Arno Geiger: "Anna nicht vergessen"


Mit dem Roman "Es geht uns gut" feierte der 1968 geborene österreichische Schriftsteller Arno Geiger im Jahr 2005 einen großen Erfolg, der ihm in der Kritik die allerbesten Noten und im selben Jahr den "Deutschen Buchpreis" für den besten Roman einbrachte.
In der Zwischenzeit, wohl bis der nächste Roman fertig geworden ist, präsentiert der Hanser Verlag einen ansehnlichen Band von Erzählungen Arno Geigers, die in den letzten Jahren entstanden sind.

Sie erzählen alle von Menschen unserer Zeit; Frauen und Männern, jungen und alten, die auf ihre je eigene Weise, mit den Untiefen des Lebens konfrontiert, versuchen mit demselben fertig zu werden. Geiger beschreibt ihre Hoffnungen und Sehnsüchte, spürt ihren oft verzweifelten Versuchen nach, am Leben zu bleiben, das heißt, ihrer Existenz irgendeinen, und wenn auch noch so kleinen, Sinn abzugewinnen.
Wie ein langes dreistrophisches Gedicht sind die zwölf Erzählungen zu je vier in Gruppen geordnet: "Tage", "Jahre" und "Leben" - die Überschriften der Teile deuten an, welchen Blickwinkel die einzelnen Erzählungen auf das Leben bzw. einen bestimmten Lebensabschnitt der Menschen einnehmen, von denen sie erzählen.

Da ist in der ersten Erzählung "Anna nicht vergessen", die dem Buch seinen Titel gab, Ella, die mit ihrer Tochter Anna zusammenlebt und ihren Lebensunterhalt damit bestreitet, dass sie im Auftrag eines Detektivunternehmens versucht, Männer zu verführen. Ehefrauen oder Partnerinnen, die Zweifel an der Treue und Zuverlässigkeit ihrer Männer haben, erteilen Ella den Auftrag, sich mit dem Mann zu verabreden bzw. ihn "zufällig" irgendwo zu treffen und ihm ziemlich bald eindeutige Avancen für ein sexuelles Abenteuer zu machen. Wenn genug belastendes Tonmaterial auf dem mitgeführten Rekorder aufgenommen ist, sucht Ella schnell eine Toilette auf und dann das Weite. Sie kehrt wieder nach Hause zurück, wo ein kleines Mädchen sehnsüchtig auf seine Mutter wartet, der auch die vielen Merkzettel "Anna nicht vergessen" überall in der Wohnung nicht dabei helfen, sich darauf zu konzentrieren, was ihr doch am nächsten sein sollte.

Da wird erzählt von den letzten Stunden, die der junge Lukas in Berlin verbringt, bevor er, abgebrannt und desillusioniert, nach Wien zurückkehrt. Geiger schildert meisterhaft, wie sich ein mögliches gelingendes Leben, die Umsetzung eines Traumes, gestalten könnte. Denn eine Ahnung davon, wie es sein könnte oder sollte in ihrem Leben, das haben sie alle, auch die vielen anderen Menschen, deren Tage, Jahre und Leben in diesem schönen Erzählband geschildert werden; sie alle haben eine Vorstellung davon (gehabt) , was sie mit und aus ihrem Leben machen wollten, und doch haben sie sich in den Alltag von einengenden und krankmachenden Beziehungen eingerichtet und gehen langsam daran zugrunde.

Arno Geigers Geschichten sind eigen; sie werfen einen Blick auf die Schattenseiten menschlicher Existenz, auf die oft armselige Dürftigkeit mancher Lebensalltage. Ihre Sprache ist ansprechend; man ahnt, weshalb dieser Schriftsteller für seinen immer noch lesenswerten Roman im Jahr 2005 ausgezeichnet wurde. Warten wir gespannt auf seinen nächsten.

(Winfried Stanzick; 08/2007)


Arno Geiger: "Anna nicht vergessen"
Gebundene Ausgabe:
Gebundene Ausgabe:
Hanser, 2007. 250 Seiten.
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Taschenbuchausgabe:
dtv, 2009.
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Ein weiteres Buch des Autors:

"Alles über Sally"

Alfred und Sally sind schon reichlich lange verheiratet. Das Leben geht seinen Gang, allzu ruhig, wenn man Sally fragt. Als Einbrecher ihr Vorstadthaus in Wien heimsuchen, ist plötzlich nicht nur die häusliche Ordnung dahin: In einem Anfall von trotzigem Lebenshunger beginnt Sally ein Verhältnis mit Alfreds bestem Freund. Und Alfred stellt sich endlich die entscheidende Frage: Was weiß ich von dieser Frau, nach dreißig gemeinsamen Jahren?
Arno Geiger, der international gefeierte Buchpreisträger aus Österreich, erzählt mit souveräner Realistik und komischer Härte die Geschichte einer großen Liebe. Ein umwerfender Roman über den Ehebruch im Zeitalter der sexuellen Freimaurerei. (Hanser)
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