Erasmus von Rotterdam: "Das Lob der Torheit"
In diesem Meisterwerk zeitlosen
Humors, feiner Ironie und vorurteilsfreien Denkens erweckte Erasmus von
Rotterdam die ironische Lobrede zu neuem
Leben
(Hörbuchrezension)
Narren aller Länder vereinigt Euch!
Nicht Eigenliebe, Faulheit oder Lust begründen das Übel der wahren Torheit, sondern die anmaßende Weisheit derer, die sich dem Leben in seiner freudvollen und zugleich bitteren Absurdität versagen. Erasmus' heiter-ironische Abrechnung mit Kirche und Moral ist zugleich auch ein Plädoyer für die Befreiung aus der eigenen Unmündigkeit. Denn für Erasmus verfehlt sich der Mensch, wenn er seine Bildung versäumt. |
Schenkt man Erasmus von Rotterdam Glauben, so ist die Torheit eine Frau. Was auf den ersten Blick wie eine Plattitüde wirkt, ist in Wahrheit revolutionär. Denn das Buch, von dem hier die Rede ist, wurde bereits 1511 veröffentlicht. Im selben Zeitraum begann gerade der schwunghafte Sklavenhandel, wurde der Ketzer Savonarola hingerichtet, befahlen der Papst Bücherverbrennungen "unchristlicher Werke" und Kaiser Maximilian "die Zerstörung aller sakralen Werke außer der christlichen". |
In diesem Klima kommt nun ein Theologe
daher und lässt eine Frau sprechen, macht sie gleichzeitig zu Ankläger,
Verteidiger und Richter. Dabei beschränkt sie sich nicht nur auf Institutionen
wie die Stände, Gilden und den Klerus, sondern zieht auch über gesellschaftliche
Normen wie die Ehe, Glauben, Krieg und Militarismus her.
Die Väter des
politischen Kabaretts
Die sarkastische Schrift erfreute sich bald großer
Beliebtheit und erschien noch zu Lebzeiten von Erasmus in 36 Auflagen. Die
Obrigkeit war gegen dieses Buch machtlos, da ja eine Närrin über angebliche
Torheiten berichtet. War dies nun ernst gemeinte Gesellschaftskritik oder nur
eine Büttenrede im Karneval?
"Die Torheit steht in schlechtem Ruf selbst bei
den ärgsten Toren" sagt die Erzählerin und nimmt damit allen Kritikern den Wind
aus den Segeln, denn ein Tor, der über Toren richtet, kann unmöglich die
Wahrheit sagen. "Meine Macht stimmt Götter und Menschen heiter" führt sie weiter
aus und gibt so den Grundton dieses voller witziger Details steckenden Buches
vor.
Ähnlich dem zeitgleich auf der Bildfläche der Literaturszene
auftauchenden "Till Eulenspiegel" und dem kurze Zeit später publizierten Roman
"Utopia" von
Thomas Morus handelt es sich um ein damals wie heute erschreckend aktuelles
Werk. Natürlich sind es heute andere Narreteien, die begangen werden. Doch die
Grundtendenz ist unverändert. Auch heute werden gesellschaftliche Missstände
häufig als gegeben angenommen und einer breiteren Öffentlichkeit erst durch
satirische Bloßstellung bewusst gemacht. Diese Aufgabe haben damals wie heute
die Narren,
Schelmen und "Eulenspiegel",
die uns einen Spiegel vorhalten, eine Nase drehen und mit ausgestrecktem
Zeigefinger auf die Scharlatane, Gaukler und Taschenspieler mit ihren billigen
Tricks zeigen.
Honigsüß und bitterböse
Keinerlei billiger
Tricks bedient sich Matthias Ponnier bei der Lesung dieses Buches. Sein
Sprachrhythmus fließt dahin wie ein ruhiger Strom, bis plötzlich der pure
Sarkasmus aus dem Kopfhörer tropft wie klebriger Honig. Man kann sich unmöglich
der Wirkung dieser Stimme entziehen, welche die von Erasmus von Rotterdam
gewünschte "heitere Stimmung" mühelos erzielt.
