Siegfried Fischer-Fabian: "Sie verwandelten die Welt"
Lebensbilder berühmter Frauen
Frauen
mit Chuzpe, Herz und
Verstand
Der Autor S. Fischer-Fabian hat bereits ein Buch
veröffentlicht
über Männer, die die Welt veränderten. Man
("frau") möchte ihm zunächst
so etwas wie verspätete politische Korrektheit unterstellen,
wenn er ein Buch
über berühmte Frauen nachlegt, doch dieser Eindruck
verflüchtigt sich rasch während
der Lektüre: Fischer-Fabian präsentiert "seine"
Protagonistinnen mit
aufrichtigem Respekt.
Zwei der Frauen stammen aus der frühen Neuzeit: Katharina von
Bora, die
unerschrockene Nonne, die unter Martin Luthers Schutz aus dem Kloster
floh, und
die er später heiratete, weil es unmöglich schien,
sie anderweitig unter die
Haube zu bringen, und Katharina Kepler, die Mutter des
berühmten Astronomen,
die teils durch die Fürsprache ihres prominenten Sohnes, vor
allem aber durch
ihren unerschütterlichen Mut einen Hexenprozess
überstand, den missgünstige
Mitbürger angezettelt hatten.
Anderen Schwierigkeiten als diese beiden standen die anderen
historischen Damen
gegenüber, die der Autor in ausführlichen
Lebensbildern vorstellt: Da wäre
zum Beispiel Luise von Preußen, jenes lebensfrohe
Geschöpf, das im Korsett des
preußischen Hofes schrecklich beengt lebte und doch die ihm
zugedachte Aufgabe
meistert, den entscheidungsschwachen Gemahl zu stützen, oder
Wilhelmine Encke,
zunächst Geliebte, später Freundin und Beraterin
ihres Königs, die
"Pompadour Preußens", die nach dem Tod des Geliebten den Hass
seiner
Familie zu spüren bekam. Eine bemerkenswert tragische Figur
ist die berühmte
Briefeschreiberin Liselotte von der Pfalz, von ihrem Vater praktisch
unter
Umgehung der Mitgift an "Monsieur", den Bruder Ludwigs XIV.,
verschachert, woraus dieser schließlich das Recht ableitete,
die von Liselotte
geliebte Pfalz zu zerstören.
Nicht nur Herrscherinnen treten in diesem Buch auf, sondern vor allem
Frauenfiguren aus dem kulturellen und sozialen Bereich, zum Beispiel
Hedwig
Courths-Mahler, deren zahlreiche, im Grunde immer nach demselben Muster
gestrickten Romane sich millionenfach verkauften, und die doch im
Grunde immer
geächtet blieb, und Caroline Neuber, die verzweifelt
versuchte, das deutsche
Theater zu reformieren und seriöser zu gestalten.
Christiane
Vulpius, Goethes
langjährige Geliebte und spätere Ehefrau, die ihm
uneigennützig und oft
einsam den Rücken freihielt, gehört ebenso zu diesen
Frauen wie Marlene
Dietrich, deren Einzigartigkeit vermutlich keiner weiteren
Erläuterung bedarf.
Wer aber kennt Dr. med. Franziska Tiburtius? Sie war die erste
praktizierende Ärztin
in Deutschland; studiert und promoviert hatte sie allerdings in der
Schweiz,
weil sie in Deutschland keine Möglichkeit dazu gehabt
hätte. Sie heilte die
Armen - Käthe Kollwitz wiederum nahm sich auf ihre Weise der
einfachen,
entrechteten Menschen an, nämlich als Künstlerin, und
beeindruckt später
Geborene auch durch ihr Tagebuch des Ersten Weltkriegs. Einen
schwierigen Spagat
versuchte
Clara Schumann zwischen der Musik und ihrem Mann Robert,
wobei die
Reihenfolge klar vorgegeben war, nämlich wie hier
aufgeführt.
Die letzte der porträtierten Frauen ist dem Leser auf den
ersten Blick
mindestens so fremd, wie es Fräulein Dr. Tiburtius war: Frau
Krause aus Berlin
N., als junges Mädchen vom Lande in der Hauptstadt "in
Stellung"
gegangen, steht für die Masse der Frauen, die zwei Weltkriege
überstanden, Söhne
oder Ehemänner in deren Verlauf verloren, den Staat wieder
aufgebaut und sich
nie über Gebühr beklagt haben, jene unerkannten
Heldinnen des 20. und früherer
Jahrhunderte, die letztlich gelassen und ungebrochen
auslöffelten, was männliche
Willkürherrschaft ihnen eingebrockt hatte.
