Christian Nürnberger: "Das Christentum"

Was man wirklich wissen muss


Geschichte und Botschaft einer im Kern erstaunlich aktuellen Weltreligion

Christian Nürnbergers Buch über die Bibel wurde ein Verkaufsschlager. Nun hat der Autor nicht nur die heilige Schrift der Christen, sondern ihre Religion selbst zum Thema eines weiteren Buchs gemacht.
Das Werk umfasst vier Teile:

- Das Fundament des Christentums
Hier geht es um die zentralen Figuren des Alten Testaments, vor allem Abraham, Jakob und Moses. Selbstverständlich erzählt und interpretiert Nürnberger jedoch auch die anderen wichtigen Ereignisse, zum Beispiel die Einführung des Königtums, die Sozialkritik durch die Propheten, das babylonische Exil und die daraus resultierende Hinwendung zu einem absoluten Monotheismus.

- Vom Siegeszug und Verrat der christlichen Botschaft: 2.000 Jahre Christentum
Der Autor befasst sich in diesem Abschnitt mit Jesus und der Entstehung des Christentums aus einer kleinen Gemeinschaft, die anfänglich nichts anderes war als eine jüdische Sekte unter mehreren und zunächst, vor allem im Römischen Reich, nur Hohn, Spott und Hass auf sich gezogen hat. Als Kaiser Konstantin das Christentum mehr oder weniger zur Staatsreligion macht, beginnt dessen Triumph - und gleichzeitig der Niedergang der ursprünglichen Werte.

- Die Essenz der christlichen Botschaft
Kritisch-abwägend setzt sich Nürnberger mit den unpopulär gewordenen Begriffen "Sünde" und "Erbsünde" auseinander, zeigt auf, wie das zentrale jüdisch-christliche Element des Exodus zu verstehen ist, und warum wenige genügen, um viele zu bewegen. Am Ende des Abschnitts zieht er Bilanz: Was hat das Christentum bewirkt, im Positiven wie im Negativen?

- Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt: Christentum im 21. Jahrhundert
Nicht nur Nürnberger, sondern auch die Kirche selbst sieht, dass das Christentum, vielmehr eben die Kirche, in einer Glaubwürdigkeitskrise steckt. Manche Konfessionen sind in sich zerstritten, die eine Richtung versucht sich mittlerweile angesichts des Mitgliederschwundes "à la McKinsey" zu vermarkten. Christentum kontra Esoterik - kann das Ziel so aussehen?

Wer Nürnbergers Buch über die Bibel gelesen hat, wird viele inhaltliche Überschneidungen mit seinem neuen Werk erkennen; kein Wunder, sind Heilige Schrift und Religion doch eng miteinander verflochten oder sollten es zumindest sein. Der rote Faden in "Das Christentum" verläuft indes allerdings deutlich anders, denn Nürnbergers neue Veröffentlichung untersucht die zentralen biblischen Geschichten nicht nur hinsichtlich ihrer ethischen Bedeutung, sondern vor allem ihrer Auswirkung auf die Entwicklung der jeweiligen Religion - des Alten Testaments auf das Judentum und damit indirekt auch auf das Christentum, des Neuen Testaments natürlich nur auf die "Tochterreligion". Aufgrund dieser Aufgabenstellung betrachtet der Autor in "Das Christentum" deutlich weniger biblische Texte als in "Die Bibel", diese allerdings intensiver.

Sehr interessant und bedenkenswert sind Nürnbergers Ausführungen über die Essenz der christlichen Botschaft und der Ausblick zur Rolle des Christentums im 21. Jahrhundert. Nach wie vor betont der Autor und bekennende Agnostiker die Radikalität der Botschaft und zeigt auf, dass genau dieses revolutionäre Element, nämlich die Abkehr von einer Hierarchie, die einzelnen eine übermäßige Macht einräumt und andere zu Ausgestoßenen macht, seine Gültigkeit und herausfordernde Natur behalten hat.

Sowohl beim Rückblick auf die Geschichte des Christentums mit ihren Irrungen und Wirrungen, aber auch großen Leistungen, als auch beim Ausblick auf die Zukunft wägt Nürnberger sorgfältig und anhand klarer Argumente ab und zeigt sich insgesamt, wenn auch nicht kompromissbereit - gut so! -, doch konziliant.

Das Buch eignet sich als Wegweiser und Denkanstoß für überzeugte und Pro-forma-Christen, für Suchende und solche, die schon fündig geworden sind (oder dies annehmen), für Gläubige und Nichtgläubige, sicher auch für Andersgläubige: sprich, für alle, die gern wissen möchten, was das eigentlich soll und will, das Christentum.

(Regina Károlyi; 09/2007)


Christian Nürnberger: "Das Christentum. Was man wirklich wissen muss"
Rowohlt Berlin, 2007. 303 Seiten.
Buch bei amazon.de bestellen