Friederike Hausmann: "Garibaldi"
Die Geschichte eines Abenteurers, der Italien zur Einheit verhalf
Es gibt kaum einen italienischen Ort
ohne eine Piazza oder Via Garibaldi. Bis heute ist Giuseppe
Garibaldi (geboren am 4. Juli 1807 in Nizza; gestorben am 2. Juni 1882 in
Caprera) der legendärste und faszinierendste Protagonist des
Risorgimento, der italienischen Einigungsbewegung zwischen 1820 und
1870.
Warum wurde Garibaldi so populär? Anders als seine zeitweilig
Verbündeten, die Politiker Giuseppe Mazzini (1805-1872) und Camillo Benso Conte
di Cavour (1810-1861), umwehte Garibaldi schon früh der Nimbus eines Abenteurers
und eines Mannes aus dem Volke, der ohne zu zögern und ohne berechnende
Hintergedanken für die nationale Idee lebte. Er verstand es, das Volk in allen
Teilen des späteren italienischen Staates zu begeistern und die Massen für die
Einigung zu gewinnen. Insbesondere der "Zug der Tausend" (la spedizione dei
Mille), als im Mai 1860 Garibaldi mit einer 1067 Mann starken Truppe aus
Freiwilligen auf Sizilien landete und durch geschicktes Täuschen der
gegnerischen Truppen die Insel im Handstreich von der Herrschaft der spanischen
Bourbonen befreite, begründete seinen Ruf als Volksheld. Doch Italiens
Politikern war seine hohe Autorität sehr bald im Wege. 22 Jahre später starb er
als solitario auf seiner Insel Caprera, traurig und verbittert darüber,
wie das politische Leben in Italien sich immer weiter von seinen Vorstellungen
über Freiheit und einer solidarische Gemeinschaft entfernte.
Friederike
Hausmann, geboren 1945, Historikerin und Übersetzerin, vermittelte schon 1985 in
einer ersten Ausgabe dieser Biografie, der "Geschichte eines Abenteurers, der
Italien zur Einheit verhalf" (Untertitel), deutschsprachigen Lesern Leben und
Glorie Giuseppe Garibaldis. Ihr Werk wurde nun nach 20 Jahren erweitert und neu
aufgelegt.
Der lockere, angenehm zu lesende Stil lässt die Geschichte
Garibaldis plastisch und lebensnah wirken, häufig kommt eine Spannung auf, die
eines belletristischen Werks würdig wäre. Doch in dieser Stärke des Buches, der
wohltuenden Lesbarkeit, liegt gleichzeitig seine Schwäche: Inhalte und
Interpretationen sind nicht getrennt, fließen ineinander über und ergeben ein
ganzheitliches, aber wissenschaftlich nicht vollends gerechtfertigtes Bild.
Immer wieder schließt die Autorin an geläufige Vorstellungen von einer
chaotischen italienischen Politik an, holt damit freilich viele Leser dort ab,
wo sie mit ihrem Vorwissen, aber auch mit pauschalen Urteilen stehen (z.B. "...
war auf Sizilien ein für den Außenstehenden kaum durchschaubarer sozialer und
politischer Dschungel entstanden ...", Seite 91).
Clio, die Muse der
Geschichte, braucht solche lesenswerten Bücher - trotz aller Gefahren der
Verfestigung von althergebrachten Vorstellungen; ein sprödes wissenschaftliches
Werk mit zahlreichen Fußnoten und Quellennennungen kann dem historischen
Interesse vieler Laien nicht gerecht werden. Doch zur Vermeidung von
Vermischungen zwischen Überlieferung und Kommentar sollte ein "Sicherheitsnetz"
gespannt werden, z.B. indem man Hintergründe in Exkursen (in "Kästen")
darstellt. Auch Friederike Hausmann ist auf dem besten Weg dazu: am Ende des
Buches finden sich eine Zeittafel und vorzügliche Kurzbiografien der wichtigsten
Personen im Umfeld Giuseppe Garibaldis.
(Wolfgang Moser; 01/2006)
Friederike Hausmann: "Garibaldi"
Verlag
Klaus Wagenbach, 2005. 197 Seiten mit vielen Abbildungen.
ISBN
3-8031-2335-6.
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Friederike Hausmann, geboren 1945,
studierte Geschichte und Altphilologie in Berlin. Im Anschluss an die Promotion
arbeitete sie zunächst als Lehrerin. Nach langjährigen Aufenthalten
in Italien
lebt sie heute als Autorin und
Übersetzerin
in München.
Ein weiteres Buch der Autorin:
"Kleine Geschichte
Italiens von 1945 bis Berlusconi"
Eine aktualisierte und erweiterte
Ausgabe des inzwischen zum Standardwerk gewordenen Buches.
Vom Sturz
Mussolinis und der Resistenza über die Mitte-Rechts-Regierungen, die Jahre des
Terrors und die vielen Kabinette Andreottis bis zur Korruption unter Craxi, von
der angeblichen Wende unter Berlusconis erster Regierung zur Veränderung unter
Prodis Mitte-Links-Regierung bis zum erschreckenden Rechtsruck im Frühjahr 2001
und den sich heute vollziehenden Veränderungen des Landes durch die Regierung
Berlusconi, wie sie bereits beim G8-Gipfel sichtbar wurden.
Mit sämtlichen
Daten, Regierungen, Wahlergebnissen und einem Porträt der italienischen
Wirtschaft. (Verlag Klaus Wagenbach)
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