Antonio Dal Masetto: "Unten sind ein paar Typen"
"Der
Wagen war wie aus
dem Nichts aufgetaucht, und Pablo hatte das ungute Gefühl,
dass er auf ihn
gewartet hatte. Die Gespenster in seinem Kopf, die seit dem Nachmittag
dort
herumspukten, machten sich wieder breit, und er versuchte sie zu
verscheuchen."
(Auszug aus "Unten sind ein paar Typen")
Paranoia
In Argentinien herrschte Ende der 1970er-Jahre eine
Militärdiktatur unter der Führung
von Jorge Rafael Videla. In dieser Zeit verschwanden mehrere
Zehntausend
Menschen spurlos aus ihrem Lebensumfeld. Jahre später wurde
bekannt, dass
zahlreiche Regimekritiker im Auftrag der Junta verschleppt und
über dem
Atlantik aus dem Flugzeug geworfen worden sind.
Der Roman "Unten sind ein paar Typen" spielt im Jahre 1978 in Buenos
Aires und beschreibt zwei Tage aus dem Leben von Pablo, einem
argentinischen
Journalisten. Es ist die Zeit der Fußballweltmeisterschaft,
und Argentinien
steht im Finale gegen die Niederlande. Das Fußballereignis
führt dazu, dass
die Stimmung der Menschen im ganzen Land sich verändert. Sie
strömen
begeistert auf die Straßen. Kritik an der Nationalmannschaft
ist in den Medien
verboten.
Pablo trifft sich mit Freundin Ana, besucht Freunde und Bekannte und
vertreibt
sich die Zeit in Kneipen,
Cafés und Restaurants. Als Ana
bemerkt, dass gegenüber
seiner Wohnung ein paar Typen im Auto sitzen und anscheinend das Umfeld
observieren, wiegelt er ab. Aber die Saat des Zweifels ist
gesät. Wurde nicht
in der Vergangenheit sein Telefon abgehört? In den folgenden
Stunden mehren
sich die Anzeichen, dass da etwas nicht stimmen kann.
Antonio Dal Masetto richtet den Fokus nicht auf Pablos eher
unbedeutende
journalistische Arbeit, sondern auf die Entwicklung der Beziehungen zu
seinen
Freunden und auf seine privaten Aktivitäten. Er verzichtet
darauf, den
gesellschaftlichen und politischen Rahmen
im Argentinien der 1970er-Jahre zu erläutern.
Die permanente Bedrohung durch das Regime spiegelt sich in den
Handlungen der
Protagonisten wieder.
Die Atmosphäre in Buenos Aires ist düster und von
Misstrauen geprägt. Reale
und eingebildete Gefahren wechseln einander ab, Angst und Zweifel
werfen ihre
Schatten über Pablo und seine Freunde. Die latente Bedrohung
führt zur
Distanzierung und damit in die Isolation. Als der Jubel mit dem Sieg
der
Argentinier gegen die Niederländer seinen Höhepunkt
erreicht, steht auch
Pablos gefühlte Bedrohung im Zenit. Er leidet unter
Verfolgungswahn und schüttelt
imaginäre Verfolger ab.
Mit einfachen sprachlichen Bildern, kurzen Dialogen und unkomplizierten
Handlungen gelingt es dem Autor auf überzeugende Weise, den
Kontrast zwischen
der Euphorie der Massen und der Vereinsamung des Individuums unter
einer
Diktatur spürbar zu machen. Es bedarf keiner brutalen Szenen,
um den
psychischen Druck und das Ausgeliefertsein der Menschen zum Ausdruck zu
bringen.
So wie Autor Dal Masetto in seinem Roman "Blut
und Spiele" die Lieblosigkeit einer Gesellschaft
thematisiert,
inszeniert er in "Unten sind ein paar Typen" die paranoiden
Auswirkungen einer fortdauernden Einschüchterung durch einen
Unrechtsstaat.
(Klemens Taplan; 08/2007)
Antonio Dal Masetto: "Unten sind ein paar Typen"
Aus dem Spanischen von Susanna Mende.
Rotpunktverlag, 2007. 160 Seiten.
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Weiteres Buch des Autors:
"Als wärs ein fremdes Land"
Agata ist Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts aus Norditalien nach Argentinien
ausgewandert. Gegen Ende des Jahrhunderts, inzwischen achtzigjährig, beschließt
sie, noch einmal in ihre alte Heimat zurückzukehren. Vieles ist immer noch so,
wie sie es damals verlassen hat, dort in jenem Städtchen am Lago Maggiore, und
dennoch sind das Land und die Menschen, die dort geblieben sind, kaum
wiederzuerkennen. Agata versucht, die Welt, die die ihre war, Stück für Stück
zurückzugewinnen oder wenigstens mit ihrer Erinnerung in Einklang zu bringen.
Eine schwierige und allzu oft unmögliche Arbeit. Behilflich ist ihr dabei die
junge Silvana, mit der sie bald eine außergewöhnliche Freundschaft verbindet
und die mit den Augen der viel älteren Freundin ihre eigene Umwelt ganz neu zu
entdecken beginnt. "Als wärs ein fremdes Land", mit dem renommierten
Literaturpreis "Planeta Biblioteca del Sur" ausgezeichnet, gilt als
Schlüsselwerk der
argentinischen Literatur zum Thema Migration. Es ist die
Auseinandersetzung einer Frau mit ihrer Herkunft, ihren familiären und
kulturellen Wurzeln. Konsequent aus der Perspektive der alten Agata zeichnet der
Autor zudem ein schonungsloses Bild des gegenwärtigen Italien, und es gelingt
ihm, in der Protagonistin so gegensätzliche Haltungen wie Distanziertheit,
Neugier und Teilnahme nahtlos zu verbinden. (Rotpunktverlag)
zur Rezension ...
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