Claudine Badey-Rodriguez, Rietje Vonk: "Wenn alte Eltern schwierig werden"
Für einen entspannten Umgang miteinander
Kinder
werden erwachsen, Eltern werden alt. Diese Tatsache wirft einige
Probleme auf, die in "Wenn alte Eltern schwierig werden" im Mittelpunkt
stehen. Verfasst wurde der 127-seitige Taschenbuchratgeber aus dem
Patmos-Verlag von der Psychologin Claudine Badey-Rodriguez und Rietje
Vonk, einer Journalistin mit dem Schwerpunkt Psychologie.
Wann werden Eltern überhaupt alt? Diese Frage gilt es vorweg
zu klären, und die Autorinnen legen den Beginn des
Rentendaseins als Schwelle fest. Damit soll nicht behauptet werden, wer
in den Ruhestand gehe, sei automatisch alt, nein, aber der Ruhestand,
auch wenn manch einer ihn vielleicht lang herbeigesehnt hat, fordert
den Menschen einiges ab. Dies liegt vor allem darin begründet,
dass die meisten Menschen sich über ihre Arbeit definieren.
Ein Dasein als Senior zu führen, ohne die berufliche Funktion
ständig präsentieren zu können, bedeutet
einen radikalen Einschnitt in das Leben. Was durchaus als Gewinn und
Neuanfang verstanden werden kann, führt oftmals zu Problemen:
Ehekrisen, Verlust von Bekannten, das Bewusstsein, wenige Interessen
gepflegt zu haben, der Verlust eines Stücks der eigenen
Identität, die erst wieder neu definiert werden will, der
mögliche Kampf gegen das Bild der strickenden Oma oder des
Modelle bastelnden Opas.
Von der Basis des Ruhestands aus thematisieren die Autorinnen
zahlreiche Situationen, die in dieser Phase des Lebens problematisch
sind oder es werden können. Nicht immer stehen dabei die
alternden Eltern selbst im Mittelpunkt der Probleme, sondern oftmals
sind es auch die Erwartungen der Kinder, hier also: der Leser, die
ihrerseits Probleme aufwerfen. Den Kindern wird mit dem Ruhestand der
Eltern bewusst, dass die Lebenszeit begrenzt ist, und auch, wenn den
Eltern vielleicht noch ein, zwei Jahrzehnte der Lebenszeit verbleiben,
so neigen nicht nur Eltern, sondern auch Kinder dazu, an diesem Punkt
des elterlichen Lebens Bilanz zu ziehen und stellen ihrerseits
Erwartungen. Gibt es alte Vorfälle, die nie hinreichend
geklärt wurden? Hat man sich selbst als Kind immer geliebt
gefühlt, oder gibt es Fragen, die bislang nie an die eigenen
Eltern gerichtet wurden? Stellt man die Erwartung, mit dem Ruhestand
der Eltern nun selbst stets eine Entlastung gefunden zu haben, etwa als
Babysitter?
Der Ratgeber wendet sich also beiden Parteien und ihren
vielfältigen, möglichen Problemen zu. Doch neben den
typischen Entwicklungsschritten in diesem Abschnitt des Lebens werden
auch echte Probleme angesprochen: Frustration der Eltern, die sich in
Ängsten, Aggressivität oder Depressionen zeigen
können, Selbstmordgedanken und das Gefühl der Eltern,
nutz- und wertlos zu sein; ständig klagt Vater oder Mutter
über irgendwelche Schmerzen, ruft täglich mehrfach
an, wiederholt sich, zeigt sich fordernd und stets kritisierend; und
schließlich das Problem, als Kind Hilfe in Anspruch zu
nehmen, was
einen Altersheimplatz bedeuten kann - doch darf man seine
Eltern einfach so "abschieben", noch dazu an einen Ort, an den sie
nicht wollen und der einem selbst oft den Schrecken in die Glieder
treibt?
"Wenn alte Eltern schwierig werden" ist ein hilfreicher Ratgeber, vor
allem deshalb, weil er Situation offen beschreibt, beim Namen nennt und
dem Leser somit hilft, die daheim gegebene Situation anzunehmen. Wohl
jeder mit alternden Eltern findet sich in einigen oder zahlreichen
Beispielen des Buches wieder. Er erfährt, dass seine Situation
keine Ausnahmesituation bildet, dass er nicht alleine ist. Zu dieser
wichtigen Erkenntnis leistet das Buch einen wichtigen Beitrag, denn nur
von einer solchen Basis ausgehend ist es möglich, Strategien
für das Miteinander zu entwickeln, die vor allem frei von der
gern und oft gestellten Schuldfrage stehen können.
Hinsichtlich der Strategien bleibt der Leser allerdings ein
Stück weit auf der Strecke. Empfohlen werden vor allem
allgemein gültige
Kommunikationsregeln. Man signalisiere dem
Gegenüber, dass man es respektiere, dass man selbst
Empfindungen habe, dass man nicht bereit sei, sich bei Vater und Mutter
"auf eine Seite zu schlagen" und so weiter. Darüber hinaus
sind konkrete Hinweise allerdings spärlich gesät.
Schön, wenn man dem depressiven Elternteil etwa klarzumachen
versucht, dass eine Therapie nicht heißt, dass man
"verrückt" sei, und dass die Notwendigkeit einer solchen
gegeben sei - doch was, wenn der depressive Part, was nicht
ungewöhnlich ist, dies nicht einsehen will und immer mehr in
einem depressiven Strudel zu ertrinken droht?
An diesen Stellen, die dann wirklich für unschöne
Szenen im Familienleben sorgen können, bleibt der Leser
allein, weil es in solchen Situationen oft kein für alle
positives Endergebnis gibt. Befindet man sich in einer wirklich
prekären Situation mit den Eltern, hilft dieser Ratgeber also
nicht weiter, sondern nur die persönliche Ansprache
professioneller Hilfe.
Um sich der Gesamtsituation, die der Ruhestand der Eltern mit sich
bringen kann, bewusst zu werden, ist dieser Ratgeber allerdings eine
sehr empfehlenswerte Lektüre.
(Tanja Elskamp; 02/2007)
Claudine
Badey-Rodriguez, Rietje Vonk: "Wenn alte Eltern schwierig werden"
Aus dem Französischen von Karola Bartsch.
Patmos, 2007. 127 Seiten.
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