Richard Morris: "Darwins Erbe"
"Ameisen besitzen ein sehr einfaches Nervensystem.
Eine einzelne Ameise weist kein großes Verhaltensrepertoire
auf, untereinander verwenden sie nicht mehr als sechs verschiedene
Kommunikationssignale. Eine Ameisenkolonie kann aber sehr komplexe
Aktivitäten entfalten. Es gibt Ameisenarten, die Sklaven
halten. Andere kultivieren Pilze. Wieder andere halten sich
Blattläuse als 'Haustiere', die sie
regelmäßig melken. Solche Aktivitäten gibt
es allerdings nur, wenn viele Ameisen zusammenarbeiten. Eine
Ameisenkolonie zeigt also Fähigkeiten, die ihre einzelnen
Individuen nicht aufweisen."
In
diesem faszinierenden und vor allem für jeden Leser
zugänglich geschriebenen Werk wird vorerst eine Menge an
Aufklärungsarbeit geleistet. Da die Wissenschaft immer weiter
forscht, ist es nur natürlich, dass immer wieder über
neue Forschungsergebnisse diskutiert wird. Aus diesen Diskussionen,
Kritiken, etc. entstehen immer wieder neue Theorien. Richard Morris
erwartet, dass die Evolutionsbiologie in den kommenden Jahren noch
umstrittener sein wird, die Diskussionen auch in zehn Jahren noch
andauern werden; nur die Themen werden andere sein.
Sehr interessant war für mich das Kapitel "Die Geschichte der
Fossilien und der Evolutionsbeweis". So war es möglich,
längst verschüttetes Wissen wieder aufzufrischen und
neue Erkenntnisse dazu zu gewinnen.
Fossilien galten nicht immer als
Geheimnisträger, erst
Leonardo
da Vinci erkannte, dass sie Überreste alter Bewohner
des Meeres waren, was auf wenig Verständnis bei seinen
Zeitgenossen stieß. Besonderes Interesse hat das Thema
"Säugetiere und
Reptilien" bei mir
hervorgerufen und speziell die Evolution des
Menschen. Spannend auch
die Geschichte der gesprenkelten
Motte,
die es in heller und dunkler Farbe gibt, wobei sich die
dünklere Motte durchsetzt und größere
Überlebenschancen hat. Offensichtlich hat hier die Evolution
eingegriffen, der Frage nach dem "Warum" wird nachgegangen.
Ausführlich werden Darwins fünf Theorien der
Evolution erklärt. Morris geht auf das heikle Thema der
natürlichen Auslese und das Problem der Vererbung ein, sowie
auf die Entdeckung der DNS-Struktur im Jahr 1953, die
überzeugende Beweise für die Richtigkeit zweier
Darwinscher Theorien lieferte.
Auch die Behauptung, dass
Mensch und Schimpanse
zu 98,5 Prozent übereinstimmen, findet im Kapitel der
"Evolutionären Verzweigung" eine Antwort. Bei all den
schlüssigen Argumenten beginnt sich der Leser zu fragen,
worüber sich anerkannte Forscher eigentlich streiten? Ein
Hauptdiskussionspunkt ist sicherlich die natürliche Selektion,
von der Darwin überzeugt war, dass sie der wichtigste, aber
nicht einzige Grund für Veränderungen ist. Viele
Forscher sind heute ähnlicher Ansicht, andere wiederum
beharren darauf, dass mithilfe der natürlichen Selektion alle
evolutionären Veränderungen erklärbar sind.
Und auch die Frage der Entwicklungsschritte führt immer wieder
zu heftigen Kontroversen.
Morris gelingt es trotz oder gerade wegen verständlicher
Sprache, die wichtigen Fragen und strittigen Punkte im Bereich der
Evolutionsbiologie verständlich herauszuarbeiten. Langsam
beginnt der Leser zu begreifen, wo die Hauptpunkte für
Konfrontationen der bedeutendsten Wissenschaftler auf diesem Gebiet
liegen.
Durch die umfangreiche Darstellung der Lehre Darwins sowie die
Erklärung
neuester
Forschungsergebnisse bekommt der Leser einen faszinierenden
Überblick über diese spannende Materie und die
Verbissenheit, mit der um diese revolutionäre Theorie
gestritten wird.
Der Autor Richard Morris arbeitet als Physiker in San Francisco und hat
bereits einige Bücher geschrieben, die sich mit den Themen
Kosmos,
Quantenphysik und den
Grenzen der Wissenschaft beschäftigen.
(margarete; 01/2003)
Richard Morris:
"Darwins Erbe"
Übersetzt von Oetzmann/Scharnagl.
Europa
Verlag, 2002. 256 Seiten.
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