Agatha Christie: "Tod in den Wolken"

(Hörbuchrezension)

Eine Tote im Flugzeug! Welch ein Glück, dass Hercule Poirot an Bord ist. Dennoch sind die kleinen grauen Zellen des belgischen Meisterdetektivs enorm gefordert bis er herausfindet, wie - und vor allem warum - Marie Morisot zu Tode kam


Ein Flug von Frankreich nach England. Die erste Klasse ist besetzt mit Damen und Herren der feinen Gesellschaft, oder zumindest mit denen, die es sich leisten können. Jede kleinere Reisegruppe geht ihrer eigenen Beschäftigung nach und die Stewards sorgen dafür, dass jeder Kaffee und ähnliche Erfrischungen zur Verfügung hat. Hin und wieder steht jemand auf um die Waschräume aufzusuchen. Eine kurze Ablenkung erzeugt eine Wespe, die sich in die Kabine verirrt hat, und sie stört etliche Passagiere, bevor sie am Tisch von Dupont sr. und jr. ihr gewaltsames Ende findet. Da fällt einigen der Passagiere auf, dass eine Dame - Marie Morisot - offensichtlich nicht ganz in Ordnung zu sein scheint. Ein anwesender Arzt - Dr. Bryant - stellt ihren Tod fest und geht auf Grund eines Einstichs am Hals davon aus, dass hier eine allergische Reaktion auf einen Wespenstich vorliegen könnte. Doch der ebenfalls an Bord befindliche Hercule Poirot findet in der Nähe der Leiche einen mit gelben Fäden präparierten Blasrohrpfeil und wenig später auch hinter seinem eigenen Platz in der Kabine ein passendes Blasrohr südamerikanischer Machart. Offensichtlich ist Marie Morisot in diesem Flugzeug ermordet worden, und niemand kann sich erklären, wie dies in diesem vergleichsweise engen Raum geschehen sein soll, ohne dass es ein jemand bemerken konnte.

Die Ermittlungen zu diesem Mord in einem abgeschlossenen Raum - eines der Lieblingsmotive der klassischen Kriminalliteratur - beginnt bereits an Bord des Flugzeugs, geht dann aber auf englischem und schließlich auch auf französischem Boden weiter. Wer kommt als Mörder in Frage? Die Herren Dupont, die als Archäologen dringend Gelder für ihre nächste Grabungskampagne benötigen? Die junge Friseurin Jennifer Gray? Der ebenfalls junge Zahnarzt Norman Bates? Einer der beiden Stewards? Der weibliche Kredithai Miss Humphrey, die ihre finanziellen Fangarme über ganz Europa verteilt hat und die Zahlungswilligkeit ihrer Klienten oft durch Erpressung positiv beeinflusst? Ihre Zofe? Der Kriminalautor Mr. Clancy, der ständig auf der Suche nach neuen Stoffen ist und über die Aufregungen an Bord seltsam erfreut zu sein scheint? Oder vielleicht sogar Hercule Poirot selbst? Und hat vielleicht eine entfremdete Tochter von Marie Morisot - Anne Morisot - etwas mit diesem Verbrechen zu tun? Und wie ist es dem Mörder gelungen, auf so engem Raum ein doch relativ auffälliges Blasrohr zu verwenden? Und warum hat er dieses nach der Tat nicht durch eines der Abzugslöcher in den Fenstern der Kabine "entsorgt", sondern es so platziert, dass es auf jeden Fall gefunden werden musste? Wie kam er an das überaus seltene Schlangengift, in das die Spitze des Blasrohrpfeils getaucht war?

Während die Ermittlungen in zwei Ländern und später auf mehreren Kontinenten weiter gehen, merkt Jennifer Gray, dass ihr Erlebnis an Bord des Flugzeugs ihre Kundinnen im Frisiersalon sehr begeistert, und sie kann schließlich bei ihrem Chef eine Gehaltserhöhung durchsetzen. Norman Bates macht gegenteilige Erfahrungen, als seine Patientinnen und Patienten sich immer öfter entschuldigen, weil ihnen der Gedanke, dass jemand, der im Umfeld eines Giftmordes war, sich an ihren Zähnen zu schaffen macht, unerträglich ist. Gemeinsam planen die beiden im Zuge der Ereignisse, ihr Leben eventuell in Kanada unter einen anderen - glücklicheren - Stern zu stellen, während Hercule Poirot seine Ermittlungen immer weiter vorantreibt und den Kreis der Verdächtigen zunehmend einengt. Über die relativ schnell geklärte Methode kommt er schließlich zu den Personen, die die Gelegenheit hatten, die entsprechende Methode anzuwenden und muss dann, nachdem nur noch vier Verdächtige übrig bleiben, die Person mit dem überzeugendsten Motiv finden, die außerdem Zugang zu Schlangengift hatte.

Eine spannende - wenn auch stellenweise etwas langatmige - Geschichte (das Vorlesen langer Inventarlisten von Gepäckstücken ist schwierig interessant zu gestalten), die von Rainer Bock sehr gut vorgetragen wird und die eine schöne Ergänzung zur neuen Agatha Christie-Reihe des Hörverlags darstellt. 

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 08/2003)


Agatha Christie: "Tod in den Wolken"
Der Hörverlag, 2003.
Gelesen von Rainer Bock
Laufzeit etwa 220 Minuten.

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