Philip Ball: "Brillante Denker, kühne Pioniere"

Zehn bahnbrechende Entdeckungen


Die Schönheit des naturwissenschaftlichen Experiments

Eine Bestenliste der bedeutendsten Entdeckungen kann natürlich nicht ganz objektiv sein. Trotzdem dürften die meisten Wissenschaftler im Großen und Ganzen übereinstimmen, wenn es um eine Beurteilung herausragender Forscher und Experimente geht. Einige davon kann man in diesem Buch auf unterhaltsame und sehr informative Weise kennen lernen.

Der Autor untersucht in der Einleitung den Begriff der Schönheit, insbesondere im Zusammenhang mit Experimenten: Was verstehen Naturwissenschaftler unter einem "schönen" Experiment, was macht eine "schöne" Gleichung aus? Im ersten Kapitel wird dem Leser sogleich ein elegantes Experiment vorgestellt, das gleichzeitig den Übergang zwischen Alchemie und aufgeklärter Naturwissenschaft markiert. Der Forscher, der schlüssig nachwies, dass Pflanzen nicht aus Erde entstehen (wiewohl er mit seiner Interpretation, sie entwickelten sich aus Wasser, nicht ganz richtig lag), hieß Jan Baptista van Helmont und ist zu Unrecht weitgehend in Vergessenheit geraten.

Als Protagonist des zweiten Kapitels tritt Henry Cavendish auf, der nicht nur nachwies, dass Wasser kein Element ist, sondern auch an der Beseitigung der lange gehegten Phlogiston-Theorie mitwirkte, die Oxidations- und Reduktionsvorgänge völlig falsch interpretierte.

Im dritten Kapitel geht es um die hartnäckige und unerschrockene Forschungsarbeit der Curies in Paris, während sich das vierte mit Rutherfords Aufklärung der Natur der bei vielen Arten von radioaktivem Zerfall entstehenden Alpha-Strahlung befasst. Auch das nachfolgende Kapitel handelt von Radioaktivität, nämlich von der Herstellung der Transurane und der elegant konzipierten Versuche zur Untersuchung der Chemie eines dieser höchst instabilen Elemente, Seaborgium, anhand einzelner Atome.

Anschließend begibt sich der Leser zurück ins 19. Jahrhundert, zu Louis Pasteur und dessen Erkenntnisse zum Molekülaufbau optisch aktiver Substanzen, die spiegelbildlich aussehende Kristalle bilden.
Rund hundert Jahre später ist der nächste Abschnitt angesiedelt: das Nachkochen der Ursuppe durch Stanley Miller und Harold Urey, das interessante Impulse für unser Verständnis der Entstehung des Lebens gegeben hat. Im neunten Kapitel schließlich lernt der Leser einen der bedeutendsten Synthesechemiker kennen, Robert Burns Woodward; sein spektakulärster Erfolg war die Synthese des Vitamins B12, des bis dahin kompliziertesten bekannten Moleküls.

Das letzte Kapitel hat ebenfalls mit aufwändig herzustellenden Molekülen aus Kohlenstoff zu tun, nämlich jenen, die von der räumlichen Struktur her den platonischen Körpern Tetraeder, Würfel, Oktaeder, Dodekaeder und Ikosaeder entsprechen. Dies führte zur Entdeckung der Fullerene, jener berühmten "Fußballmoleküle", deren bekanntestes die Formel C60 trägt.

Der Inhaltsabriss mag für Nicht-Naturwissenschaftler wenig spektakulär klingen, zumal der praktische Nutzen mancher Experimente, beispielsweise der Herstellung der Transurane, bislang fehlt; die Bedeutung von Marie Curies mühsamer Aufarbeitung großer Mengen von Pechblende zur Gewinnung von ein paar Stäubchen Radium hingegen erschließt sich leichter.

Welche Kühnheit und wie viel Hartnäckigkeit und logischer Verstand in diese Experimente eingegangen sind, weiß der Autor freilich derart spannend und anschaulich darzustellen, dass deren Sinn und eben die bereits angeschnittene Schönheit für den Leser begreiflich und nachvollziehbar werden. Ebenso informativ wie unterhaltsam sind zudem die Berichte über die Rezeption der Versuche in der Forschergemeinde und in der Öffentlichkeit sowie Konsequenzen aller Art, die sich aus ihnen ergaben. Nicht zuletzt erhält der Leser einen interessanten Einblick in die Methoden naturwissenschaftlichen Forschens und Experimentierens seit dem Übergang von der Mystik zur Aufklärung.

Jedes Kapitel wird von einer Kurzbiografie des jeweiligen Protagonisten eingeleitet, in der auch schon die Entdeckung Erwähnung findet, um die es im jeweiligen Kapitel hauptsächlich geht.

Zur Veranschaulichung dienen zahlreiche Grafiken und Übersichten, auch Fotografien und Bilder der vorgestellten Forscher, ihrer Versuche und Labors illustrieren den Text, der sich vor allem an naturwissenschaftlich, vielleicht auch wissenschaftshistorisch und philosophisch interessierte Laien wendet. (Dass bei einer Bildunterschrift Vitamin B12 und Chlorophyll verwechselt wurden, dürfte diesen nicht unbedingt auffallen, erwähnt sei es trotzdem.) Vorkenntnisse abseits einer guten Allgemeinbildung sind für die Lektüre daher nicht erforderlich.

"Brillante Denker, kühne Pioniere" ist ein Buch, das auf packende Weise aufzuzeigen vermag, welche Mühen, oft gekoppelt mit hartnäckigem Nonkonformismus, aber auch Geistesblitze hinter bedeutenden Entdeckungen stecken, und das beweist, dass Chemie eben nicht nur "kracht und stinkt", sondern von bestechend schönen Experimenten gestützt wird.

(DH/Regina Károlyi; 06/2007)


Philip Ball: "Brillante Denker, kühne Pioniere. Zehn bahnbrechende Entdeckungen"
Übersetzt von Dr. Anna Schleitzer.
Wiley VCH, 2007. 233 Seiten.
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