Markus Hengstschläger: "Die Macht der Gene"

Schön wie Monroe, schlau wie Einstein


Mensch = Gemisch

'Schön wie die Monroe, schlau wie Einstein' (Untertitel) - man kennt das als Kalauer, dass einer von der guten Fee den Körper von Einstein und die Intelligenz der Monroe bekommt, als er sich wünschte, eine Kreuzung aus beiden zu werden. Eine der drängendsten Fragen der Menschheitsentwicklung ist die nach der Vererbung von Talenten und Eigenschaften bzw. deren Steuerbarkeit. Oder anders gewendet: "Warum spielen brasilianische Fußballer immer besser als österreichische (...) Wissen meine Gene, dass ich einmal Model, Politiker oder Serienkiller werde?" (vgl. Klappentext).

Prof. Dr. Hengstschläger wird mit seinen 38 Jahren bereits als einer der weltweit führenden Fachhumangenetiker angesehen - er ist u.a. auch Berater des Papstes. Erstaunlich mag die Erkenntnis sein, dass jeder Mensch ca. 30.000 - 40.000 Gene hat, überraschend dürfte die Feststellung sein: "Jeder Mensch auf dieser Welt besitzt die gleichen Gene, aber jeder hat ganz spezifische Varianten davon." Und jeder Mensch hat jedes Gen zweimal: einmal mütterlicherseits, einmal väterlicherseits. Der Mensch ist ein Produkt des Zufalls, was die Mischung seiner Gene angeht - und genau dadurch entsteht auch Individualität! Das sind übrigens Entdeckungen, die bereits im 19. Jahrhundert von einem gewissen Gregor Mendel gemacht wurden. Wenn man noch bedenkt, dass man Merkmale oder Erkrankungen von seinen Eltern erben kann, obwohl diese sie gar nicht haben, dann beweist dies die Existenz schlummernder Anlagen von vorherigen Generationen.

Was spektakulär klingt - jeder Mensch ist ein Mutant - ist ganz normal: denn Evolution ist Mutation - und der Mensch ist ein Produkt aus Genetik und Umwelt. Wir wissen seit Charles Darwin (bekanntermaßen auch 19. Jahrhundert), dass Selektionen stattfinden, für die eine Spezies evolutiv zum Vorteil, für die andere zum Nachteil. Daraus ergeben sich die Fragestellungen, wieviel Eltern über die Gene ihrer zu gebärenden Kinder wissen sollten und was man als krank bzw. gesund definiert. Erschreckend oder entlastend ist die These, dass "Trinkgewohnheiten von Menschen bis zu einem gewissen Grad in ihren Genen verankert" sind. Noch kniffliger wird die Beschäftigung mit der Gentherapie: kann man einem Menschen eine gewünschte Genvariante verabreichen?! Ganz klar steht die Aussage Hengstschlägers: "Die Gentherapie ist das wahrscheinlich zukunftsträchtigste Gebiet" der Humanwissenschaften.

Interessant können natürlich auch Fragen sein, ob musikalisches Talent oder kriminelle Energie genetisch bedingt sind - oder Sportlichkeit - oder Homosexualität - wobei ein "Anti-Aging"-Gen womöglich das begehrteste Erbgut sein könnte. Nun, mit nachlassender Regenerationsfähigkeit wird der menschliche Organismus (ebenso wie der tierische und der pflanzliche) eben älter. Hengstschläger gibt dem menschlichen Organismus im optimalen Fall übrigens 130 Jahre Lebenserwartung. Alles in allem ist dies ein verständlich geschriebenes Buch über eine äußerst komplexe Angelegenheit - zu der es ja neben der rein biologischen noch die ethische Ebene abzuklären gäbe.

(KS; 09/2006)


Markus Hengstschläger: "Die Macht der Gene"
Ecowin, 2006. 171 Seiten.
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Univ.-Prof. Mag. Dr. Markus Hengstschläger ist einer der weltweit führenden Fachhumangenetiker. Nach einigen Jahren in Wien am Krebsforschungsinstitut des St. Anna Kinderspitals und als Assistent am Institut für Molekularbiologie des Vienna Biocenter, arbeitete er anschließend an der Yale University/USA. Heute leitet Markus Hengstschläger die Abteilung für Medizinische Genetik an der Frauenklinik der Universität Wien. Er gehört verschiedenen Wissenschaftsgesellschaften und (inter)nationalen Ethikkommissionen an, als Mitglied der "Päpstlichen Akademie für das Leben" ist er Berater von Benedikt XVI. Einer breiten Öffentlichkeit ist er in Österreich als Moderator der Ö1-Sendung "Radiodoktor - Medizin und Gesundheit" bekannt. Der Wissenschafter ist Träger verschiedenster Auszeichnungen und Autor zahlreicher Publikationen in internationalen Top-Journalen. Zusammen mit seiner Wissenschaftsgruppe erregte er weltweites Aufsehen durch die Erforschung der Erbkrankheit Tuberöse Sklerose, die erstmalige Entdeckung von Stammzellen im humanen Fruchtwasser sowie durch Arbeiten im Bereich genetischer Diagnostik am ungeborenen menschlichen Leben.