Wim Luijpers,
Rudolf Nagiller: "Gentle Moving. Bewegen nach Feldenkrais" Gentle
bewegst du dich, wenn du dich natürlich bewegst, so wie es in deiner Natur liegt.
Die Natur ist gentle.
(Zitat
aus "Gentle Moving") Nach ihrem viel beachteten
Erstling über die Kunst des richtigen Laufens - in Bezug auf behutsames, freundliches,
sanftes Laufen als
"Gentle Running" betitelt -
wendet sich das Autorenduo Wim Luijpers und Rudolf Nagiller nun mit einem Ratgeber
zur bewussten Ausführung von Alltagsbewegung an ein Publikum, das ob seiner zur
Selbsterkenntnis gebrachten Entleibungserfahrung an der Wiederentdeckung von Körperintelligenz
notgedrungen interessiert sein sollte. Wim Luijpers,
Jahrgang 1970, ist als Bewegungs- und Lauftrainer tätig. Er lebt abwechselnd im
Burgenland und in Griechenland. Rudolf
Nagiller wurde 1943 geboren. Er arbeitet als Journalist. Der passionierte Läufer
und Feldenkrais-Kenner lebt in Perchtoldsdorf bei Wien. (Harald Schulz; 05/2003) Wim Luijpers, Rudolf Nagiller: "Gentle Moving.
Bewegen nach Feldenkrais"
Entleibungserfahrung?! Gar wohl,
denn geht menschliches Leben in vielen Fällen nicht mit einem schleichenden Verlust
von Körperwahrnehmung einher? Und werden nicht alltägliche Verrichtungen üblich
in mehr oder minder dumpfer Halbbewusstheit, also auch recht fahrig beziehungsweise
fahrlässig, ausgeführt? Dergestalt als automatisierte Flüchtigkeiten, die, ihrer
Mangelhaftigkeit wegen, in Summe einen Rattenschwanz von körperlichen und seelischen
Beschwerden nach sich ziehen. In der Tat werden Bewegungsmuster in der Regel über
gesellschaftliche Vermittlung eingelernt, ja geradezu andressiert und in weiterer
Folge als fraglose Selbstverständlichkeiten des alltäglichen Lebensvollzugs gewohnheitsmäßig
ausgeführt. Und das ohne Bedachtnahme auf etwaige Folgeschäden. Ruhig sitzen,
wie es dem Schüler geboten ist, oder stramm stehen, wie beim Militär dem Rekruten
anbefohlen, mag beides der um Anpassung bemühten Person vielleicht als eine -
wenn auch zweifelhafte - Tugend angerechnet werden, dem Körper jedoch ist es ein
Schaden, weil weder ist ruhiges Sitzen natürlich, noch strammes Stehen der Anatomie
des Menschen gerecht. Und der Frauen Liebe zu ihren hohen Stöckeln wird mit ruinösen
Gesundheitsschäden erkauft, zu deren gewissenhafter und nicht ganz unpolemisch
dargebrachter Aufzählung sich Luijpers und Nagiller - bei allem offen bekundeten
Respekt vor der holden Weiblichkeit - nach reiflicher Überlegung doch entschlossen
haben. Stöckelschuhe mögen zwar trendig und wohl auch sexy sein, doch zum Gehen
eignen sie sich nicht.
Sich der körperlichen Selbstentfremdung gewahr zu
werden und aus dieser Erkenntnis die richtige Konsequenz zu ziehen, ist das erklärte
Anliegen von "Gentle Moving", einem von Wim Luijpers entwickelten Bewegungstraining,
das sich an der von Moshé Feldenkrais (1904-1984), einem israelischen Physiker,
begründeten Methode des dynamischen Körperlernens durch Selbsterfahrung orientiert.
Anhand einer Vielzahl praktischer Anleitungen sollen alltägliche Bewegungsfehler
erkannt und vermittels bewusster Übertreibung spürbar gemacht werden. Sodann werden
die empfohlenen Weisen des Stehens, Gehens, Atmens, Sitzens, und noch einiges
mehr, eingeübt, all dies in Hinblick auf die Verwirklichung von mehr Wohlbefinden
im Alltag.
