Stefan Gates: "Der Gastronaut"

Kulinarische Abenteuer für Romantiker, Tollkühne und Unverzagte


Ausflug in die skurrile Welt der Essgewohnheiten

Wenn ein englischer "Comedy-Star" über kulinarische Abenteuer schreibt, kommt natürlich etwas anderes heraus als ein Kochbuch von Jamie Oliver. Dies stellt sich spätestens angesichts der ersten Rezepte heraus: Würstchen im Goldmantel und verwandte, ein gehobenes Budget und viel Geschick erfordernde Kreationen etwa oder hausgemachtes Biltong (getrocknete Fleischstreifen, die fertig sind, wenn sie "die Zähigkeit alter Stiefel" haben, und die man üblicherweise in Südafrika herstellt), hausgemachte Margarine oder Räucherlachs aus der Keksdose.
Im folgenden Kapitel kann man sich zu etwas umfangreicheren Unternehmungen inspirieren lassen, denn hier werden die denkwürdigsten Gelage der Geschichte geschildert. Wer eine originalgetreue bacchantische Orgie feiern möchte, findet eine Anleitung, die auf dem Gastmahl des Trimalchio basiert und alternativ mit "modernen" Zutaten aufwartet. Hoffentlich haben Sie tolerante Nachbarn? - Wenn nicht, gibt es ein aufschlussreiches Kapitel über Kannibalismus einschließlich einiger Umfragen: Wenn Sie Kannibale wären, welche berühmte Persönlichkeit würden Sie am liebsten essen? Und welchen Körperteil? Auch Rezepte fehlen nicht, doch man sollte sie in den deutschsprachigen Ländern nicht ausprobieren, wenn man Konflikte mit dem Gesetz vermeiden möchte - obwohl Kannibalismus an sich kein Straftatbestand ist, wie Stefan Gates herausstellt. "Gekochter Gefangener" dürfte dennoch auch im Ursprungsland China mittlerweile aus der Mode gekommen sein. Gegen den "Gebackenen Mutterkuchen" spricht hingegen aus legaler Sicht nichts; kontaktieren Sie die Hochschwangere Ihres Vertrauens ...
Sehr anschaulich können Sie sich zudem über Aphrodisiaka und Flatulenz informieren und Sandwiches au Derrière zubereiten, indem Sie fertige Sandwiches in Frischhaltefolie packen und sich eine Stunde draufsetzen.
Es folgen einige relativ klassische Rezepte aus der englischen Küche, die für die Praxis geeignet sind. Dann wird es wieder unterhaltsam: Die Rezepte für Unerschrockene umfassen gefüllten Siebenschläfer, Insekten (ein Marmeladenglas Asseln reicht für vier Personen), Nashornsuppe (alternativ für Geflügel ausgelegt, da Zoos ihren Bestand vermutlich ungern herausrücken), gefüllte Fischköpfe, gegrilltes Meerschweinchen auf peruanische Art und etliche Kuriositäten mehr.
Im letzten Kapitel findet man wieder ein paar weniger ausgefallene Rezepte: Gutes Gelingen! Und der Anhang bietet Tipps und Anregungen in Hülle und Fülle.

Wie Sie der Inhaltsangabe entnehmen konnten, handelt es sich bei diesem Buch wohl um das überflüssigste Kochbuch der Welt, aber es soll ja kein Kochbuch sein. Der Unterhaltungswert ist zweifelsfrei hoch, zumal wenn man den pechschwarzen englischen Humor zu schätzen weiß. Das heißt, dass man dieses Buch selten in der Küche, hauptsächlich jedoch in gemütlichen Schmökerecken antreffen wird. Abgesehen vom "Spaßfaktor" kann man eine ganze Menge über historische Gaumenfreuden und deren Präsentation sowie über kulinarische Sitten anderer Länder lernen.
Die Übersetzung ist größtenteils sehr gut gelungen. Allerdings hätte man den einen oder anderen Wortwitz nicht auf Biegen und Brechen einbeziehen müssen: "To suck eggs" beispielsweise, "Eier ausblasen", kann man im Deutschen beim besten Willen nicht missverstehen, während "to suck" eben hauptsächlich "Ansaugen" bedeutet - wörtlich genommen hat man dann das rohe Ei im Mund statt in der Schüssel. Es dauert eine Weile, bis der Leser der Übersetzung versteht, worauf der Autor abzielt, und lachen kann er trotzdem nicht.
Die geringe Schriftgröße dürfte von manchem Leser ebenfalls als Manko aufgefasst werden. Dafür sind das Layout und die gesamte Gestaltung sehr ansprechend: Wenn Sie jemanden mit einem ausgeprägten Sinn für schrägen Humor beschenken möchten, liegen Sie mit dem schmucken, skurrilen Buch vermutlich richtig.

(Regina Károlyi; 03/2006)


Stefan Gates: "Der Gastronaut"
Gerstenberg Verlag, 2006. 272 Seiten.
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