Andreas Eschbach: "Ausgebrannt"
"It's all empty!" (Sergeant Rusty Shelton nach
einem Blick in den Ölspeicher der Saudis)
Das Ende des Erdölzeitalters
Erdöl
ist derzeit der wichtigste Rohstoff der Industriegesellschaft.
Für die Weltwirtschaft haben die Ölvorkommen eine
existenzielle Bedeutung, über die im Alltag niemand nachdenkt.
Die Preise für Rohöl sind im Verhältnis zum
begrenzten Vorkommen eher als niedrig einzustufen. Wie wird die
Weltwirtschaft reagieren, wenn dieser Rohstoff zur Neige geht? Diese
Frage greift Andreas Eschbach in seinem Thriller "Ausgebrannt" auf.
Der Roman gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil entwickelt
Eschbach die Charaktere der wichtigsten Romanfiguren und zeichnet durch
Retrospektiven deren Lebenswege nach. Auf der Handlungsebene dominieren
die Machenschaften rund ums Öl. Die Energiekrise bahnt sich
an. Im zweiten Teil geht es um das gesellschaftliche und
wirtschaftliche Leben nach dem Zusammenbruch der Wirtschaft und um
Alternativen für die Energieversorgung.
Die Handlungsorte liegen in den USA, in Deutschland und in
Saudi-Arabien. Eschbach beleuchtet ein weit verzweigtes
Beziehungsnetzwerk, bestehend aus globalen Verästelungen und
lokalen Verzweigungen. Die Hauptrolle spielt der ehrgeizige und
zielstrebige junge Wirtschaftswissenschaftler Markus Westermann, der zu
Beginn zusammen mit anderen jungen Mitarbeitern aus verschiedenen
europäischen Ländern
nach New York fliegt, um bei der
Softwarefirma Rowe und Lakeside einen zeitlich begrenzten Auftrag zu
erledigen.
Markus Westermann kennt die Regeln der Macht und es gelingt ihm, seinen
USA-Aufenthalt zu verlängern. Nicht alles verläuft
nach Plan, aber er lernt zum richtigen Zeitpunkt den erfahrenen
Öltechniker Karl Walter Block kennen, der in
Österreich erfolgreich nach Öl
gebohrt hat und von sich behauptet, eine Methode zu kennen, mit der er
in den Tiefen der Erde unbekannte Ölvorkommen
aufspüren kann, die es nach seinen Berechnungen geben muss.
Sie gründen eine Firma und kommen groß ins
Geschäft.
Eschbach erzählt parallel mehrere Handlungsabläufe,
zwischen denen es Abhängigkeiten und Verbindungen gibt. Eine
der Nebengeschichten handelt von Dorothea Utz, der Schwester von Markus
Westermann, und ihrem Ehemann Werner, die sich im Raum Stuttgart
für das Anwesen von Achim Anstätter interessieren.
Anstätter will aus geheimnisvollen Gründen sein Haus
schnellstmöglich verkaufen.
Frieder, der ältere Bruder von Markus, beschäftigt
sich mit alternativen Energieformen. Er sorgt dafür, dass sein
Bruder nach einem schweren Unfall die USA verlassen kann. Er wird dort
polizeilich gesucht. Auch Markus hilft seinem Bruder bei einem
finanziellen Engpass. Im weiteren Verlauf lernt Frieder
zufällig Prinz Abu Jabr kennen, der später eine
große Rolle in Saudi-Arabien spielen wird.
Die drei Geschwister vereint ein großes Geheimnis. Ihr Vater
hat einst eine bedeutende Erfindung gemacht, für die er, so
vermutet Markus, früh sterben musste. Sie versuchen die
Umstände des Todes aufzuklären und das
Rätsel um die Erfindung zu lösen.
Wenn es um gewichtige Erfindungen geht, ist oft der us-amerikanische
Geheimdienst involviert. Charles Walker Taggard, Mitarbeiter der CIA,
interessiert sich für Ölgeschäfte und
beobachtet das Treiben von Westermann und Block. Er hat mehrere private
Schicksalsschläge hinter sich und lässt sich ohne
konkrete Angabe von Gründen nach Riad in Saudi-Arabien
versetzen. Seine wahren Motive sind vielschichtig und bleiben
nebulös.
Eschbach beschreibt glaubwürdig die
Ölgeschäfte und den Expansionstrieb der Macht. Wer
Geldgeber für große Geschäfte finden will,
muss mit psychologischen Tricks arbeiten und darf keine Hemmungen
haben. Es ist faszinierend anzusehen, wie einfach Menschen gestrickt
sind, wie die Gier nach
Geld und
Macht
ihr Verhalten korrumpiert.
Als Gegenpol zu den großen Geschäften der Industrie,
in die vorwiegend Markus verwickelt ist, schildert Eschbach das
ländliche Leben von Werner und Dorothea mit ihren Problemen.
Sie sind anfangs Opfer der Umstände, stellen sich aber im
Laufe des wirtschaftlichen Umbruchs flexibler und kreativer auf die
neuen Gegebenheiten ein als andere Menschen in ihrer Umgebung. Auf
einmal wird es wichtig zu wissen, wie man Gemüse im eigenen
Garten anbaut.
Der Roman ist angereichert mit Fachwissen aus der Ölindustrie.
Die Leser erfahren Wissenswertes über die Entstehung und
Verteilung der Ölvorkommen der Erde, über Methoden
der Förderung und über die wirtschaftlichen und
politischen Abhängigkeiten der Ölwirtschaft. Die
politische Situation von Saudi-Arabien wird ausführlich
erläutert. Aufschlussreich ist die Tatsache, dass die OPEC
seit 1982 keine Informationen über die Ölfelder
preisgibt. Wie lange reichen die Reserven?
Durch das Wechselspiel von Vergangenheit und Gegenwart bringt Eschbach
allmählich Licht in das dunkle Beziehungsgeflecht auf den
unterschiedlichen Handlungsebenen. Motive kristallisieren sich heraus.
Ein flüssiger Schreibstil und eine verständliche
Sprache sorgen dafür, dass der Leser nicht den roten Faden
verliert. Für gelungen halte ich, wie Eschbach die
Auswirkungen der Krise aus verschiedenen Perspektiven darstellt. Neben
globalen Szenarien betrachtet er auch Einzelschicksale. Die Entwicklung
der Charaktere wirkt glaubwürdig. Menschen verändern
sich während einer Krise. Die einen ziehen sich
zurück, andere werden gewalttätig und wieder andere
scharen sich um religiöse Gruppierungen. Eschbach bringt
zahlreiche Facetten menschlicher Verhaltensweisen ins Spiel.
In diesem spannenden Roman greift Eschbach ein brisantes Thema auf. Der
Leser wird nachdenklich. Da fossile Energieträger nur in
begrenztem Umfang vorhanden sind, ist eine Krise im realen Leben nicht
nur möglich, sondern wahrscheinlich. Auch wenn die fiktionale
Geschichte von einigen Zufällen getragen wird, wie zum
Beispiel dem Wiedersehen mit dem Italiener Silvio Damiano oder dem
Treffen mit Amy-Lee im Farsight Institut, wirken die
gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen
erschreckend real.
(Klemens Taplan; 03/2007)
Andreas
Eschbach: "Ausgebrannt"
Gustav Lübbe, 2007. 752 Seiten.
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Hörbuch:
Lübbe Audio, 2007. Sprecher: Ulrich Noethen.
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