Michel Reimon: "Days of Action"

Die neoliberale Globalisierung und ihre Gegner


In den letzten Jahren hat sich langsam aber sicher eine schillernde, vielseitige, differenzierte Protestbewegung gegen neoliberales ausbeuterisches Wirtschaftscredo entwickelt, die auch von den etabliertesten Medien nicht länger ignoriert werden kann. Getragen werden die vielfältigen Gruppen von unterschiedlichsten Menschen aus eben solchen Gesellschaftsschichten. Viele darunter gehören zu den jungen BürgerInnen westlicher Staaten, denen Politikverdrossenheit und durch permanenten Konsum bedingte Apathie nachgesagt wurde. Lange funktionierte es, eine von den 1000 wirtschaftlich stärksten Konzernen lancierte Politik, die diesen Namen nicht verdient, über die Köpfe der WählerInnen hinweg ohne größere Widerstände durchzusetzen.

Wider Erwarten haben sich gerade junge Leute aufgemacht, um ihren Sorgen und Einwänden auf mutige, kreative und unermüdliche Weise Ausdruck zu verleihen. Der Autor Michel Reimon gehört selbst zur vielzitierten als zukunftslos bezeichneten Generation X und verfolgt das Geschehen aufmerksam und mit viel Sympathie. Es ist ihm wichtig, klarzustellen, was das Anliegen der zahlreichen Gruppierungen ist. Es handelt sich hier nicht um Gegnerinnen und Gegner der Globalisierung an sich, sondern lediglich um Kritikerinnen und Kritiker eines menschenfeindlichen, alle Lebensgrundlagen des Großteils der Weltbevölkerung zerstörenden Neoliberalismus.

Undemokratische Institutionen wie die Weltbank, der Internationale Währungsfonds (IMF), das Weltwirtschaftsforum (WEF) oder die Welthandelsorganisation (WTO) repräsentieren ein Weltbild, das nur den Stärksten und den Besten - gemessen an Profitkriterien - Existenzberechtigung erlaubt und den Großteil der Menschheit gerade noch vegetieren lassen möchte. Im Jahre 1999 kam es anlässlich einer Verhandlungsrunde der WTO in Seattle zu ersten großangelegten Demonstrationen und Protestkundgebungen, die das Treffen platzen ließen. Seither werden sämtliche Zusammenkünfte obiger Institutionen und Treffen der G8 - der mächtigsten Staaten der Erde - regelmäßig von Gegenveranstaltungen begleitet. Das System reagierte mit immensen Sicherheitsvorkehrungen und brutaler Gegenwehr durch örtliche Polizei und Militäreinheiten.

Ein trauriger Höhepunkt war die Ermordung des jungen Demonstranten Carlo Giuliani in Genua 2001. Medien berichteten oft einseitig von gewalttätigen TeilnehmerInnen der Protestkundgebungen und unterließen es, willkürliche Attacken und Verhaftungen von polizeilicher Seite zu verurteilen. In Genua wurden massive Menschenrechtsverletzungen gegen DemonstrantInnen so offenkundig, dass sie nicht weiter ignoriert werden konnten. Zusätzlich konnte bewiesen werden, dass von polizeilicher Seite Personen in die großteils friedlich demonstrierenden Massen eingeschleust wurden, die bewusst Sachbeschädigungen durchführten, um GlobalisierungskritikerInnen pauschal als gewalttätige StaatsfeindInnen diskreditieren zu können.

Der Kampf wird weitergehen und Reimon ist überzeugt, dass die Bewegung gewinnen wird. Erste Anzeichen lassen sich ausmachen, wenn aus Gründen der Vernunft beispielsweise gescheiterte Privatisierungen von Unternehmen wieder rückgängig gemacht werden. Der Traum vom alles regelnden Markt neoliberaler Vordenkerinnen und Vordenker entpuppt sich auch für sogenannte Wirtschaftsexpertinnen und Wirtschaftsexperten immer mehr als Seifenblase. Die unglaubliche Verbunkerung, unter der heute Treffen neoliberaler Institutionen stattfinden, sollte eigentlich ein Zeichen dafür sein, wie verzweifelt sie noch versuchen, ihre Existenzberechtigung zu verteidigen. Der Autor wird uns hoffentlich noch weiter mit spannenden Berichten über künftige globalisierungskritische Veranstaltungen versorgen.

(ama;04/02)!


Michel Reimon: "Days of Action"
Ueberreuter Wien 2002
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