Fritz R. Glunk: "Dante"


Dante Alighieri ist für Italien das, was Shakespeare für England oder Goethe für Deutschland darstellt - die literarische Leitfigur schlechthin. Das hätte den im Jahr 1265 - irgendwann im Zeichen der Zwillinge - geborenen Florentiner sicher hoch erfreut; denn Dante galt als stolz, mitunter hochnäsig, wortgewandt und Ungebildeten gegenüber distanziert.

Vom dolce vita zum "Vita Nova"


Dantes Wiege stand in Florenz, das zur damaligen Zeit hinter Paris, Venedig, Mailand und Neapel die fünftgrößte Stadt Europas war. 90.000 Einwohner zählte die toskanische Finanz- und Textilmetropole. Dante, der eigentlich Durante hieß, stammte aus niederem Adel. Einer seiner Vorfahren kämpfte als Kreuzritter für Kaiser Konrad III. Aus Dank dafür waren die Alighieris in die Nobilität erhoben worden. Von Dantes Mutter ist wenig bekannt, sie dürfte früh gestorben sein; sein Vater besaß einige Immobilien, war aber im Vergleich zu anderen Florentinern nur mittelmäßig begütert.

Schulische Bildung hatte Dante Alighieri sowohl von den Dominikanern als auch von den Franziskanern erhalten. Von Ersteren lernte er die Logik, von Zweiteren den Hang zur Naturliebe. Dante übte sich - standesgemäß - im dolce vita des "gebildeten Nichtstuns", frönte seinen Interessen nach Lust und Laune. Er war ein vollendeter cortegiano, ein Edelmann mit guten Sitten. Aufgrund seines hohen Wissensstandes ist es anzunehmen, dass Dante zur Universität ging, erwiesen ist es nicht. Dante zeichnete sich als ausgezeichneter Reiter aus und nahm in der Kavallerie an einer Schlacht gegen die verfeindete Stadt Arezzo teil. Auch im Wortgefecht stellte der junge Alighieri gewandt seinen Mann. Überliefert ist folgende Anekdote: Drei Spötter ritten am Ufer des Arno entlang und richteten im Chor zugleich das Wort an ihn: "Guten Tag, Dante", "Woher kommst du?", "Wie hoch steht der Fluss?". Die Antwort folgte prompt: "Guten Tag und ein gutes Jahr vom Jahrmarkt bis zum Hintern!" Sagte es, und preschte mit dem Pferd davon.

Schon früh widmete sich Dante der Poesie. Beeinflusst hatte ihn Dichterkollege Guido Cavalcanti, ein rhetorisch brillanter Bologneser, der zugleich auch sein bester Freund war. Durch ihn brachte Alighieri den eleganten "süßen neuen Stil" (dolce stil nuovo) in die Dichtkunst ein. Eine weitere Quelle der Inspiration stellte wohl die maurische Liebesmystik des Ibn' Arabi dar; damals wie heute bei religiösen Fundamentalisten verpönt. Dante gehörte den Fedeli d'Amore an, einer Gruppe idealistischer Poeten. In der Frau sahen diese "Liebesgläubigen" ein engelhaftes, himmlisches, anbetungswürdiges Wesen. Trotz der fast kultischen Verehrung des anderen Geschlechts führte Dante gleichermaßen ein recht zügelloses Leben und vergnügte sich gerne mit weniger ätherischen Damen. Von Cavalcanti gerügt, änderte er seine Einstellung und verfasste "Vita Nova", das "Neue Leben".

Liebesmystik um Beatrice
In "Vita Nova" dreht sich alles um Beatrice (="Glückseligmachende") und um die symbolbeladene Zahl 9. Gerade einmal neun Jahre zählt Beatrice als ihr der etwas jüngere Ich-Erzähler, sprich Dante, das erste Mal begegnet. Bei diesem ersten Anblick Beatrices verkündet dem Erzähler eine Stimme in rituellem Latein, dass ihn fortan nur mehr die Liebe beherrschen wird. Nichts kann mehr sein wie zuvor, aber es müssen neun weitere Jahre verstreichen, ehe Dante die Angebetete 1283 erneut zu Gesicht bekommt. Im Vorbeigehen gibt sie ihm den lange ersehnten Gruß. Bei einem dritten Zusammentreffen in der Kirche straft Beatrice Dante durch Wegsehen. Er hatte sich an der wahren Liebe versündigt gehabt und war einer anderen Dame zugetan gewesen. Als Buße offenbart Dante seine Gefühle für Beatrice in Versen. Doch bald darauf stirbt sie. Was der Ich-Erzähler einst im Jenseits zu schauen hofft, ist nicht die Herrlichkeit Gottes, sondern jene Beatrices. Damit begab sich Dante auf dünnes Eis, setzte seine Existenz aufs Spiel, denn manch Anderer wurde schon für Geringeres als Ketzer hingerichtet.

