Joseph Conrad: "Herz der Finsternis"
Nirgendwo ist die Faszination der afrikanischen Wildnis eindringlicher beschrieben, die Dumpfheit und Brutalität europäischer Eroberer schonungsloser entlarvt worden als in diesem Abenteuerbuch. Marlow, ein Zivilisationsflüchtling, hat als Kapitän auf einem Dampfer im Kongo angeheuert. Auf dem Weg ins "Herz der Finsternis" muss er allmählich erkennen, wie es mit der Kultur des weißen Mannes in Wirklichkeit steht: wie weit sie von dem hehren Bild entfernt ist, mit dem sich Missionare, Abenteurer und Profiteure gleichermaßen schmeicheln.
"Herz der Finsternis"
ist einer der bekanntesten Romane der Weltliteratur. In diesem Roman verarbeitete
Joseph Conrad seine Erfahrungen als Expeditionsteilnehmer einer Fahrt auf dem
Kongo.
Joseph Conrad wurde am 3. Dezember 1857 als Józef Teodor Konrad Korzeniowski in Berditschew
bei Kiew geboren. Er starb am 3. August 1924 in Bishopsbourne (Großbritannien).
Marlow, der archetypische Erzähler in vielen Werken Conrads, sitzt mit einer Reihe unbekannter
Zuhörer in einer zunehmend dunkler werdenden Umgebung und erzählt seine Geschichte.
Er berichtet, wie er durch familiäre Vermittlungen einen Posten in einer Handelsgesellschaft
für Elfenbein bekommt und von dieser - seinem
eigenen Wunsch nach Reisen entsprechend, der sich während seiner Kindheit und
Jugend entwickelt hat - mit einem Auftrag nach Belgisch Kongo geschickt wird um
dort einen ihrer Zulieferer, mit dem der Kontakt wohl abgebrochen ist, ausfindig
zu machen.
Während er sich an Bord der NELLIE mit einigen Pilgern, die "den Wilden die Zivilisation
bringen" wollen, den Kongo aufwärts begibt, merkt er, wie der Urwald, die Trommeln
und auch die Eingeborenen bei aller Gefahr, die diese Umstände für ihn bedeuten,
tief in seiner Seele eine Saite anschlagen, die im Einklang mit der Wildnis um
ihn herum vibriert. Mehr und mehr distanziert er sich innerlich von den Weißen
auf seinem Boot und beginnt die Schwarzen in der Mannschaft, von denen einige
Kannibalen sind, mit freundlicheren Augen zu betrachten. Dies führt sogar so weit,
dass er schließlich das Gefühl hat, deren leibliches Interesse an einem verstorbenen
Bootskameraden sei legitimer als der Wunsch der Pilger, den Leichnam feierlich
und nach religiösem Ritus beizusetzen. Er findet für dieses Dilemma seine eigene
Lösung, die keine der beiden Seiten wirklich zufrieden stellt, aber einen Konflikt
an Bord vermeidet. Dabei wird ihm zunehmend klar, dass die Vorurteile seiner eigenen
Erziehung und Kultur gegenüber den Schwarzen in vielen Elementen fehlerhaft sind,
wenn er sich auch nie vollkommen aus dieser rassistischen Perspektive lösen kann.
Tatsächlich merkt er, dass es für den philosophisch veranlagten, intelligenten
Menschen wesentlich einfacher ist, sich wieder in den Rhythmus der Natur einzufinden,
als für den "einfachen, dahinlebenden" Zivilisationsmenschen, der sich mit immer
absurderen Ritualen vor dem Eindringen der Natur in seine Seele zu schützen sucht.
Hierbei unterwirft er die Natur von außen und auch die innere menschliche Natur
allerdings keiner philosophischen Systematik, wie es etwa im 18. Jahrhundert
de
Sade tat, was es ihm ermöglicht, Widersprüche in diesen Bereichen als natürlich
zu sehen und damit seinen Helden auch positive Qualitäten zuzugestehen.
Auf der Reise hört Marlow auch immer mehr über Kurtz, den Mann, den er finden soll
und der anscheinend den Kongo kennt wie kein Zweiter. Kurtz soll ein überaus gelehrter
Mann und ein großer Redner sein, ein geborener Menschenführer. Und als Marlow
sein Ziel erreicht findet er einen sehr kranken Weißen, der von den Eingeborenen
in geradezu religiöser Art und Weise verehrt wird und dessen Worte und Ideen ihn
tief beeindrucken. Marlow sieht, wohin er selber kommen könnte, wenn er das "Herz
der Finsternis" - den dunklen Grund des menschlichen Herzens - aufsucht und beschließt
dort zu leben, ein Schritt, den er schließlich nicht umsetzt. Er kehrt - wenn
auch sehr verändert - in die Zivilisation zurück, wo er sich um den Nachlass des
mittlerweile verstorbenen Kurtz kümmert. Marlow bemerkt speziell bei einem Besuch
bei Kurtzs Verlobter, dass er einem rein zivilisierten Menschen die Realitäten
in denen Kurtz gelebt hat und gestorben ist nicht mitteilen kann.
Sprachlich ist dieses Buch an einigen Stellen ziemlich holprig, während es an anderen Stellen
eine wunderbare atmosphärische Dichte hat.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 05/2003)
Joseph Conrad: "Herz der Finsternis" Ein Buchtipp:
(Originaltitel: "Heart of Darkness")
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Elmar Schenkel: "Fahrt ins Geheimnis. Joseph Conrad. Eine Biografie"
Mit Werken wie "Herz der Finsternis" oder "Lord Jim" hat Joseph Conrad Klassiker
der Weltliteratur geschrieben. Zum 150. Geburtstag erschien eine neue
Biografie, welche den Orten, Menschen und Themen nachgeht, die in Conrads Leben
und Werk eine Rolle spielen. Man erfährt von der Kindheit in Polen und der
Entscheidung, zur See zu fahren. Man begleitet ihn auf Reisen durch den
Malayischen Archipel und den
Kongo, erlebt seine ersten Versuche, in einer
fremden Sprache zu schreiben, und lernt die Menschen kennen, mit denen er
Umgang hatte. Gleichzeitig führt Elmar Schenkel in die wichtigsten Werke ein und
beleuchtet die Hintergründe ihrer Entstehung und Themen. Entstanden ist eine
lebendiges, stimmungsvolles und literarisches Porträt, das Mensch und Werk
anschaulich werden lässt. (S. Fischer)
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