Robert Zimmer: "Das neue Philosophenportal"

Ein Schlüssel zu klassischen Werken


Philosophie adelt den Menschen, doch aller Anfang ist schwer. So denn auch der Schritt hinein in die Gefilde virtuosen Denkens. Nicht selten schon mündete die erste Bekanntschaft mit den Großen der Geistesgeschichte in einem Gefühl ohnmächtiger Unverständigkeit, das eine lebenslange Entfremdung nach sich zog. Philosophen eilt der Ruf des Elitären und einer unbegreiflichen Versponnenheit voraus. Mit der ärgerlichen Konsequenz einer Aufspaltung der Menschheit in eine Aristokratie des Geistes und jene graue Masse, die es sich ob der erlebten Arroganz der Schriftgelehrten als Tugend anrechnet, nicht um deren Wortgebilde zu wissen.

Will Philosophie also mehr als die Esoterik einer intellektuellen Randgruppe sein, strebt sie nach Demokratisierung ihres Wissensbestands und nach Nutzbringung im Leben der Vielen, so bedarf sie einer charmanten Geleitung, die Appetit auf mehr macht. Robert Zimmer nun beherrscht die Kunst der Verführung, welche in diesem Zusammenhang gefragt ist. Sein Gegenstand ist die bekömmliche Aufbereitung "schwerer" Literatur aus der Philosophiegeschichte, beginnend bei der "Metaphysik" des Aristoteles bis hin zu "Wider den Methodenzwang" von Paul Feyerabend.

Gut möglich, dass so manche Hüter intellektueller Strenge dem dargebotenen schlichten Sprachstil und den zweckdienlichen Verkürzungen auf Kerninhalte ein skeptisches Stirnrunzeln entgegenhalten, auch gut möglich, dass diese Popularisierung des wesentlich Unpopulären als ein Anbiedern an unfeine Masseninstinkte denunziert wird, doch wo sich die Befassung mit kritischen Denkweisen zum lieben Brauch kultiviert, ist das Vornehme in Gestalt des Nächsten bald schon zur greifbaren Utopie mutiert.

Wenn Robert Zimmer zu einer Kurzbesichtigung von 18 zentralen Werken der Philosophiegeschichte einlädt, dann leistet er zugleich eine Gesamtschau davon. Des Aristoteles Lehre von den vier Ursachen, deren uns heute nur noch eine einzige - die Wirkursache ("causa efficiens") - geläufig ist, sein Begriff von einem göttlich-kosmologischen Prinzip - "der unbewegte Beweger" - als Archetyp personaler Gottesideen, zieht sich vermittels zeitlicher und räumlicher Linien durch das Reich geistiger Freiheit. Was einst gedacht, kehrt wieder über das Denken der Nachgeborenen, und so sind auch Robert Zimmers Betrachtungen ineinander verflochten. Nicht selten gelangt die Bedeutung des Einen erst im Kontext des Anderen zu ihrer Erhellung.

Gott war für Aristoteles das logische Resultat einer rationalen Weltbetrachtung. Jedoch, so Robert Zimmer, hätte Aristoteles die christliche Religion gekannt, hätte er wahrscheinlich die Nase über eine primitive Volksreligion gerümpft, in der mythische Vorstellungen über eine rationale Weltdeutung triumphieren. Nichtsdestotrotz schlug die aristotelische Philosophie tiefe Wurzeln in der christlichen Theologie und verdichtete sich zum Fundament einer religiösen Weltorientierung, die im Jahre 1879 von Papst Leo XIII. als "Thomismus" zur "offiziellen Philosophie" der katholischen Kirche erklärt wurde. Wie jener Ausnahmegelehrte namens Thomas von Aquin mittels seines Hauptwerks "Summe der Theologie" (1266-1273) dieses Kunststück zustandebrachte, gehört mitunter zu den spannenden Momenten in Robert Zimmers Buch.

Über Marc Aurel, Hobbes, Spinoza, Rousseau, Hegel, Feuerbach, Sartre und Adorno zu sprechen mag zu den Lustbarkeiten intellektueller Kurzweil gehören. Den richtigen Zugang zu ihrer Welt finden, heißt ein Portal in eine fremde und zugleich wundersame Sphäre ideeller Wonnen durchschreiten. Dieser Durchgang ist nicht "neu" und sollte auch nicht als neuwertig umrissen werden, wiewohl den modernen Menschen immer nur alles Neue reizt, derweilen das Alte über den Gebrauchtwarenhandel verramscht wird. Das Philosophenportal in gegenständlicher Denkfigur ist, bei aller Zugänglichkeit und Popularisierungstendenz, im besten Wortsinn altehrwürdig, weil es uns das Beste aus dem Vermächtnis unserer Ahnen eröffnet. In diesem Sinne ein Buch für Unzeitgemäße, die sich in ihrem Dasein nicht mit den Seichtheiten alltäglicher Trivialität abfinden wollen.

(Harald Schulz; 11/2007)


Robert Zimmer: "Das neue Philosophenportal. Ein Schlüssel zu klassischen Werken"
dtv, 2007. 254 Seiten.
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