Doch Dante Alighieri, der "Liebesgläubige", nahm den theologischen Disput mit der Kirche gewieft auf. Er argumentierte: "Wenn also die Drei durch sich selbst die Neun bildet, und wenn der Schöpfer (...) die Dreizahl in sich schließt, nämlich Vater, Sohn und den Heiligen Geist, welche drei in einem sind, so wurde diese Frau von der Zahl neun begleitet, damit uns offenbar werde, sie selber sei neun, das heißt ein Wunder, dessen Wurzel allein die herrliche Dreifaltigkeit ist." Dante erklärte seine zur Göttin emporgehobene Beatrice als vollendetes Wesen, wurzelnd in der Dreieinigkeit.

Mittlerweile ist es historisch belegt: Beatrice war eine reale Gestalt, eine Frau aus Fleisch und Blut. Wahrscheinlich lautete ihr Nachname Portinari. Zur Zeit als "Vita Nova" veröffentlicht wurde, 1293, war sie schon drei Jahre tot. Dante hingegen führte eine Zweckehe mit Gemma Donati, aus der mehrere Kinder entsprangen.

Dante im Dickicht der Politik
Nach seiner idealistischen Sturm-und-Drang-Zeit wandte sich Dante der Politik zu. Er agierte als gewählter Abgeordneter der Stadt Florenz und unternahm heikle Verhandlungsmissionen. Das damalige Italien war heillos zerstritten. Zahlreiche Stadtstaaten führten untereinander erbitterte Kriege um Einfluss und Handelswege. Hinzu kam die jederzeit zur Explosion kommende Rivalität zwischen dem deutschen Kaisertum und dem Papst in Rom. Beide sahen sich als Schirmherren der Christenheit. Nicht genug des Wirrwarrs, versuchte auch noch der König von Frankreich, Italien unter seine Hegemonie zu bekommen. Florenz war im Kleinen das Abbild dieser Machtkämpfe. Die Stadtsechstel bildeten unterschiedliche Allianzen gegeneinander, ehe ein Familienstreit zwischen den Buondelmonte-Donati (die Verwandten von Dantes Frau) und den Amidei Florenz in zwei Lager teilte. Diese Fehde eskalierte zu einem weltanschaulichen Konflikt. Die Donati ergriffen Partei der papsttreuen Guelfen, während die Amidei sich den Kaiser loyalen Ghibellinen anschlossen. In abwechselnder Reihenfolge hatten sie einander aus der Stadt vertrieben. Dante stieg in diese Politkabale erst in jener Phase ein, als die Guelfen sich untereinander nochmals spalteten, in so genannte Weiße und Schwarze (1295). Die Schwarzen stammten aus dem alten Hochadel, den Magnati, während die Weißen sich aus neureichen Handelsfamilien rekrutierten. Der Blutadel setze auf ein aristokratisches Regime, der Geldadel auf ein demokratisches. Dante war entschiedener Parteigänger der Weißen.

Papst Bonifatius VIII. waren die zu sehr auf Unabhängigkeit bedachten weißen Guelfen ein Dorn im Auge. Er rief den Franzosen Karl von Valois um Hilfe, der mit den Schwarzen in Florenz einzog und die Stadt von den Demokraten säuberte. Dante musste Anfang 1302 ins oberitalienische Verona fliehen. Aufgrund eines Bannes war es ihm zeitlebens verboten, in seine Heimatstadt Florenz zurückzukehren. Später wurde dies sogar auf die ganze Toskana ausgeweitet. Für Dante galt die Acht, was bedeutete, dass er vogelfrei war und gelyncht werden durfte, sobald er seinen Fuß auf verbotenes Territorium setzte. Als der deutsche Kaiser Heinrich VII. 1310 seinen Italienfeldzug begann, huldigte ihm Dante euphorisch mit der Stimme eines alttestamentarischen Propheten. In Heinrich sah er den Erlöser von dem korrumpierten Papsttum, den Garanten der Freiheit des Mensches. Mit dem plötzlichen Tod des Kaisers, 1314, endeten auch Dantes politische Ambitionen. Er kehrte den undisziplinierten und zerstrittenen Weißen samt verbündeten Ghibellinen endgültig den Rücken.

