Wim Luijpers & Rudolf Nagiller: "Gentle
Running"
Laufen nach Feldenkrais
Laufen ist ein menschliches Urbedürfnis. Da der Mensch genetisch betrachtet ein Lauftier ist, lebt verkehrt, wer nicht läuft. Allein, die bloße Erkenntnis der natürlichen Bestimmung hat noch niemanden davor bewahrt, seine ganz persönliche Verfallsgeschichte fortzuschreiben. Der zeitgenössische Mensch ist seiner Körperlichkeit dermaßen entfremdet, sodass er jede Aufforderung zur Laufbewegung als Zumutung verkennen muss. Versucht er sich dann trotzdem als Läufer, so werden ihm die schlechten Gewohnheiten eingefleischter Bewegungsmuster jeden Anbeginn rasch wieder verleiden. Er läuft steif und mit Druck. Sein Laufstil ist im tragischen Sinne ein biografisches Abbild seiner fortschreitenden Entleibung. Der innere Zuchtmeister wird ihn wohl zu einer gewissen Regelmäßigkeit des Laufens zwingen, doch wird es eine Tortur bleiben, eine Pflichtübung, die man aus Gründen der Einsicht in die Notwendigkeit zähnebeißend hinter sich bringt. Solcherart wird man vielleicht Fitness und Gesundheit bis ins Alter bewahren und ebenso den Körper verjüngen. Doch die Lust an der Bewegung, die man an jedem herumtollenden Hund beobachten kann, wird einem fremd bleiben.
Dieser Misère setzt Wim Luijpers "Gentle Running" entgegen. "Gentle Running" versagt sich jeglichem Leistungsdenken. Hingegen ist wesentlich, dass die in einem jeden Körper schlummernde Bewegungslust langsam zum Leben erweckt wird. Bedeutend ist dabei einmal die Laufbewegung selbst. Diese kommt weniger aus den Beinen, sondern schonender aus dem starken Körperzentrum, dem Becken, samt Ausnutzung der Schwerkraft. Rollende Drehbewegungen des Beckens lassen den Läufer nach vorn gleiten. Geatmet wird durch die Nase. "Gentle Running" versteht sich als sinnliches Begreifen unserer Bewegungs- und Atemmechanik, als lustvolles Rollen mit dem Becken. Das mag lasziv klingen und ist vielleicht auch das Problem des nach wie vor prüden Europäers, der sich seines Beckens schämt, wenn es sich bewegt. Die Laufkraft kommt jedoch aus dem Becken und der Gegenbewegung des Oberkörpers. Den pendelnden Beinen bleibt gar nichts anderes übrig, als mitzulaufen. Die Verbindung zwischen Oberkörper und Unterkörper ist der Schlüssel zum guten Laufen. Wer jetzt auch noch die Schwerkraft ausnützt, indem er vorfallend läuft, wird schon bald ein Meister des Gentle Running sein.
Nebst der richtigen Lauf-Technik bedarf es auch der richtigen Einstellung zum Laufen. "Gentle Running" ist faules Laufen, ohne Selbstquälerei. Alleiniger Zweck ist die Freude an der Bewegung, die von poetischer Natur ist. Zeitloses Sich-treiben-Lassen als schöpferischer Selbstzweck. Dem Menschen wird solcherart ein Weg zurück zur Natur gewiesen. Die verschüttete Begabung sich lässig, flüssig, schwingend, tänzelnd und gefühlsbetont zu bewegen, soll freigelegt werden. Bewegung soll nicht länger eine Bewegung zur Erschöpfung sein, sondern ein lustbetontes sich Freilaufen. Die Erhaltung von Fitness und Jugendlichkeit ist lediglich erfreuliches Beiwerk, aber keineswegs Zweck von "Gentle Running".
Läufer, die sich erstmals an Gentle Running versuchen, werden möglicherweise deprimiert sein, wenn sie erkennen, wie verkümmert ihr Bewegungsablauf ist. Denn ist es nicht so, dass bei den wenigsten das Laufen wirklich aus dem ganzen Körper kommt. Der Prozess des Umprogrammierens im Kopf, des Überwindens eingefahrener Bewegungsmuster, mag nicht einfach sein, doch sollte man sich aus Sorge um das eigene Wohlbefinden darum bemühen. "Gentle Running" kann dabei helfen.
(haschu; 07/2001)
Wim Luijpers & Rudolf Nagiller: "Gentle Running"
Laufen
nach Feldenkrais.
NP BUCHVERLAG, 2001. 158 Seiten.
ISBN 3-85326-181-7.
ca.
EUR 17,90.
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