Ute Karen Seggelke: "Geliebter fremder Mann"
Dreizehn gemischtnationale
Paare erzählen von ihrer Liebe
Die dreizehn Paare, deren jeweilige Geschichte in diesem Buch vorgestellt wird,
verbindet eine Gemeinsamkeit: Während die Frauen aus deutschsprachigen Ländern
stammen, sind die Männer von anderer Nationalität, türkisch, iranisch,
armenisch-türkisch, nepalesisch, spanisch, US-amerikanisch, slowakisch, aus
Guadeloupe, pakistanisch, irakisch, polnisch, italienisch und aus Sansibar.
"Umgekehrte" gemischtnationale Beziehungen
(einheimischer Mann, ausländische Frau) akzeptiert die Gesellschaft
bereitwillig; der Mann schmückt sich oftmals mit seiner exotischen Frau. Eine
Schweizerin, Österreicherin oder Deutsche mit einem ausländischen Partner
hingegen sieht sich oft Vorurteilen ausgesetzt. Zudem ist in einigen der porträtierten
Beziehungen die Frau deutlich älter als der Mann - ebenfalls eine von der
Gesellschaft häufig abgelehnte Konstellation.
Sehr offen und unabhängig voneinander erzählen die Partner über das
Kennenlernen, gegebenenfalls die Ablehnung durch
Familie und Umfeld und ihre Überwindung,
die Weiterentwicklung der Beziehung und der Partner selbst im privaten und
beruflichen Bereich und so weiter.
Es fällt auf, dass diese Beziehungen - bis auf eine zerbrochene, die jedoch
eher an "klassischen" und nicht an kulturellen Problemen scheiterte - sehr stabil
wirken, und das oftmals seit Jahrzehnten. Das bedeutet aber auch, dass viele
der Ehen bereits zu einer Zeit geschlossen wurden, als die Gesellschaft noch
wesentlich weniger tolerant war. Die Güte und Tiefe dieser Beziehungen
scheinen stärker ausgeprägt als bei zahlreichen "normalen" Paaren, wohl, weil
dahinter ein bewusster "Regelverstoß", sehr viel Arbeit an sich selbst und die
Erkenntnis der täglich erforderlichen Toleranz und Offenheit stehen, aber auch
ein willkürliches "wir gegen alle, die gegen uns sind".
Vorbehalte sowohl der in- als auch ausländischen Familie des jeweiligen
Partners wurden fast immer durch die persönliche Bekanntschaft ausgeräumt. Die
zum Teil vorhandenen Schwierigkeiten innerhalb der Partnerschaft resultieren überwiegend
aus Erziehungsfragen, wenn Kinder vorhanden sind. Die Kinder werden aber auch
als zusätzliches Bindeglied empfunden; alle Beteiligten sehen die
gemischtnationale Familie als besondere Chance für die Kinder. Es ist
bemerkenswert, dass die ausländischen Männer häufig einen hohen sozialen
Status und (zumindest vorübergehend) ihre finanzielle Unabhängigkeit aufgeben
mussten, wenn sie nach Mitteleuropa kamen, dies um der
Liebe willen jedoch
bereitwillig taten.
Natürlich begannen in manchen Fällen Eigenschaften des Partners, die anfänglich
als exotisch-anziehend empfunden wurden, im Alltag lästig zu werden. Insgesamt
wirken die Beziehungen jedoch außergewöhnlich harmonisch: Jede(r) hat sich
seine kleinen Freiheiten erkämpft, und das Gemeinsame wird umso stärker
erlebt. Die Auseinandersetzung mit der Kultur des geliebten Menschen sehen die
Partner als eine Erweiterung des eigenen Horizonts und finden nicht selten eine
Bereicherung des eigenen Wesens darin - wenn auch häufig über anfängliche
Auseinandersetzungen.
Die zahlreichen einfühlsamen Porträts und Familienfotos in vertrauter Umgebung
spiegeln die Charaktere sehr gut wider und zeigen auch die Vielschichtigkeit der
Beziehungen auf. Da Frau und Mann in ihrem eigenen Stil und aus ihrer eigenen
unverfälschten Sicht erzählen, gerät das Buch an keiner Stelle langweilig.
Interessant zu beobachten sind natürlich die Differenzen, und doch bleibt der
tiefe gegenseitige Respekt immer spürbar, auch vor der Anpassungsarbeit des
Partners (etwa die für die Männer in ihrer Heimat oft unübliche Hilfe im
Haushalt).
Die einzelnen Beziehungsporträts sind lebendig und individuell; das Direkte der
autobiographischen Erzählungen macht nachdenklich und begeistert. Zudem findet
man keinen Versuch, sich unausgesprochenen Vorurteilen des Lesers gegenüber zu
rechtfertigen, oder aggressive Überzeugungssucht. Die Autoren berichten einfach
subjektiv aus ihrem Leben - nachhaltige Bitterkeit gegenüber Zweiflern und
Kritikern gibt es nicht. Das überzeugt mehr als jede politische
Antidiskriminierungskampagne.
Das Buch bietet sicherlich Hilfen und Unterstützung für
"Betroffene". Da es viele von ihnen ansprechen dürfte, wären
Verweise auf rechtliche/ratgebende Informationsquellen eine kluge Ergänzung
gewesen. Auch Menschen, in deren Umfeld es eine solche gemischtnationale
Partnerschaft gibt, werden in diesem Buch Antworten auf Fragen finden, die
sie den Betreffenden nicht stellen wollen oder können. Interessant ist das Buch
außerdem natürlich für jeden, der sich für andere Kulturen begeistert - oder
einfach einen Hang zur Romantik hat, denn romantisch sind all die dargestellten
Beziehungen im besten und tiefsten Sinne!
Gerstenberg hat dieses außergewöhnliche Buchprojekt auch qualitativ hochwertig
umgesetzt: Die Aufmachung - Material, Design, Druck, Fotos - lässt nichts zu wünschen
übrig. Rundum eine gelungene Neuerscheinung!
(Regina Károlyi; 09/2005)
Ute Karen Seggelke: "Geliebter fremder
Mann"
Gerstenberg, 2005. 214 Seiten.
ISBN 3-8067-2557-8.
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Ute Karen Seggelke wurde 1940 in Hamburg geboren. Nach der Ausbildung zur Fotografin war sie Mitarbeiterin der Theaterfotografin Rosemarie Clausen und des Architekturfotografen Heinrich Heidersberger. Sie war zwölf Jahre als Dozentin an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig tätig. Ute Karen Seggelke arbeitet und lebt als freie Fotografin mit den Schwerpunkten Menschendarstellung, Kulturreportage und Architekturfotografie in Hamburg.