Kampf für italienische Volkssprache
Dantes neuer Kampf war ein sprachlicher. Von Verona aus geißelte er die Überheblichkeit der Dichterkollegen, die zuhauf - der Mode gemäß - in Provenzalisch ihre Reime schmiedeten. Die Sprache der Provence galt als die hochstehendste und wohlklingendste. Dante sah dies anders, er forderte eine italienische Volkssprache. In "De vulgari eloquentia" sinniert er über die "Beredsamkeit des Volkes". Doch es gab auf der Apenninenhalbinsel des 13./14. Jahrhunderts keine einheitliche Sprache; die Dialekte von Piemont, der Lombardei über Venetien, die Toskana, Latium, hinab bis nach Sizilien unterschieden sich stark voneinander - und wohlklingend waren sie auch nicht, wie Dante selbst zugestand. Erneut griff er zu religiöser Rhetorik: So wie Gott in allem wirkt, vom Stein bis zum Menschen, existiert im Kern all dieser Dialekte auch die ideale italienische Sprache; der linguistisch "ungepflegte, wuchernde Garten" müsse nur kultiviert werden.

Als Dichter-Philosoph im Exil
Es gab drei einschneidende Erlebnisse im Leben Dantes: den Tod Beatrices, seine Verbannung aus Florenz und das Ableben Heinrichs VII. "Vita Nova" markierte gleichzeitig Höhepunkt und Ende der Liebesmystik Alighieris, der ungewollte Exodus aus seiner Heimatstadt den Beginn des Wanderlebens, und der Tod des gehuldigten Monarchen das Ende seiner realpolitischen Laufbahn. Ab nun schlug Dante den Weg des Gelehrten ein, des Weisheitssuchenden, der seine Traktate poetisch ausschmückte. Der Dichter-Philosoph Dante betrat die Bühne Veronas, das "Convivio" entstand. Ursprünglich sollte dieses Opus aus vierzehn Büchern samt Erklärungskapiteln bestehen und den gesamten Wissensstand der Zeit wiedergeben, getreu nach den "sieben freien Wissenschaften". Diese beinhalteten das so genannte Quadrivium (Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musik) sowie das Trivium (Dialektik, Grammatik, Rhetorik). Aus unbekannten Gründen ließ es Dante bei nur vier Bänden bleiben. Entgegen aller wissenschaftlichen Gepflogenheiten war das "Convivio" nicht in Latein, sondern in Italienisch abgefasst, in der Volkssprache eben. Das darin enthaltene Wissen sollte allen zugänglich sein, nicht nur der Elite. Ein schönes Beispiel für Dantes Zerrissenheit. Er, der Edelmann, der das niedere Volk verabscheute, sehnte gleichzeitig demokratische Strukturen herbei.

Im schmalen, gedanklich präzise strukturierten Buch "De monarchia" geht Dante Alighieri nur einer einzigen Frage nach: Ist der Staat der Kirche untertan? Papst Bonifatius VIII. hatte 1303 mit der Bulle "Unam sanctam" die Universalherrschaft der römisch-katholischen Kirche verkündet: "So erklären, sagen, definieren wir, dass jedes menschliche Geschöpf dem Papst unterworfen sein muss, und verkünden, dies sei ganz und gar heilsnotwendig." Das galt auch - bzw. besonders - für den Kaiser. "Wenn also eine weltliche Macht in die Irre geht, wird sie von der geistlichen Macht gerichtet. Irrt jedoch die höchste geistliche Macht, kann sie allein von Gott, nicht aber von einem Menschen gerichtet werden." Diesem Dogma setzte Dante Revolutionäres entgegen. In seiner Philosophie machte die Entwicklung der geistigen Fähigkeiten des Menschen das höchste Ziel aus. Er forderte die Trennung von Staat und Kirche: "Das Fundament des Imperiums ist das menschliche Recht." Der Monarch war für Dante der Garant des Rechtsstaates, dem Papst sollte er keineswegs untertan sein. Wenig wunder, dass Dante von den ghibellinischen Fürsten beschützt und versorgt worden war, während ihm die Partei der Guelfen nach dem Leben trachtete. Vermutlich auch, um den Häschern kein allzu leichtes Ziel zu bieten, reiste Dante viel. Er weilte kurze Zeit in Pisa, besuchte Paris, manche sagen sogar, dass ihn sein Weg bis Oxford führte. Die Spätzeit seines Lebens verbrachte er in Ravenna.

