Jeffery Deaver: "Der Insektensammler"

Im Paquenoke Sumpf ist ein junges Mädchen entführt worden. Der Tat verdächtig ist der 16-jährige Garrett Hanlon, ein abstoßender Einzelgänger, der seit dem Tod der Eltern und der kleinen Schwester bei Pflegeeltern lebt. Er beschäftigt sich fanatisch mit giftigen Insekten, weshalb man ihn im Ort - halb ängstlich, halb abfällig - nur "den Insektensammler" nennt. Das Ermittlerteam bestehend aus Lincoln Rhyme und Amelia Sachs schlägt wieder zu!


Lincoln will für Amelia wieder eine größere Beweglichkeit erwerben, weswegen er sich zu einer komplizierten Operation bereit erklärt, die in North Carolina stattfinden soll. Doch kaum dort ankommen werden sie, während sie auf Lincolns Operationstermin warten, in einen Entführungsfall verwickelt, bei dem ein junger, leicht verwirrter Mann - Garrett Hanlon -, der ein großes Interesse an Insekten hat, als Täter verdächtigt wird.

In diesem unvertrauten Umfeld ist Lincoln in seinen Ermittlungen zunächst ziemlich unsicher; eine Beobachtung, die man schon bei dem großen fiktionalen Detektiv Sherlock Holmes feststellen konnte. Trotzdem gelingt es ihm innerhalb sehr kurzer Zeit, den jungen Mann mit der Hilfe von Amelia in den Sümpfen aufzustöbern, den sie dann mit Hilfe der psychotherapeutischen Technik des "leeren Stuhls" - die hier im Übrigen sehr anschaulich beschrieben wird - interviewen um herauszufinden, wo die junge Dame versteckt ist, die er entführt haben soll. Doch im Laufe des Interviews und der weiteren Ermittlungen erfährt Amelia etwas, das sie anscheinend zwingt, die Fronten zu wechseln, und zusammen mit dem jungen Mann entzieht sie sich dem Zugriff der Ermittlungsbeamten um sich mit Garrett, trotz ihrer Arthritis, in die Sümpfe zu begeben um die Geisel zu befreien.

Neben der eigentlichen Kriminalgeschichte spielen in diesem Roman auch andere Dinge eine wichtige Rolle, wie zum Beispiel die Beziehung zwischen Lincoln und Amelia, die Ängste eines Gelähmten vor den Möglichkeiten der Heilung und einem möglichen Tod. Außerdem ist Amelias sehr hohes Gewaltpotential und dessen Hintergründe gerade in ihrem Marsch durch die Sümpfe, als sie von dem normalen Ermittlungsunterstützungssystem abgeschnitten ist, sehr interessant zu lesen, so dass die psychologischen Elemente dieses Romans das kriminalistischen Moment sehr schnell überschattet, was meiner Meinung nach gerade seine besondere Qualität ausmacht. Für Amelia ist dieser Zug durch den Sumpf ihr persönliches "Herz der Finsternis", das in letzter Zeit nur noch gründlicher in DeMilles "Die Mission" erforscht wurde.

Nicht so blutrünstig wie Deavers übliche Bücher, aber vielleicht gerade deswegen umso lesenswerter.

 (K.-G. Beck-Ewerhardy; 04/2003)


Jeffery Deaver: "Der Insektensammler""
Originaltitel: "The Empty Chair"
Deutsch von Hans-Peter Kraft.
Gebundene Ausgabe:
Blanvalet, 2001. 476 Seiten.
ISBN 3-7645-0128-6.
ca. EUR 22,-. Buch bestellen

Taschenbuch:
Blanvalet, 2003. 476 Seiten.
ISBN 3-442-35905-8.
ca. EUR 8,90. Buch bestellen