Krista Hauser: "Ruth Drexel"
Die vorliegende Biografie ist
bewusst "verkehrt" gehalten: Sie beginnt mit der Film- und
Serienschauspielerin, die als Mutter des "Bullen von Tölz" für
Furore sorgte.
Für die meisten Menschen war Ruth Drexel die Verkörperung von Resi Berghammer. Dass dies nur ein kleiner
Ausschnitt der schauspielerischen Brillanz der langjährigen Lebenspartnerin von
Hans Brenner war, wissen wohl die Wenigsten. Somit ist diese Biografie dazu
angetan, wesentliche Aspekte des künstlerischen Lebens von Frau Drexel
darzustellen.
Es war nicht einfach, an den Menschen Ruth Drexel heranzukommen. Sie erzählte
nur ungern Privates und plauderte auch nicht gern "aus der Schule". Für
sie war Zeit ihres Schauspiel- und Regielebens die Arbeit von vorrangiger
Bedeutung. Hier investierte sie sehr viel Energie, und wo sie schon das Glück
hatte, jene Fähigkeiten auszuspielen, zu denen sie berufen war, schöpfte
sie dieses Potenzial buchstäblich bis zur Erschöpfung aus.
Ruth Drexel hatte sich schon bald dazu entschieden, Schauspielerin werden zu
wollen. Sie sprach in der "Falckenberg-Schule" bereits zu einem
Zeitpunkt vor, zu dem sie nicht damit rechnen konnte, aufgenommen zu werden. Mit
achtzehn Jahren schaffte sie es dennoch. Das Glück war zunächst nur von kurzer
Dauer, da sie sich erlaubte, ein wenig Kritik zu üben. Es erfolgte ein kleines
"Zwischenspiel" als Bankangestellte an der Seite ihrer Mutter. Doch
nach nur einem Jahr wurde sie abermals bei der "Falckenberg-Schule"
vorstellig, wobei sie diesmal eine reguläre Aufnahmeprüfung bestand und die
halbjährige Probezeit ohne Schwierigkeit bewältigte. In den ersten Jahren
waren ob der Nachkriegsjahre karge Zeiten nicht nur für Schauspieler. Ruth
Drexel war Kriegswaise und bekam ein kleines Stipendium. Das Untermietzimmer
wurde von ihrer Mutter finanziert. Für 25 Pfennige "Unkostenpauschale"
trat sie in winzigen Rollen als Komparsin der Kammerspiele auf. Ansonsten waren
keine Beschäftigungen zu finden. Sie schwänzte öfters Stunden, die ihr wenig ergiebig
erschienen, und schaute bei den Proben der Kammerspiele vorbei. Hier lernte sie
für ihr weiteres Leben als Schauspielerin am meisten. Besonders beeindruckt war
sie u.a. von Fritz Kortner, Karl Paryla, Norbert Kappen und Hans-Christian
Blech. Ein schauspielerisches Vorbild hatte sie allerdings nicht.
Die angehende Schauspielerin wurde insbesondere vom Chef der Kammerspiele, Hans
Schweikart, geprägt. Nach Abschluss der Schauspielschule 1953 holte er sie an
die Kammerspiele, wo sie bis 1971 immer wieder zu sehen war.
Da sie schon als junger Mensch politisch sehr engagiert war, wollte sie "hinaus",
und zwar nach Ostberlin. Dieser Ort war für sie fast ein Synonym für
Brecht,
der zeitgemäßes Theater präsentierte, welches ihrer politischen Haltung entsprach.
1956 brachte sie ihre Tochter Katharina zur Welt, und ab den Spielzeiten
1957/1958 und 1958/1959 gehörte sie zum "Berliner Ensemble", in dem Helene Weigel
nach Brechts Tod im Jahre 1956 leidenschaftlich dessen Erbe hütete. Ruth Drexel
bekam während dieser Saisonen wunderbare Rollen: u.a die Yvette Pottier in
Brechts "Mutter Courage" und die Betty Dullfeet in Brechts "Der
aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui".
Ruth Drexel hatte in den 1960er-Jahren Engagements in Hamburg, Frankfurt,
Stuttgart, Wien und
München.
1969 lernte sie in Berlin ihren langjährigen Lebenspartner Hans Brenner kennen.
Sie sagte über den gebürtigen Tiroler zu Beginn ihres gemeinsamen Lebens:
"Zähmen ließ er sich nicht, und einen Mann, der sich zähmen läst, hätte
ich auch gar nicht gewollt."