"Die Göttliche Komödie"

Den Gipfel seines Schaffens erklomm Dante mit der "Divina commedia". Im Band eins dieser "Göttlichen Komödie", dem "Inferno" (1314 fertiggestellt), wandert Dante in die Hölle, die terrassenförmig strukturiert ist und sich wie ein Trichter nach unten verengt. Knapp neben dem Zentrum, wo Luzifer haust, trifft er auf die sündigen Päpste. Keiner von ihnen wird jemals den Himmel sehen. Vom Inferno geht Dantes Weg weiter ins luftigere und hellere "Purgatorio". In diesem "Fegefeuer" wächst der Läuterungsberg empor, zu dessen Spitze unruhige, körperlose Seelen schweben. Im dritten Buch findet Dantes Wanderschaft im "Paradiso" (1321 vollendet) ihr Ziel. Nicht nur Franz von Assisi, fromme Mönche und Ritter wie auch Kaiser Heinrich VII. trifft er darin, sondern überglücklich die geliebte Beatrice. Vor Gottes Antlitz ist er endlich mit ihr vereint, erlöst.

In der "Divina Commedia" laufen alle Schaffensstränge Dante Alighieris zusammen. Die Liebesmystik um Beatrice kulminiert im Herzen des Paradieses. Der Poet erlöst sich und die geliebte Tote per Federstrich quasi selbst. Im "Inferno" findet Dantes Verachtung für den korrupten Kirchenstaat ihren Höhepunkt, im selben Maße wie er das Kaisertum durch Heinrichs Himmelsaufenthalt emporhebt. Die Kernthemen von "De monarchia" finden somit allegorische Vollendung. War Dante in der "Eloquentia" noch auf Spurensuche nach der Volkssprache, so hat sie in der "Divina Commedia" bereits schriftliche Form angenommen. Aus der "Göttlichen Komödie" entsprang die Initialzündung zum Hochitalienisch, der gemeinsamen Sprache aller Landesteile, was schließlich im 19. Jahrhundert das Entstehen eines Nationalstaats begünstigte. Dante hatte der weltlichen Macht schließlich doch noch zum Triumph über den Klerus verholfen. Er übte eine ähnliche Nationalität schaffende Anziehungskraft aus wie William Shakespeare im Zeitalter Elizabeth I., oder wie Johann Wolfgang von Goethe für Deutschland nach den Verwüstungen der napoleonischen Kriege.

Den Erfolg zu genießen war ihm nicht vergönnt. Dante Alighieri starb auf der Rückkehr von einer diplomatischen Mission in Venedig am 14. September 1321 an den Folgen der Malaria. Dieselbe Krankheit, die Dantes politische Idealperson Heinrich VII. getötet hatte, beendete auch sein Leben. Das Grabmal des Dante Alighieri steht in Ravenna, wenngleich sich Florenz seit Jahrhunderten bemüht, die Gebeine des großen Sohnes heimzuholen.

Biografie mit Kurzweil
Fritz R. Glunk , Sprach- und Literaturwissenschafter, hat eine sehr kurzweilige Dante-Biografie zu Papier gebracht. Immer wieder ist sie durch farblich abgehobene Zitate aufgelockert, reich mit Bildern versehen und durch gut gesetzte historische Erklärungen verständlich gemacht. Glunk gelingt es, Dante präzise in das Zeitgeflecht des Hochmittelalters zu integrieren, ihn aber gleichzeitig hervorstechen zu lassen. Dante Alighieri erscheint nicht als Übermensch, wohl aber als hochtalentierter Visionär, der Keime sät, die erst lange nach seinem Tod aufgehen werden. Am Ende des Buches bedauert man, dass Glunk nicht noch mehr von Dantes Leben preisgibt und staunt über neu gewonnenes Wissen.

