf des esoterischen Dichters an, dessen
Poesie sich fremdartig raunend einem größeren
Publikum verschließt. Seine berühmteste Sammlung von
1897 lehrt den vorurteilsfreien Leser das Gegenteil. "Komm in den
totgesagten park und schau:" - möchte man mit der ersten
Gedichtzeile allen zurufen, denn niemand sollte sich diese
Höhepunkte deutschsprachiger Poesie entgehen lassen. In der
typisch georgeschen Kleinschreibung mit eigenwilliger Interpunktion
warten insgesamt 98 Gedichte auf ihre Neu- und Wiederentdeckung. (dtv)
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Stefan George: "Werke"
Fast siebzig Jahre nach dem Tod Stefan Georges erschien nach 1983 zum
zweiten Mal eine Taschenbuchausgabe seines Gesamtwerks bei dtv - ein
Nachdruck der vierten revidierten Auflage der berühmten
Küpper-Bondi-Ausgabe, die 1984 nunmehr bei Klett-Cotta
erschien. Ursprünglich von seinem Schüler und Erben
Robert Boehringer herausgegeben, zeigt der Nachdruck auch die
für Georges Werk eigens entwickelte Typografie und die dem
Dichter ästhetisch gewichtige Orthografie, allen voran die
konsequente Kleinschreibung. Diese neue Taschenbuchausgabe gibt damit
einem breiten Publikum wieder die Gelegenheit, einen der
großen deutschen Dichter der Moderne durch und in seinem Werk
kennen zu lernen. Dazu gehören nicht nur die wunderbaren und
äußerst kunstvollen georgeschen Gedichte selbst,
sondern auch die als einzigartig geltenden nachdichtenden
Übersetzungen ausgewählter Werke berühmter
Autoren wie etwa
Dante,
Shakespeare,
Baudelaire und Mallarmé. (dtv)
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