Shobhaa Dé: "Regen in Bombay"


Abgründige Glitzerwelt

Nisha, eine junge Studentin, lernt eines Tages "Gott" kennen, einen jungen, gammelig aussehenden Mann, der eigentlich Dev oder Deb heißt, was in der Tat "Gott" bedeutet. Für ihn bricht sie ihr Studium ab und beginnt zu arbeiten; dies bringt auch einen Bruch mit ihrer gesellschaftlichen Stellung mit sich. Gott hat Nisha, objektiv betrachtet, nicht viel zu bieten. Er sieht sich als begnadeten Dichter und lässt sich von Nisha aushalten. Zwischen den beiden entspinnt sich eine eigenartige Beziehung ohne viel Erotik. Gott, Sohn eines eingefleischten Kommunisten, hasst Nishas Schicht und beneidet diese doch heimlich um ihren Luxus, und Nisha kann nicht immer verheimlichen, dass sie auf Gotts Herkunft herabsieht.

Dann beginnt Gotts Aufstieg. Als Journalist für eine Literaturzeitung versteht er es, wichtige Kontakte zu knüpfen, und je tiefer er in Bombays oberflächliche Glitzerwelt eintaucht, desto mehr macht er sich deren Streben nach Prestigeobjektiven und Repräsentation zu eigen. Nisha begleitet ihn von Zeit zu Zeit, fasziniert und gleichermaßen abgestoßen von einer Gesellschaft, in der es nur um Sex und Intrigen zu gehen scheint - und um das ganz große Geld. Ab und zu versucht Nisha, sich von Gott zu lösen und eine zukunftsträchtigere Beziehung einzugehen, doch sie kehrt stets zu Gott zurück. Als Gott beginnt, sich als rechte Hand eines mafiösen Lebemannes in dessen kriminelle Machenschaften zu verwickeln, bröckelt die Beziehung allmählich von selbst, und nach sechs Jahren stellen die beiden fest, dass sie einander fremd geworden sind.

Das Blatt wendet sich noch einmal: Nisha, die mittlerweile selbst zum journalistischen Schreiben gefunden hat, verfasst eine Enthüllungsreportage über Gotts Arbeitgeber und bringt sich und ihn damit unbeabsichtigt in Lebensgefahr.

Shobhaa Dé kennt die Welt, über die sie schreibt. Sie versteht es meisterlich, voller Sarkasmus, gelegentlich auch mitleidsvoll, die Menschen zu porträtieren, aus denen sich die "Szene" in Bombay zusammensetzt: skrupellose, sexhungrige Geschäftsleute mit einem Harem williger Mädchen, die sich alles gefallen lassen, um nach oben zu gelangen, neurotische Diven beiderlei Geschlechts und jeglicher sexueller Orientierung, die für Klatsch und Tratsch sorgen, Künstler und Möchtegernkünstler, die sich aufwändig inszenieren, und bei denen der Schein oft wesentlich mehr zu bieten hat als das Sein, und jede Menge Mitläufer wie Gott und auch Nisha selbst, die sich ein Stück vom Kuchen sichern möchten - wie all die Anderen auch.

Die stark zersplitterte Handlung bewegt sich häufig mehr im Zickzack als voran. Der Hauptstrang, die Geschichte von Nisha und Gott, dient meistens nur als Aufhänger für zahllose andere Geschichten aus der erwähnten Glitzerwelt, Einzelschicksale, die oft in sich abgeschlossen sind, manchmal auch einen für die spätere Handlung bedeutsamen neuen Protagonisten hervorbringen. Nur eingangs und gegen Ende entwickelt der Hauptstrang eine starke Dynamik.

Mitteleuropäischen Lesern, die ein repräsentatives Lebensbild aus Bombay oder gar Indien selbst erwarten, dürfte dieser Roman wenig entgegenkommen. Die lebhafte, skurrile, nicht selten zynische und mit reichlich Sex gewürzte Geschichte gibt jedoch die Gesellschaft gut wieder, die sich am Rande Bollywoods angesiedelt hat und von den Erfolgen der Filmindustrie zehrt, eine Gesellschaft, in der ein Leben nicht viel gilt, wenn es nicht den richtigen Leuten nützt. Grellbunt und ironisch schildert die Autorin diese Welt aus der Sicht einer Außenstehenden, die nur mit Mühe vermeiden kann, allzu tief in den Strudel Bollywoods hineingezogen zu werden.

(Regina Károlyi; 06/2007)


Shobhaa Dé: "Regen in Bombay"
Übersetzt von Uschi Gnade.
dtv, 2007. 337 Seiten.
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Shobhaa Dé, 1948 in Maharashtra geboren, begann ihre Karriere mit 17 als Fotomodell, während sie in Bombay Psychologie studierte. Mit 22 wurde sie Journalistin und gründete drei beliebte indische Zeitschriften: "Stardust", "Society" und "Celebrity". 1988 schrieb sie ihren ersten Roman und ist seither freie Autorin.

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Sie erweckt ihre Kindheit und Jugend zum Leben und lässt uns teilhaben an den Anfängen ihrer Karriere. Sie erzählt davon, wie sie - fast gegen ihren Willen - als Modell entdeckt wurde und nach einigen wilden Jahren in die Hochglanzwelt der Prominentenzeitschriften eintauchte. Mit scharfen Augen hat sie Glanz und Elend der "Bollywood"-Filmstars beobachtet und scheut nicht davor zurück, die miesen kleinen Geschäfte der Vermarktungsindustrie zu beschreiben. Sie berichtet, wie sie als Mordkomplizin verdächtigt und als Feministin und Sex-Autorin beschimpft wurde. Eingeweihte wissen allerdings, dass es ihrer fanatischen Arbeitswut und ihrem ruhelosen Lebensrhythmus zum Trotz einen festen Mittelpunkt für sie gibt: ihre Familie und ihre Kinder. (dtv)
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