"Gentle Moving" versteht sich somit als eine Reise zur Entdeckung des eigenen
Körpers, als eine durchdachte Methode zur Rückgewinnung einer unverkrampften
Körperlichkeit, die einen Zugewinn an Lebensfreude verheißt. In diesem Zusammenhang
kommt auch bissige Kritik an modischen oder immer schon kursierenden Praktiken
zur Sprache. So wird der in diesen Tagen so beliebten Leistungsschinderei in
Fitnesscentern schlichtweg das Merkmal des "gentle" abgesprochen, weil sportliche
Bewegung in erster Linie lustvoll und nicht etwa langweilig oder gar quälend
sein sollte. Ganzheitliches Wohlbefinden und nicht die Präsenz gestählter Athletik
sollte einem vernünftigen Begriff von Körperkultur allemal noch zugrunde liegen.
Sportliche Askese ist jedenfalls völlig verfehlt, denn in Bezug auf die erwünschte
Entwicklung von Fitness schlussendlich kontraproduktiv und dem Lebensgenuss
als eine Praxis der Selbstpeinigung sowieso abträglich. Fitness, Gesundheit
und eine gewisse Verjüngung des Körpers sind lediglich erfreuliche Nebenprodukte
einer sanften Bewegungskultur, die für sich jeglichen Leistungsdruck als schädlich
zurückweist. Der geistig-seelische Aspekt steht bei Luijpers im Vordergrund,
wie ja auch seine Methode des "Gentle Running" als ein eher meditatives Laufen
bzw. als ein "faules Ganzkörperlaufen, mit allen Gliedern, ohne Selbstquälerei"
zu begreifen ist. "Sorry, GENTLE RUNNING ist kein Sport; und schon gar kein
Leistungssport", wird Luijpers nicht müde zu betonen.
Umgangssprachlich verfasst, übersichtlich strukturiert, mit einer
Fülle von praktischen Anweisungen zur unmittelbaren Umsetzung angerissener Ideen,
erweist sich das gleichnamige Buch zu "Gentle Moving" als anregender Ratgeber
für Personen, denen es in ihrem Alltag um Lebenslust, bessere Ausstrahlung, Fitness,
Gesundheit und Prävention von Krankheit und Gelenksabnützung geht. Und wer sich
an dem allemal noch Glückseligkeit verströmenden Anblick des blonden Hünen Wim
Luijpers nicht stößt, sondern gar daran erfreut, der ist mit gezählten neunzehn
Stück ganzseitiger Porträtfotos und ungezählten kleinformatigeren Ablichtungen
des Laufgurus sicherlich gut bedient. Die hierbei offenbar angewandte Methode
bewusster Übertreibung droht in der Tat in einen Personenkult um den Lauftrainer
Luijpers auszuarten, dessen illustrative Selbstvermarktung in manchen Aspekten
beinahe schon messianische Züge annimmt, obgleich diese auch zuweilen in ihrer
Gestik an volkstümlichere Kulturträger von der Statur eines Hansi Hinterseer gemahnt.
Ein "Gentle Criticism" also, den man diesem ansonsten durchaus gelungenen Lebensstilratgeber
leider doch nicht ersparen kann. Wim Luijpers, der durch Fachkompetenz zu überzeugen
weiß, sollte es eigentlich nicht nötig haben, sein Äußeres in Manier einer Popdiva
oder eines um Gefolgschaft buhlenden Heilspredigers
zu prostituieren. Der geneigte Leser wäre jetzt jedoch schlecht beraten, sich
durch diesen etwas aufreizenden und sicherlich auch geschmäcklerischen Nebenaspekt
von der Lektüre dieses ansonsten ebenso gestalterisch ansprechenden wie wertvolles
Anwendungswissen vermittelnden Buches abschrecken zu lassen. Schließlich geht
es primär um mehr Lebensfreude im Alltag durch bewusstes Bewegen. Und dazu haben
das Autorenduo Luijpers und Nagiller doch einiges von inhaltlichem Gewicht beizutragen.
NP Verlag, 2003. 176 Seiten.
ISBN 3-85326-106-X.
ca. EUR 19,90.
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