Philippe Djian: "Reibereien"
Mit dem Versprechen "Ich verlasse dich nie" tröstet der elfjährige Sohn seine Mutter nach einem Ehekrach
Seit dem Erfolg seines Romans "Betty
Blue" und dessen sinneserfreuender Verfilmung hat der 1949 in Paris geborene
Philippe Djian sehr
unterschiedliche Titel produziert.
Einige waren sehr erfolgreich, und andere sind weniger beachtet worden - zumindest
von der breiten Öffentlichkeit.
Der Ich-Erzähler in "Reibereien" beginnt den Bericht über
sein Leben mit dem elften Lebensjahr und beschreibt, wie seine alkoholsüchtige
Mutter mal wieder von seinem Vater besucht wird. Und zwar zum letzten Mal im
Leben des Jungen. Die Mutter - auch angestiftet durch ihre Freundin Olga - hält
nicht viel von dem Mann und will ihren Sohn nach Möglichkeit ganz für sich
selbst haben. Dies hält sie aber nicht davon ab, ständig mit neuen Männern
auszugehen und dabei in Zustände zu kommen, die es oft notwendig machen, dass
der Sohn die sturzbetrunkene Mutter nach Hause bringt.
Der überaus
attraktive Mann macht schließlich Karriere als Unterwäschemodell, was seiner
Frau zunächst relativ wenig zusagt. Immer wieder auf die Probleme und Sorgen der
Mutter eingehend, kann sich der Protagonist einfach auf keine andere Frau
festlegen und schwirrt von Beziehung zu Beziehung, von Affäre zu Affäre und
schließt doch keine innigen Verbindungen, denn das Versprechen, das er als
Elfjähriger seiner Mutter gegeben hat, ("Ich verlasse dich nie"), wirkt immer
weiter fort und verhindert effektiv jede Beziehung zu einer anderen
Frau.
Als die Mutter schließlich einen Mann findet, der dem verstorbenen
Vater des Ich-Erzählers zum Verwechseln ähnlich sieht, beginnt sich die Dynamik
der Beziehung zwischen Mutter und Sohn zu verschieben - mit erstaunlichen
Konsequenzen für alle Beteiligten.
Der Ödipuskomplex in Verbindung
mit einem ausgeprägten und personengebundenen Helfersyndrom - eine Kombination
voller Möglichkeiten, und so passiert auf den vergleichsweise wenigen Seiten
dieses Romans in fünf Auszügen aus dem Leben des Erzählers auch eine ganze Menge.
Doch irgendwie bleibt alles ziemlich absichtslos und plätschert so dahin.
Trotz beruflichen Erfolgs ist der Erzähler nicht wirklich zufrieden,
da er sich seine wahren Träume nicht eingestehen kann.
Neben dieser Geschichte finden sich auch in "Reibereien" wieder Djians typische
Momente eines Romans, wie die eher unmotivierten
Gewaltorgien,
die banalen plötzlichen Tode und natürlich die immer wiederkehrende Kritik an
seinen schreibenden Kolleginnen und Kollegen.
Vielleicht liegt es an dem zerstückelten Stil des Romans, aber
die Figuren kommen nicht wirklich aus der Geschichte heraus und bleiben immer
nur die Ideen möglicher Charaktere, ohne jemals wirklich plastisch zu werden.
Man kann darin den Zauber von "Reibereien" sehen, wie es an anderer Stelle
geschah, aber es ist ein Zauber, der sich den Lesern nicht ohne Weiteres
erschließt.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 02/2005)
Philippe Djian: "Reibereien"
(Originaltitel
"Frictions")
Übersetzt von Uli Wittmann.
Diogenes, 2005. 234
Seiten.
ISBN 3-257-06469-1.
ca. EUR 20,50.
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