Die vorliegende, von Kurt
Steinmann aus dem Lateinischen übersetzte Fassung ist als Hörbuch bei
LIDO/Eichborn und als Buch im Manesse-Verlag erschienen.
(Wolfgang Haan; 12/2005)
Erasmus von Rotterdam: "Das Lob der Torheit"
LIDO/Eichborn, 2005. 2 CDs, Laufzeit ca.
158 Minuten.
Sprecher: Matthias Ponnier.
ISBN 382185359X.
Hörbuch bei amazon.de
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Buch:
Manesse, 2003. 317 Seiten.
Aus dem
Lateinischen übertragen und mit einem Nachwort von Kurt Steinmann.
ISBN
3-7175-1992-1.
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Erasmus von Rotterdam wurde am 28.
Oktober 1465 oder 1469 als unehelicher Sohn eines Geistlichen in Rotterdam
geboren. Er starb am 12. Juli 1536 in Basel und ist dort in der Schalerkapelle
begraben.
Die fehlende Begeisterung für das Leben, das er im Kloster Emmaus in Steyn bei
Gouda zu führen begann, machte er durch die intensive Lektüre der lateinischen
Klassiker wett. Er wurde Priester, verließ das Kloster, studierte Theologie
(in dieser Reihenfolge!) und gab 1516 die erste Druckausgabe des Neuen Testaments
auf Griechisch heraus, die dann die Grundlage bot für
Luthers
Bibelübersetzung. Nach dem Studium in Paris und Turin lebte Erasmus von
Rotterdam in England, Basel und in den Niederlanden. Er pflegte rege Kontakte
zur gesamten europäischen Geisteswelt und wurde zur prägenden Figur des christlichen
Humanismus.
Seine glänzende Satire "Das Lob der Torheit", seiner
eigenen Einschätzung nach eine "kleine Stilübung", laut der darin
personifizierten Torheit ein "herausgeschwatzter Wörterplunder", schrieb er
innerhalb einer Woche nieder.
Weitere Bücher des Autors:
"Die
Klage des Friedens"
"Die Klage des Friedens", Klassiker der
Friedensliteratur und Glanzstück der Renaissancerhetorik, wurde von Erasmus
1516/17 anlässlich des internationalen Friedenskongresses der "Friedensliga von
Cambrai" verfasst und gilt als eine der ersten Streitschriften des Pazifismus.
Die vorliegende Übersetzung ist nicht nur vollständig, sondern auch
originalgetreu. Aus dem Lateinischen übersetzt, herausgegeben und mit einem
Vorwort von Brigitte Hannemann. (Diogenes)
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"Vertrauliche
Gespräche"
Er war einer der
einflussreichsten Humanisten Europas, ein Pazifist, ein unermüdlicher Publizist
und Propagandist für eine umfassende Bildungs-, Gesellschafts- und
Glaubensreform - seiner Zeit war Erasmus von Rotterdam weit voraus. Er geriet
nicht selten zwischen die Fronten von Reform und Orthodoxie, behauptete dabei
aber stets seine geistige Freiheit und Unabhängigkeit. Der vorliegende Band
vereinigt zwanzig vertrauliche Gespräche, Dialoge, in denen Moral und
Lebensführung sowie drängende politische und gesellschaftliche Fragen
thematisiert werden. Und obwohl nun nahezu 500 Jahre alt, sind die Fragen von
brennender Aktualität: Kann ein Krieg gerecht, das heißt zu rechtfertigen, sein?
Kann man im Namen Gottes kämpfen? Wie kommt es, dass sich Einzelne so oft und
auf Kosten kollektiver Solidarität durchsetzen? Und worauf gründet sich
eigentlich die Diffamierung und Unterdrückung des weiblichen Geschlechts?
Beharrlich und mit viel Charme verkündet Erasmus seine humanistische Botschaft:
den Triumph des unabhängigen und selbstständigen vor dem dogmatischen,
autoritätsgläubigen, konfessionell und politisch gefesselten
Denken.
Originaltitel "Colloquia familiaria". Aus dem
Lateinischen übersetzt,
herausgegeben und mit einem Vorwort versehen von Kurt Steinmann.
(Diogenes)
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