Außer Mut und Selbstbewusstsein haben die hier
aufgeführten Frauenpersönlichkeiten
wenig gemeinsam, sie stammen aus unterschiedlichsten Schichten oder
Ständen,
wie man zur Lebenszeit der Mehrzahl von ihnen gesagt hätte.
Die meisten von
ihnen waren geprägt von einem tiefen Pflichtbewusstsein, das
sie nötigte, ihre
eigenen Interessen hintanzustellen und für Ehemänner
oder Fürsten, mitunter
auch eine Idee, zu leben und diese behutsam zu leiten, zu "managen",
würde
man es heute wohl nennen. Ausnahmen sind die kühne Marlene
Dietrich, die sich
wenig um Konventionen scherte, und der es immer wieder gelang, wie ein
Phönix
aus der Asche aufzuerstehen, nachdem sie in der Versenkung verschwunden
war, und
Clara Schumann, die freilich durch ihre Konzerttätigkeit den
Haushalt
finanziell zu tragen hatte, vielleicht auch die wackere
Ärztin, die sich durch
die ständig erfahrene Diskriminierung nicht abschrecken
ließ.
Wo stecken eigentlich Naturwissenschaftlerinnen wie die
Nobelpreisträgerinnen
Maria Goeppert-Mayer und
Christiane
Nüsslein-Volhard? Mancher Leser mag sie
vermissen, ohne freilich einer anderen Protagonistin ihren Platz im
Buch
abspenstig machen zu wollen. Natürlich gibt es noch viele
weitere Frauen, die
sich an der Verbesserung und Verwandlung der Welt beteiligt haben. Das
Buch
bietet anhand der sorgfältig recherchierten und liebevoll und
spannend
aufbereiteten beispielhaften Lebensläufe Anregungen, in der
Geschichte Ausschau
nach solchen Frauen zu halten.
Willkommen wären in solch einem Buch übersichtliche
Kurzbiografien mit ein
paar Eckdaten zur Vita der Protagonistinnen als kurze
Einführung in die
jeweiligen Kapitel oder am Ende des Buchs, die leider fehlen.
Insgesamt vermittelt es jedoch einen sehr guten Überblick
über das Leben und
die Persönlichkeit der ausgewählten Frauenfiguren und
zeigt auf, wie kühne
Frauen zu jeder Zeit mit ihren oftmals aufgrund
äußerer Umstände nur
einfachen Mitteln Einfluss auf ihre Welt nahmen.
(Regina Károlyi; 06/2007)
Siegfried
Fischer-Fabian: "Sie
verwandelten die Welt. Lebensbilder berühmter Frauen"
Gustav Lübbe, 2007. 284 Seiten.
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Siegfried
Fischer-Fabian, in Bad
Salzelmen geboren, verbrachte seine Jugend im ostpreußischen Königsberg.
Er
besuchte die Universitäten Heidelberg und Berlin, wo er nach
dem Studium der
Geschichte, der Germanistik und der Kunstgeschichte promovierte.
Mit seinen historischen Sachbüchern, die alle Verkaufsschlager
wurden, eroberte
er sich weit über die Grenzen Deutschlands hinaus ein
großes Publikum.
Weitere Buchtipps:
Siegfried Fischer-Fabian: "Sie veränderten die Welt.
Lebensbilder
aus der deutschen Geschichte"
"Sie veränderten die Welt." Dieses Motto verbindet die
Lebensbilder,
in denen S. Fischer-Fabian große historische
Persönlichkeiten porträtiert,
ohne die unsere Welt heute anders aussähe:
Albert
Einstein, Johannes Gutenberg, Otto von Bismarck,
Karl Marx,
Nicolaus
Copernicus,
Martin Luther, Robert Koch. In seiner unvergleichlichen Art
nähert
sich Fischer-Fabian diesen und anderen großen
Männern und schildert
eindringlich, wie sie die Herausforderung ihres Lebens
bewältigt haben.
Souverän und anschaulich, respektvoll und kritisch zugleich
zieht
Fischer-Fabian den Leser mit diesem Buch in seinen Bann.
(Lübbe)
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Dieter Wunderlich: "EigenSinnige Frauen. Zehn Porträts"
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Coco Chanel,
Frida Kahlo und
Simone
de Beauvoir - einen großen Bogen spannt Dieter Wunderlich in
seinen zehn Porträts.
Er erzählt von Frauen aus verschiedenen Epochen und
Lebensbereichen, die nicht
bereit waren, sich den gesellschaftlichen Erwartungen widerstandslos zu
unterwerfen, sondern ihre ganz persönlichen Ziele verfolgten
und dabei gegen
heftige Widerstände kämpften. (Piper)
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