Michael Crichton: "Welt in Angst"

Der Bestsellerautor (er)findet Spuren einer gewaltigen Verschwörung: Umweltschützer haben sich mit Ökoterroristen verbündet, um Kalifornien unter einem Tsunami zu begraben und in der Antarktis ein riesiges Eisschelf abzusprengen. Als Auslöser beider Naturkatastrophen soll der Weltöffentlichkeit die globale Erwärmung präsentiert werden, denn eine Klimakonferenz steht bevor.


Das neueste Buch von Michael Crichton ist sein bisher vom Spielfeld her umfangreichstes. Damit lässt es sich zumindest in dieser Beziehung auf eine Ebene mit Frank Schätzings "Der Schwarm" stellen. Neben der Romanhandlung, die 565 Seiten umfasst, beinhaltet "Welt in Angst" einen Essay, ein Anmerkungsverzeichnis und eine umfangreiche Datenliste (Abbildungen samt kommentierter Bibliografie), was interessierten Lesern die Möglichkeit gibt, sich in die Materie zu vertiefen.

Und diese Materie hat es in vielerlei Hinsicht in sich. Zunächst zur Handlung:
Durch eine kleine, eher in die Atmosphäre einführende Mordgeschichte werden die Leser an die eigentliche Geschichte herangelotst, bevor sie in verschiedenen Ecken der Welt fragwürdige Leute bedrohliche - oder zumindest überaus ungewöhnliche - Gerätschaften kaufen sehen, welche anscheinend für "besondere" Zwecke verwendet werden sollen, denn nicht alle Verkäufer überleben den Abschluss ihres Handels.

Dann begegnen wir George Morton. Er ist ein sehr erfolgreicher Mann, der einen Teil seines Vermögens in die Förderung des Umweltschutzes investiert, bis er schließlich hört, dass seine "Leib-und-Magen-Organisation" in nicht ganz saubere Geschäfte verwickelt zu sein scheint. Er beginnt dies zu überprüfen und lässt schließlich von Peter Evans, einem seiner Anwälte, ein Schriftstück aufsetzen, das die Unterstützung dieser Organisation nachhaltig stoppen wird. Während einer Feierstunde der Organisation lässt George Morton "die Bombe platzen" und setzt sich kurz darauf sturzbetrunken in einen älteren Ferrari. Bald schon wird dieser Wagen um einen Baum gewickelt gefunden.

Nicholas Drake, der Vorsitzende der betreffenden Organisation, versucht den Unfalltod Mortons als Selbstmord nach langer Depression hinzustellen, um die zurückgezogenen Spenden doch noch zu erhalten. Er übt auf Peters Kanzlei Druck aus, diese setzt wiederum den Anwalt unter Druck. Und das ist bei Weitem nicht alles. Ein Agent einer Inlandsterror-Abwehrgruppe namens Kenner und sein Gehilfe spannen ihn ein, um weiter auf den Spuren der Organisation zu wandeln und so herauszubekommen, warum gewisse seltsame Einkäufe getätigt wurden. Außerdem wurde in Georges und Peters Häuser eingebrochen, sowie in die Wohnung von Georges Geliebter. Wegen einiger eigenartiger Überfälle wird Peter von der Polizei gesucht und durch die ganze Welt gekarrt, um sich immer wieder Menschen gegenüber zu sehen, die ihn umbringen wollen.

Dies ist die Geschichte, die in hohem Tempo munter so weiter geht. Doch eigentlich ist dieser Thriller ein Vehikel für ein viel wichtigeres Thema. Dabei kommt Peter Evans vor allen Dingen die Rolle eines Dr. Watson zu, der ganz falsche Vorstellungen von den Dingen hat, wodurch ihm klügere Menschen alles erklären können, und damit eben auch den Lesern. Eine Technik, die wir ja von Crichton schon gewohnt sind. Und was Peter erfährt ist für ihn - und sicher auch für große Teile der Leserschaft - eine wirkliche Neuigkeit. Die "globale Erwärmung" ist eine Theorie, die sich aus den vorliegenden Daten nicht schlüssig ableiten lässt. So zumindest erklärt Kenner es zunächst, was dann auch noch einige andere Leute bestätigen, die über einen Wust an Datenmaterial zu verfügen scheinen, das ihre Aussagen untermauert.

Doch es geht hier nicht einfach um eine Umkehr und Abkehr vom Umweltschutz. Dieser ist wichtig und soll verstärkt weiter betrieben werden. Es geht viel mehr um eine Betrachtung der Frage, wie in den Medien und den Populärwissenschaften mit so genannten Katastrophenthemen umgegangen wird und wie sich dieser Umgang in den letzten 15 Jahren gewandelt hat. Dabei wird vor allen Dingen auch die wissenschaftliche - oder pseudo-wissenschaftliche - Führungsschicht arg ins Gericht genommen, die bei ihrer Arbeit immer auch - zum Teil unbewusst - die Interessen der Geldgeber in die Ergebnisse mit einfließen lässt und darum oft zu den zuvor "erhofften" Ergebnissen kommt.

Die Problematik ist überaus komplex und hat weitreichende gesellschaftliche und politische Verknüpfungen, die nicht unterschätzt werden dürfen. Dies zeigt sich noch einmal in dem Essay am Ende von "Welt in Angst", in dem die Gefahr der Politisierung von Wissenschaft anhand einiger Beispiele aus dem 20. Jahrhundert verdeutlicht wird.
Ein sehr verstörendes Schriftstück.

Die kommentierte Bibliografie zwingt geradezu zum Weiterlesen und -lernen, und die angegebenen Titel widersprechen zum Teil den im Buch geäußerten Ansichten, worauf Crichton auch explizit hinweist. Die Leser sollen diese Sammlung nutzen, um sich eine eigene Meinung zu bilden, und dafür ist sie sicherlich wunderbar geeignet.
"Welt in Angst" ist nach meinem Dafürhalten ein wichtiger Roman, der gerade in den behüteten ängstlichen westlichen Industrienationen mit einer deutlichen Spur Selbstkritik gelesen werden sollte.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 01/2005)


Michael Crichton: "Welt in Angst"
(Originaltitel "State of Fear")
Aus dem Amerikanischen von Ulrike Wasel, Klaus Timmermann.
Blessing, 2005. 603 Seiten.
ISBN 3-89667-210-X.
ca. EUR 25,60.

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Michael Crichton wurde am 23. Oktober 1942 in Chicago geboren und studierte in Harvard Medizin. Crichton, der seit Mitte der 1960er Jahre Romane schreibt, greift immer wieder neueste naturwissenschaftliche und technische Forschungen auf. Seine Romane - "Jurassic Park", "Enthüllung", "Die Wiege der Sonne", um nur einige seiner bedeutendsten zu nennen - wurden auch als Filme weltweite Erfolge. Für die international erfolgreiche Serie "Emergency Room" schrieb er das Drehbuch.
Lien: Netzseite des Autors

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