Philip K. Dick: "The Man in the High Castle"


Neben A. C. Clarke, R. A. Heinlein, Isaac Asimov und wenigen Anderen gehört Philip K. Dick zu den anerkannten literarischen Größen der SF-Literatur des 20. Jahrhunderts. Nichtleserinnen und -lesern ist er eventuell durch die Filme "Bladerunner" (nach "Do Androids Dream of Electric Sheep", 1968), "Total Recall" ("We can Remember It for You Wholesale") und "Minority Report" (gleicher Titel) bekannt, auch wenn sie nicht unbedingt wissen, dass die Drehbücher dieser Filme auf seinen Romanen oder Kurzgeschichten beruhen.

"The Man in the High Castle" ist 1962 erschienen, was wichtig ist zu bedenken, da dieser Roman jüngere Leserinnen und Leser an Harris' "Fatherland" oder Stephen Frys "Making History" erinnern könnte, die aber deutlich später erschienen sind. Anders als die oben genannten alternativen Behandlungen des Dritten Reichs in einer Art Parallelwelt war dieser Roman - ähnlich wie Spinrads "Der stählerne Traum" in Deutschland für lange Zeit auf dem Index der jugendgefährdenden Schriften.

Der vorliegende Roman spielt in einer Welt, in der die Nazis und das japanische Reich den 2. Weltkrieg gewonnen und die Welt danach unter sich aufgeteilt haben. Hierbei wurden die USA in den Atlantik- und Pazifikbereich geteilt, die eine Seite für die Deutschen, die andere für die Japaner. Dazwischen gibt es eine kleine Pufferzone.

Anders als die Japaner haben die Deutschen die Atombombe, und sie haben das Mittelmeer trockengelegt um Ernteland zu gewinnen. Was auf dem deutschbesetzten afrikanischen Kontinent geschieht, ist so unglaublich und grauenhaft, dass einem der Holocaust fast wie eine Ouverture vorkommen könnte. Genozid im industriellen Maßstab gesteigert zum industriellen Genozid im kontinentalen Maßstab. Gleichzeitig besteht ein Auslieferungsbündnis zwischen den Japanern und den Deutschen, demzufolge alle Juden, die in japanischen Gebieten gefunden werden, umgehend an die Deutschen ausgeliefert werden müssen.

Die Japaner folgen dem, weil sie sich sicher sind, einen "endgültigen" Krieg gegen die Deutschen nicht gewinnen zu können. Sie verachten die großen Unternehmungen der Deutschen und belächeln ihr Raumfahrtprogramm, das in kürzester Zeit "Arier" auf den Mond und zu Beginn dieses Buchs sogar auf den Mars gebracht hat - wo sie nach einem im japanischen Gebiet umlaufenden Witz sofort die Marsianer nach einem "Ahnenpass" fragten.

Ein Kunst- und Antiquitätenhändler, der Americana an japanische Geschäftsleute und Politiker verkauft, zwei Handwerker, die sich selbstständig machen, und eine junge Judolehrerin, die mit einem Lastwagenfahrer anbändelt, sind die amerikanischen Helden dieses Romans, die versuchen aus einer sklavenähnlichen Stellung heraus nach oben zu kommen, inspiriert durch einen Roman mit dem Titel "Schwer ruht der Grashüpfer", in dem eine Welt dargestellt wird, in der die Briten und Amerikaner den Krieg gewonnen haben und danach die Welt unter sich aufteilten, bis schließlich die eine Seite über die andere herfiel. Dieser Roman ist das meistgelesene und am umfänglichsten verbotene Buch in der von Dick dargestellten Welt, geschrieben von einem Autor, der sich laut Klappentext in einer Burg in den Bergen vor den Deutschen und den Japanern versteckt. Aber auch unter Wegener von der deutschen Abwehr und Herrn Tamogi von der japanischen Handelsniederlassung in Chicago findet er ungewöhnliche Anhänger.

Ein sehr nachdenklich stimmender Roman, der deutlich zeigt, warum wir schon ganz froh sein können, dass der Zweite Weltkrieg so ausgegangen ist, wie er es in dieser Realität tat. Stellenweise beschäftigt sich Dick in diesem Roman ein wenig zu umfänglich mit dem I Ching, das gegen Ende des Romans noch einmal eine wirklich überraschende Rolle spielt, aber von diesem kleinen Schönheitsfehler abgesehen, gehört "The Man in the High Castle" sicherlich zur Weltliteratur, weswegen man das Werk ja auch in die SF-Masterworks-Reihe aufgenommen hat.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 02/2003)


Philip K. Dick: "The Man in the High Castle"
Englische Ausgabe:
Gollancz, 2001. 249 Seiten.
ISBN 0-575-07335-7.
ca. EUR 23,63.
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