Karlheinz Deschner: "Der Moloch"

Eine kritische Geschichte der USA


Auslöser dieses Buches über die Vereinigten Staaten war laut Vorwort die "ungeheure Heuchelei" des sogenannten Golfkrieges, die in weiterer Folge den Autor veranlasste, "das ganze grauenhafte Gespinst aus Gewalt und Verlogenheit einmal im Zusammenhang dieser Geschichte zu zeigen".

Das Credo des Autors (im für viele Leser wohl sensationellsten Kapitel über die Unterstützung Hitlers durch die Wallstreet) sei hier in eigenen Worten wiedergegeben:

"Die etablierte Geschichtsschreibung, die mitunter so überheblich wie unlauter auf Objektivität insistiert, vernachlässigt noch immer gerade die wirtschaftlichen Komponenten im globalen Beziehungsgeflecht, die ökonomischen Faktoren als bestimmende Antriebskräfte, und spart die Manipulationen des multinationalen Geldgesindels gewöhnlich gänzlich aus. ... Wer Geschichte nicht als Kriminalgeschichte schreibt, ist ihr Komplize."

Mag auch der aus dieser Einstellung resultierende Stil der Emotionalität der Geschichtsbetrachtung nicht jedermanns Sache sein, mögen manche Formulierungen, etwa die Bezeichnung Winston Churchills als einen "der blutgierigsten Deutschenhasser aller Zeiten, ein fetter britischer Bulle, der im Töten von Deutschen das erste Ziel des Krieges sah", manchen zeitgeistig-sensiblen Lesern aufstoßen, so kann dies dennoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Buch in erster Linie durch seine enorme Wissensfülle, durch die gnadenlose Auflistung präziser Fakten besticht. Und spricht nicht gerade obiges Zitat über Churchill (mit dem Deschner nicht nur angesichts des mörderischen Bombenkriegs gegen die Zivilbevölkerung ins Schwarze trifft, und das nur hinsichtlich des vielleicht unnötigen Attributes "fett", das jedoch auch voll und ganz der Wahrheit entspricht, anfechtbar erscheint) sogar für die Unbestechlichkeit des Autors, dessen Wille zur Wahrheit sich um herrschende Einschätzungen, "political corectness" und Berührungsängste gegenüber (hier ausnahmsweise) rechts und (über weite Strecken) links keinen Deut schert?

Einmal von solchen sicher für viele Zeitgeistler unerträglichen Verbaliniurien abgesehen - Hauptanliegen des Autors ist die Durchleuchtung wirtschaftlicher Zusammenhänge, die Darstellung des Kapitalismus als treibende politische Kraft, in der Geschichte der USA also früher als bei anderen Staaten, in den schlichten Worten des laut Deschner ebenso geistig schlichten Präsidenten Calvin Coolidge: "Amerikas Geschäft ist das Geschäft." Dieses "Geschäft" war Antriebsmotor für die Indianerausrottung, für den sogenannten Sezessionskrieg, für den Kriegseintritt in beide Weltkriege (im wahrsten Sinne "Bombengewinne") - beide bekanntlich unter hohem Opfer an (amerikanischen) Menschenleben (Luisitania, Pearl Harbour) provoziert, dazwischen für die Finanzierung der Russischen Revolution (da mit den Bolschewisten bessere Geschäfte als mit dem rückständigen Zarenregime zu machen waren) und des deutschen Nationalsozialismus und aller (Un-)Taten seit 1945, bis zum Golfkrieg.
Trotz der Konzentration auf die Darstellung des Zusammenhangs kommen - wie oben erwähnt - die Details nicht zu kurz: So erfährt der Leser Erstaunliches über die Rolle des deutschen Bundespräsidenten v. Weizsäcker im Zusammenhang mit der Produktion des Giftgases "agent orange", über Präsident Reagans Verhältnis zur Mafia, über die Machenschaften des industriell-militärischen Komplexes uvm.

Am Ende ist Deschner um eine Hoffnung ärmer als der Autor des vormals bekanntesten Antiamerikabuches "Hallelujah", Joachim Fernau, der noch auf ein Obsiegen des Kommunismus hoffen durfte. Dass ein sich weltweit durchsetzender Amerikanismus in weiterer Zukunft zumindest jegliches menschliche Leben auf unserem Planeten auslöschen wird, darüber waren sich beide Autoren im Klaren. Das einzig tröstliche Fazit, das Deschner auf der letzten Seite seines Buches aufbringen kann, ist die Vorstellung New Yorks oder Washingtons als Graswüste in vielleicht nicht allzu ferner Zukunft.

Dieses Buch darf jedenfalls in keiner Bibliothek von geschichtsinteressierten Lesern fehlen, man sollte es überdies geradezu als Pflicht-Schullektüre einführen.

(Franz Lechner; 03/2002)


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Karlheinz Deschner ist am 8. April 2014 im Alter von 89 Jahren gestorben.

zu einer Leseprobe aus Deschners Buch ...