Sie standen in diesem Jahr im Stück "Viet Nam Diskurs" von
Peter
Weiss zusammen auf der Bühne am Halle'schen Ufer, das mit einem Skandal endete,
der politisch bedingt war. Skandale und Skandälchen gab es immer wieder. So
wurde Ruth Drexel nach der Premiere des Einakters "Heimarbeit" von
Franz Xaver Kroetz 1971 gar "Skandalhexe" genannt.
Diese dichte Biografie über Ruth Drexel beschreibt die verschiedenen
Schauspiel- und Regiestationen der als Prinzipalin bezeichneten Intendantin des
Münchner Volkstheaters.
Sie war es etwa, die als Regisseurin Tobias Moretti entdeckte, der damals noch
einen anderen Namen trug. Zudem förderte sie maßgeblich die Karriere des
Felix
Mitterer, in dessen Film "Die Heilerin" sie im Jahre 2004 in der Hauptrolle
zu sehen war. Sie war dafür bekannt, viele noch weitgehend unbekannte Schauspieler
oder Regisseure zu fördern. Ihr Stil als Regisseurin und Intendantin war stets
von purer Menschlichkeit geprägt. Vorrangig war ihr stets, dass sich die Schauspieler
und Regisseure voll entfalten konnten. Als Schauspielerin hatte sie schon in
jungen Jahren viel Ruhm ob ihrer darstellerischen Fähigkeiten geerntet. Mit
ihrem Lebenspartner Hans Brenner spielte sie in zahlreichen Stücken gemeinsam,
wobei insbesondere die Karl-Valentin-Abende hervorzuheben sind. Sie und Hans
Brenner waren das kongeniale Paar guthin. Umso schwerer muss sie sein früher
Tod im Jahre 1998 getroffen haben.
Von 1988 bis 1998 leitete sie das Münchner Volkstheater. Hans Brenner stand
zeitweise in einer Spielzeit in zahlreichen verschiedenen Produktionen auf der
Bühne. Er war Goethes Mephisto,
Büchners
Woyzeck, der Mackie Messer in der "Dreigroschenoper", und liebte seine österreichischen
Autoren Raimund, Nestroy,
Schnitzler und Horvath. Eine "verrückte" Geschichte
ist auch, dass Ruth Drexel den Autor, Schauspieler und ehemaligen Fußballer
Wolfgang Maria Bauer förderte. Er ist ja nunmehr als Nachfolger von Peter Kremer
der neue "Siska".
Gleich 1988 holte sie
Katharina
Thalbach
als Regisseurin an ihr Theater. Die erst 34-jährige Schauspielerin
durfte drei Einakter von Brecht inszenieren. Es gibt unzählige
Geschichten über
Ruth Drexel zu erzählen, die alle fein sortiert in der Biografie
stehen. So
manche Überraschung wird dem Leser dabei nicht erspart bleiben, da
sie in ihrem
Leben als Schauspielerin, Regisseurin und Intendantin unfassbar viel
gespielt
und inszeniert hat. Ein Lebenswerk ist für sie mit Sicherheit die
Etablierung
der Sommerfestspiele in Telfs, wo zahlreiche Tiroler Schauspieler ihre
zweite
Heimat gefunden haben. Einer dieser Schauspieler war Kurt Weinzierl;
Felix Mitterers Stücke sind ein Kernpunkt dieser Festspiele.
Die "Arbeiterin" Ruth Drexel wird biografisch sehr gut in Szene
gesetzt, wie es wohl einer Schauspielerin ihres Formates gebührt. Da sie
jedoch, wie anfangs bereits kurz erwähnt, nur wenig über ihr Privatleben
verlautbaren wollte, ist dieses auch weitgehend ausgespart. Es ist also sozusagen
eine Künstlerbiografie, die uns vorliegt. Wobei ich davon überzeugt bin, dass
Ruth Drexel einer der wenigen Menschen auf diesem Planeten gewesen sein mag, die sich über
ihren Beruf als wahrliche Berufung definieren wollen und können. Die
zahlreichen Bilder ihrer Jahrzehnte langen Karriere ergänzen den Text auf
wunderbare Art und Weise.
Ruth Drexel starb am 26. Februar 2009.
(Jürgen Heimlich)
Krista Hauser: "Ruth Drexel"
Haymonverlag, 2005. 160 Seiten; zahlreiche Farbfotos.
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Krista Hauser wurde 1941 in Innsbruck geboren. Sie ist als Kulturjournalistin bei der Tiroler Tageszeitung und seit 1980 beim ORF Fernsehen tätig sowie als Gestalterin zahlreicher Filme über Kulturthemen und Protagonisten der Szene.