Boris Barth: "Genozid"
Völkermord im 20. Jahrhundert
Geschichte - Theorien - Kontroversen
Instruktives Kurzsachbuch
Das 2006 erschienene Buch aus der Beck’schen Reihe befasst sich mit einer düsteren Thematik, dem Völkermord. Genozid gilt als das Verbrechen aller Verbrechen. Der Autor, ein Geschichtsprofessor der Universität Konstanz, stellt auf 209 Seiten dar, was unter diesem Begriff zu verstehen ist und was ihn von anderen Formen staatlicher Massengewalt unterscheidet. Seine Untersuchung veranschaulicht er mit historischen Beispielen wie dem Völkermord an den Armeniern, dem Holocaust und den Vorgängen 1994 in Ruanda. |
"Die Frage, was Völkermord ist, wird in der Literatur überaus kontrovers diskutiert. Dies überrascht nicht, weil es sich um ein relativ neuartiges Verbrechen handelt, das eine Fülle von bisher nur zum Teil geklärten ethischen, juristischen und historischen Fragen aufwirft. Wissenschaftler vieler Disziplinen bemühen sich darum, eine exakte Begrifflichkeit zu erarbeiten. Die interdisziplinäre Kooperation lässt allerdings bis heute zu wünschen übrig. In unterschiedlichen Sprachräumen und in einigen nationalen Diskursen existieren spezifische Forschungstraditionen, die einen konstruktiven Dialog erschweren. Die wissenschaftliche Diskussion wird häufig von politischen Interessen bestimmt. Darüber hinaus beherrscht im Nachhinein der latente Täter - Opfer Gegensatz häufig Struktur und Themen der Debatten. (...)" (Aus der Einleitung von Boris Barth) |
Boris
Barth diskutiert zudem Fälle des Genozidverdachts, zu denen
die stalinistischen Verbrechen, der Vernichtungskrieg in
Deutsch-Südwestafrika, die
Untaten
der Khmer Rouge Ende der
1970er Jahre sowie die Fälle von Indonesien (1965/66),
Ost-Timor (ab 1975), Äquatorial-Guinea (1974-79), Tibet (ab
1959) und die ethnischen Säuberungen
im ehemaligen Jugoslawien
in den 1990er Jahren zählen.
In einem anschließenden Kapitel erörtert der Autor
die Frühwarnsignale, durch die Genozid schon im Ansatz erkannt
und verhindert werden kann.
Das gut gegliederte mit einem ausführlichen
Fußnotenapparat untermauerte Buch gibt einen guten
Überblick über die verschiedensten Facetten der
Thematik. So gelingt es Barth beispielsweise auf knapp 17 Seiten sehr
eindrucksvoll, die wesentlichen Fakten des
Genozids an den
Armeniern einschließlich diverser
Rechtfertigungsversuche von
türkischer Seite darzustellen. Die Aufhellung dieses schwarzen
Kapitels der Menschheit ist um so verdienstvoller, als die
türkische Nichtanerkennung dieses Völkermordes sich
zum ernstzunehmenden Hindernis eines EU-Beitritts der Türkei
entwickelt und die Thematik erst jüngst mit dem Erlass eines
französischen Gesetzes kulminierte, das diese
Genozidableugnung unter Strafe stellte.
Ein Verzeichnis ausgewählter Literatur und ein
Personenregister runden den positiven Eindruck des handlichen Buches ab.
Fazit: Verdienstvolles, instruktives Sachbuch, dessen Lektüre
dem Interessierten nur wärmstens empfohlen werden kann.
(Dr. Matthias Korner; 01/2007)
Boris
Barth: "Genozid"
C.H. Beck, 2006. 209 Seiten.
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