Oder hätten Sie gewusst, dass im Florenz des 13. Jahrhunderts nur einmal im Jahr - am Karsamstag - getauft wurde? Bis zu 6.000 Elternpaare brachten dann ihre Kinder gemeinsam ins Battisterio. Für jedes getaufte Mädchen legte der Vater eine weiße Bohne in einen Behälter, für jeden Jungen eine schwarze; simple demografische Methodik des Hochmittelalters. Wahlen im Stadtrat geschahen durch Deponieren von Bleikügelchen. Warf es der Abgeordnete in eine weiße Urne, hieß das "ja" zur Abstimmungsfrage, warf er es in eine rote Urne, bedeutete dies "nein". Urtümlich und faszinierend einfach zugleich.

Zuguterletzt beschleicht ein kühner Verdacht den Rezensenten: Nahm Shakespeare, der Dantes Vita sicher kannte, Anleihen beim großen Liebesmystiker? Der Streit der Häuser Montague und Capulet ("Romeo und Julia") erinnert frappant an die Bezirksfehden von Florenz. Verona schließlich, Shakespeares Ort der Handlung, diente Dante als Exil. Und von Beatrice zu Julia ist es auch kein weiter Herzenssprung ...

(lostlobo; 05/2004)


Fritz R. Glunk: "Dante"
dtv, 2003. 191 Seiten.
Buch bei amazon.de bestellen

Weitere Lektüreempfehlung:

Dante: "Commedia"
In deutscher Prosa von Kurt Flasch.
Dantes "Commedia" ist wie der Dom, der zu seiner Zeit in Florenz entstand.: Zahllose Ein- und Ausgänge führen unter eine große Kuppel, in der die Geschichten und Figuren, die Biografien und das Wissen ihrer Zeit unendlich nachhallen. Seine "Commedia" durchmisst den gesamten metaphysischen Kosmos der damaligen Zeit - Hölle, Fegefeuer und Paradies - und durcheilt gleichzeitig die dunklen Gassen und verschwiegenen Hintertreppen seiner Zeit. Das Buch war Vision wie Skandal.
Mit seiner Übertragung legt Kurt Flasch die Frucht seiner lebenslangen Dante-Beschäftigung vor. Seine elegante Sprache, seine Kunst zur plastischen Darstellung und sein enzyklopädisches Wissen greifen in einander und erschließen Dantes Kosmos neu. Kurt Flasch entdeckte, dass nicht der Vers, sondern der Satz das eigentliche Architekturelement Dantes ist und übersetzt sein Meisterwerk in eine rhythmisch federnde Prosa, die die Farben der Details, die erzählerische Brisanz seiner Stimmen hervorhebt.
In seiner "Einladung, Dante zu lesen" führt er den Leser durch diese Welt der falschen Päpste und wahren Sünder, der antiken Liebenden und verfluchten Despoten. Hinter dem Meisterwerk und Meilenstein der europäischen Kunst entdeckte er ein Labyrinth der Geschichten und legt so die Kontur einer Epoche frei.
Dante Alighieri wurde zwischen dem 14. Mai und dem 13. Juni 1265 in Florenz geboren. Ab 1283 verfasste er lyrische Dichtung, ab 1300 hatte er wichtige politische Ämter in Florenz inne, von wo er 1302 verbannt wurde. Von 1302 bis 1321 hielt er sich an verschiedenen Höfen in Ober- und Mittelitalien (Verona, Ravenna) auf und war mit diplomatischen Aufgaben betreut. Dante, der am 13. oder 14. September 1321 in Ravenna starb, gilt als wichtiger Erneuerer und Theoretiker früher Lyrik und als einer der bedeutendsten Autoren der italienischen Literatur überhaupt.
Kurt Flasch, 1930 in Mainz geboren, gilt als einer der besten Kenner mittelalterlicher Philosophie und der "urbanste philosophische Schriftsteller Deutschlands" (Gustav Seibt, "Süddeutsche Zeitung"). In seinen zahlreichen Büchern erschließt er so kenntnisreich und streitbar uns so fern scheinende Autoren wie Meister Eckhart, Augustinus, immer neugierig auf die nie zur Ruhe kommenden Antworten ihre Texte. Kurt Flasch erhielt zahllose Preise, darunter 2000 den "Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa", 2009 den "Hannah-Arendt-Preis", 2010 den "Lessing-Preis für Kritik" sowie den Essay-Preis "Tractacus". (S. Fischer)

Buch bei amazon.de bestellen