Jürgen Overhoff: "Benjamin Franklin"

Erfinder, Freigeist, Staatenlenker


"Selfmademan", aufgeklärter Politiker und Universalgenie

Zu den "großen Geburtstagskindern" des Jahres 2006 gehört auch der 1706 geborene Benjamin Franklin, und es ist erfreulich, dass Klett-Cotta diesen Anlass zur Herausgabe einer umfangreichen Franklin-Biografie genutzt hat.

Benjamin Franklin war eines der jüngsten Kinder eines in Boston ansässigen Seifensieders und Kerzenmachers; in entsprechend bescheidenen Verhältnissen wuchs er auf. Der Vater konnte den Schulbesuch des auffallend intelligenten Jungen nur bis zum zehnten Lebensjahr finanzieren. Da Benjamin ein reges Interesse an Büchern zeigte, ließ der Vater ihn bei einem seiner älteren Söhne zum Drucker ausbilden. Benjamin nutzte jede freie Minute, um sich dem Selbststudium anhand der ihm zugänglichen Bücher zu widmen und sich neben dem Faktenwissen auch einen guten Schreib- und Argumentationsstil anzueignen. Da zu jener Zeit die Drucker zusätzlich als Lektoren und Herausgeber fungierten, kam es schon bald zum Abdruck eigener Texte.
Als Benjamin Franklin sich mit dem despotischen Bruder überwarf, floh er nach Philadelphia, wo er eine Anstellung fand und schließlich eine eigene Druckerei eröffnen konnte, weil sein Talent rasch auffiel. Bald darauf gab er eine eigene Zeitung und einen Almanach heraus, die nicht zuletzt dank Franklins Fähigkeit, scharfsinnig und unterhaltsam Missstände aufzuzeigen, rasch eine hohe Auflage erreichten.
Mit Gleichgesinnten gründete er einen Debattierzirkel namens "Junto", der soziale Verbesserungen im direkten Umfeld, aber auch das Landeswohl zum Ziel hatte. Franklin initiierte beispielsweise die Errichtung der ersten amerikanischen Leihbibliothek in Philadelphia, die Gründung der Union Fire Company zum besseren Brandschutz sowie einer Akademie für Sechs- bis Achtzehnjährige aller Konfessionen mit Schwerpunkt auf naturwissenschaftlich-technischen Fächern und eines städtischen Krankenhauses.
Ende der 1740er Jahre zog sich der längst vermögende und seit 1736 dem Kolonialparlament angehörende Franklin aus dem aktiven Geschäftsleben zurück und widmete sich intensiv naturwissenschaftlichen Studien. Er ergründete das Wesen der Elektrizität, entwickelte eine Batterie, wies mit dem allseits bekannten spektakulären Drachen-Experiment nach, dass Blitze eine Erscheinung von Elektrizität sind, und erfand den Blitzableiter (übrigens unter anderem auch die Glasorgel und die Bifokalbrille). Die Royal Society respektierte die Leistungen des Autodidakten und verlieh ihm mit der Copley-Medaille ihre höchste Auszeichnung.
Franklin übernahm nun auch überregional Verantwortung, zunächst während des Siebenjährigen Krieges - er versuchte, die nordamerikanischen Kolonien Englands gegen die Franzosen zu einigen - und schließlich ganz wesentlich, als England den Amerikanern inakzeptable Zölle und Steuern aufzwang, zu deren unmittelbaren Folgen die "Boston Tea Party" gehörte.
Franklin musste erkennen, dass er beim englischen Parlament auf dem Verhandlungsweg nichts erreichen konnte, und so setzte er sich für die Unabhängigkeit der nordamerikanischen Kronkolonien und für eine freiheitliche, demokratische Verfassung ein, zu deren Vätern er später gehören würde. Es war auch Franklin, der darauf drängte, Frankreich als Verbündeten im Unabhängigkeitskrieg zu gewinnen; er führte die entsprechenden Verhandlungen und hatte anschließend maßgeblich Anteil am Friedensvertrag mit England.
Franklin wäre der Einzige gewesen, der bei der Wahl zum ersten US-Präsidenten gegen George Washington hätte antreten können, aber zu dieser Zeit fühlte er sich bereits zu alt und krank für das Amt.
Bevor er 1790 starb, sah er nicht nur einen Teil seines Vermögens für soziale Aufgaben vor, sondern verfasste ein politisches Testament, in dem er junge Politiker unter anderem eindringlich mahnte, nicht vom Kampf gegen die Sklaverei abzulassen, deren Abschaffung ihm selbst nicht gelungen war.

Im Prolog weist der Autor darauf hin, welch große Bedeutung Franklins unermüdlichem Einsatz für Gedankenfreiheit und Gerechtigkeit immer wieder auch in Deutschland zugemessen wurde, vor allem in Zeiten des Strebens nach Demokratie. Diese liberale, durch persönliche Erfahrungen verstärkte Grundhaltung Franklins tritt im Buch immer wieder klar hervor. Indem Jürgen Overhoff die Rahmenbedingungen und äußeren Einflüsse ausreichend gründlich darstellt, denen Franklin ausgesetzt war, die ihn prägten und die er, wo nötig, zu ändern versuchte, porträtiert er Franklin als einen Menschen mit der Fähigkeit, alles für seine Entwicklung Nützliche zu erkennen, zu erlernen und bei passender Gelegenheit anzuwenden. Der Autor präsentiert Franklin dennoch auch als das Genie, das dieser zweifellos war. Es gelingt ihm, die zahlreichen Facetten dieser schillernden Persönlichkeit und ihre entsprechend spannende Entwicklung und Ausformung sehr sachlich und dabei stets kurzweilig herauszuarbeiten, wobei er außer der Bedeutung Franklins als Politiker, Schriftsteller und Naturwissenschaftler vor allem dessen restlos aufrichtigen Charakter und vorbildliches soziales Engagement betont.
Nebenbei begreift der Leser von Grund auf die komplexen politischen Zusammenhänge, die das Verhältnis zwischen den europäischen Großmächten und Nordamerika im 18. Jahrhundert bestimmten. Ein Literaturverzeichnis bietet darüber hinaus Anregungen zur Vertiefung.

Die Aufmachung ist, wie bei Klett-Cotta üblich, hochwertig und sehr ansprechend; zu diesem Eindruck tragen auch die zahlreichen Abbildungen bei. Das Buch kann ich bestens empfehlen, zumal Franklins geradlinige, integre Haltung als Politiker auch heute auf reges Interesse stoßen dürfte.

(Regina Károlyi; 02/2006)


Jürgen Overhoff: "Benjamin Franklin"
Klett-Cotta, 2006. 320 Seiten.
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Jürgen Overhoff, 1967 in Lippstadt geboren, studierte zwischen 1987 und 1996 an der Freien Universität Berlin, der Technischen Universität Berlin, der London School of Economics und der University of Cambridge Neuere Geschichte, Evangelische Theologie, Philosophie und Politologie. Er lehrt europäische und amerikanische Geschichte in Hamburg und Potsdam.

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